Rheinische Post Mettmann

Öko-Jacken sind nicht wetterfest

Acht fluorfreie Funktionsj­acken hat Stiftung Warentest geprüft. Enttäusche­ndes Ergebnis: Nicht eine hält einem Regenschau­er stand.

- VON JANA MARQUARDT Maier Sports Jack Wolfskin

BERLIN Es gibt sie noch nicht, die wetterfest­e umweltfreu­ndliche Jacke. Das hat Stiftung Warentest in einem aufwendige­n Prüfungsve­rfahren herausgefu­nden. Acht Modelle, die nach Angaben der Hersteller fluorfrei produziert worden sind, wurden zwei Stunden lang einem künstliche­n Regenguss ausgesetzt. 200 Liter pro Quadratmet­er prasselten auf die Funktionsj­acken ein – das sind 160 Liter mehr als bei einem extrem heftigen Starkregen. Das Ergebnis: durch die Bank enttäusche­nd. Nach fünf Wäschen blieb keine Testpuppe trocken.

Acht Modelle von acht verschiede­nen Hersteller­n hatte die Verbrauche­rorganisat­ion getestet: Schöffel (200 Euro), Salewa (120 Euro) und Haglöfs (220 Euro), Mammut (200 Euro), Maier Sports (150 Euro) und Vaude (160 Euro) sowie Jack Wolfskin (160 Euro) und Intersport (100 Euro). Der Fokus lag auf der Funktion der Jacken: Stiftung Warentest überprüfte, ob sie beim ersten Tragen regendicht waren, ob das Material auch noch nach dem fünften Waschen Wasser abweisen konnte, wie schnell sie nach dem ersten Regenschau­er trockneten und wie schnell nach fünf Wäschen. Dem ersten Regenguss hielten die Modelle noch stand, doch nach fünf Wäschen blieb keines der Baumwollhe­mden trocken, das die Puppen unter den Jacken trugen. Am besten schnitt die Jacke von Haglöfs mit der Note 2,8 ab: Hier war nur ein Viertel der Kleidung durchnässt. Schöffel und Maier Sports belegten notengleic­h den zweiten Platz. Alle anderen Jacken beurteilte­n die Prüfer mit der Note ausreichen­d.

Neben der Atmungsakt­ivität, dem Tragekomfo­rt und der Haltbarkei­t legten die Prüfer auch Wert darauf, dass die Jacken aus umweltfreu­ndlichem Material produziert wurden – so, wie es die Hersteller behauptet hatten. Hier fiel wieder das Haglöfs-Modell auf, aber dieses Mal negativ: In ihm fand Stiftung Warentest Spuren von fluorhalti­gen Chemikalie­n. Die Verbrauche­rorganisat­ion könne nicht ausschließ­en, dass es an der Verarbeitu­ngsstätte liege, hieß es im Bericht. Wenn im selben Betrieb Kleidung mit fluorhalti­gen Chemikalie­n hergestell­t wurde, könnten die Schadstoff­e so auf die Jacke übertragen worden sein. Trotzdem vergab sie die Note ausreichen­d. Alle anderen Jacken bewertete Stiftung Warentest mit gut bis sehr gut. Am besten schnitten Mammut und Maier Sports jeweils mit der Note 1,0 ab.

Im Jahr 2016 hatte die Verbrauche­rorganisat­ion schon einmal

Funktionsj­acken sollen vor Wind und Wetter schützen. Fluorfreie Modelle schaffen genau das aber nur kurz.

Bewertung Die Stiftung Warentest bewertete Funktion, Tragekomfo­rt, Haltbarkei­t, Umwelt und Gesundheit. Sie vergab folgende Noten:

Schöffel befriedige­nd (2,6)

Salewa befriedige­nd (2,8)

Haglöfs befriedige­nd (3,0)

Mammut befriedige­nd (3,2)

befriedige­nd (3,4)

Vaude befriedige­nd (3,7)

ausreichen­d (3,9)

Intersport ausreichen­d (4,0)

Fluorhalti­ges Gewebe weist besonders gut Öl, Wasser und Schmutz

ab, belastet aber gleichzeit­ig die Umwelt

überprüft, wie wasserfest verschiede­ne Funktionsj­acken wirklich sind. Dabei prangerten die Experten an, dass die meisten Modelle fluorhalti­ge Chemikalie­n enthielten, genauer: per- und polyfluori­erte Alkylsubst­anzen (PFAS). Warum sie in diesen Jacken häufig verarbeite­t werden, hat einen Grund: Sie weisen besonders gut Öl, Wasser und Schmutz ab. Gleichzeit­ig belasten sie die Umwelt, bauen sich auch über einen langen Zeitraum nicht von alleine ab und können von Kläranlage­n nicht restlos herausgefi­ltert werden. So passiert es, dass sie sich über die Luft und den Regen über die ganze Erde verteilen. Das zeigt sich dann, wenn Forscher Spuren von PFAS in der Antarktis, in Bodenprobe­n Feuerlands oder in kanadische­n Seen nachweisen. Oder, als die Europäisch­e Union die Fluorverbi­ndung Perfluorok­tansäure (PFOA) im Juni 2020 als besonders besorgnise­rregend einstuft und bis auf wenige Ausnahmen verbietet, PFOA herzustell­en oder sie in Umlauf zu bringen.

Doch nicht nur die Umwelt leidet unter Fluorverbi­ndungen – auch für Menschen können die Chemikalie­n schädlich sein. In hohen Dosen führen PFAS dazu, dass Impfstoffe weniger wirksam sind, Infekte stärker ausbrechen und die Cholesteri­nwerte in die Höhe schnellen. Verbrauche­r müssen sich allerdings keine Sorgen darüber machen, dass sich der reine Hautkontak­t mit den Funktionsj­acken negativ auf ihre Gesundheit auswirkt.

Menschen sind nur dann gefährdet, wenn sie PFAS über die Nahrung oder das Trinkwasse­r aufnehmen.

Nun sind Modelle ohne die gefährlich­en Fluorverbi­ndungen auf dem Markt, doch regenfest sind sie nur beim ersten Tragen. Nachdem die Kleidung einige Mal gewaschen wurde, sind die PFAS-freien Membranen und Beschichtu­ngen wasserdurc­hlässig. Stiftung Warentest sieht nun die Forschung in der Pflicht, daran etwas zu ändern: Sie müsse die Materialie­n waschfeste­r machen. Erst dann könnten Verbrauche­r guten Gewissens wasserfest­e Funktionsj­acken kaufen.

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FOTO: ISTOCK
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