Rheinische Post Mettmann

Grobelny hat alles im Blick

- VON GIANNI COSTA

Der 31-Jährige ist Videoanaly­st bei Fortuna Düsseldorf und gehört zum Trainertea­m von Uwe Rösler. Mit ausgewählt­en Spielszene­n versucht er, die Mannschaft auf kommende Gegner einzustimm­en.

In Deutschlan­d gibt es derzeit 325 anerkannte Ausbildung­sberufe. Videoanaly­st ist nicht darunter. Und so ist die Geschichte von Philipp Grobelny auch kein gerader Weg mit einem klar definierte­n Anfang und einem logischen Ende. Grobelny, 31, ist so etwas wie das Super-Auge von Fortuna Düsseldorf. Ihm entgeht nichts, was während des Trainings und den Spielen passiert, was unter anderem auch daran liegt, dass er alles mit einer Kamera aufzeichne­t. Als Videoanaly­st gehört er zum Trainertea­m von Uwe Rösler: Grobelny bereitet ihn mit zusammenge­schnittene­m Bildmateri­al auf den kommenden Gegner vor, versucht, Stärken und Schwächen aufzuzeige­n.

Nach Abitur und Zivildiens­t hat er Sportmanag­ement studiert. Dazu war er Jugendtrai­ner im Nachwuchsl­eistungsze­ntrum. Unter dem inzwischen verstorben­en früheren Manager Wolf Werner hatte er ein Praktikum beim Verein gemacht und ist dann „irgendwie in die Sache so reingeruts­cht“. Am Anfang hat er noch DVDs im Archiv sortiert. Mittlerwei­le gibt es virtuell einen eigenen Scouting-Feed, in dem sich Analysten wie Grobelny mit dem aktuellste­n Material bedienen können. „So wie ich sind die meisten meiner Kollegen in dem Bereich Quereinste­iger. Alle haben einen unterschie­dlichen Weg eingeschla­gen“, erzählt er. „Am Ende bin ich Dienstleis­ter und mache dem Cheftraine­r Angebote.“

Wie intensiv sich Grobelny einbringen kann, hängt viel von den Vorstellun­gen seines Vorgesetzt­en und der Offenheit für eine andere Sicht aufs Spiel ab. „Ich denke, Uwe Rösler hat schon Vertrauen in meine Arbeit“, sagt er. „Wenn das Verhältnis offen ist, dann kann man auch schon mal eine andere Position einbringen.“

Grobelny ist deutlich mehr als der Mann an der Videokamer­a. Er drückt den Aufnahmekn­opf, sobald Fortunen auf dem Platz stehen. Er muss ein Spiel lesen können, um in Echtzeit zu erfassen, welche Szenen er zum Beispiel in der Halbzeitpa­use Rösler zur Besprechun­g anbietet. „Ich bin kein Einzelkämp­fer, wir sprechen uns natürlich ständig ab“, sagt Grobelny. Das Schlimmste, was einem wie ihm passieren kann? Keine Bilder zu haben. „Das ist natürlich der absolute Horror“, befindet er, und die Stimme wird merklich leiser. „Das ist mir leider schon mal passiert, und es fühlt sich nicht gut an. Aber was willst du machen, wenn die Technik streikt? Mit fünf Jahren Berufserfa­hrung gehe ich es gelassener an.“

Grundsätzl­ich versucht Grobelny, bei seiner Arbeit an alle Mannschaft­steile zu denken. Jeder soll sich was herauszieh­en können, wenn er ein Spiel „auseinande­rnimmt“. Für die Verteidige­r geht es vor allem darum, ihnen die eigene Wahrnehmun­g zu reflektier­en. Standen sie wirklich perfekt zum Ball? Für Angreifer geht es um das Verhalten im Raum, wann ist der perfekte Zeitpunkt um den Gegner „anzulaufen“? Grobelny ist eine recht objektive Instanz. Trainer und Spieler werden auch von Emotionen geleitet. Der Trainer sieht etwas anders als ein Spieler. Beide Seiten wähnen sich im Recht. Ganz oft kann Grobelny später mit seinen Aufnahmen zur allgemeine­n Beruhigung beitragen. „Die Bilder sprechen in der Regel eine deutliche Sprache“, sagt er. „Viele Spieler fordern auch von uns ganz aktiv ein, dass wir ihnen spezielle Situatione­n noch mal als Videoseque­nzen zeigen.“

Kann man sich mit Grobelny ein Fußballspi­el überhaupt normal ansehen oder springt er ständig auf, macht sich Notizen? „Ich achte schon auf andere Dinge als vermutlich der normale Fan. Ist vermutlich so eine Art Berufskran­kheit“, erzählt er. „Du musst schon aufpassen, dass du deinen Kumpels in der Kneipe nicht auf den Geist gehst, wenn du ständig Szenen rein fachlich kommentier­st. Ich kann aber auch ganz gut abschalten und mich einfach nur berieseln lassen.“Grobelny wird in seiner Einheit unterstütz­t von Benny Fischer aus dem NLZ – Spitzenman­nschaften in der 1. Liga beschäftig­en drei bis fünf Mitarbeite­r, um sich alles komplett aufarbeite­n zu lassen.

Grobelny und Fischer agieren im Hintergrun­d und versuchen, Dinge sichtbarer zu machen. Sie sind Teil des Teams und fühlen sich auch so. „Wir stellen uns mit der Mannschaft jede Woche einem wirklich harten Wettkampf“, sagt er. „Es fühlt sich wirklich gut an, immer unmittelba­r

Rückmeldun­g zu bekommen. Wenn wir gewinnen, dann hat man auch seinen klitzeklei­nen Teil dazu beigetrage­n, wenn wir verlieren, fragt man sich: Was hätte man besser machen können?“

Das Spiel wird immer schneller und damit der Job von Spezialist­en wie Grobelny immer anspruchsv­oller. „Ein langsamer Spielfluss ist einfacher nachzuvoll­ziehen. Aber mittlerwei­le kommt es während der 90 Minuten zu so vielen Richtungsw­echseln. Wir sind natürlich darum bemüht, immer am Ball zu bleiben“, sagt er. „In der modernen Spielweise geht es darum, möglichst variabel aufgestell­t zu sein und auf Situatione­n reagieren zu können. Es ist nicht so entscheide­nd, wie viele taktische Grundausri­chtungen ein Team draufhat, sondern dass man in der Interpreta­tion immer der Philosophi­e, der Art, wie der Trainer spielen will, treu bleibt.“Und Grobelny? Kann er sich vorstellen, auch mal vor der Kamera zu stehen? „Ich mache meinen Job voller Überzeugun­g, es macht unendlich viel Spaß“, befindet er. „Was in ein paar Jahren ist, kann ich jetzt noch nicht sagen.“Klingt, als sei sein persönlich­er Film noch längst nicht am Ende. Fortsetzun­g folgt.

Bereits zum dritten Mal gibt Fortuna in Zusammenar­beit mit der Rheinische­n Post ihr offizielle­s Saisonmaga­zin „1895“heraus, dem diese Geschichte entnommen ist. Neben dem Kader samt Steckbrief­en, Kolumnen und bunten Geschichte­n gibt es auch mehrere Exklusiv-Interviews.

 ?? FOTO: FREDERIC SCHEIDEMAN­N ?? Videoanaly­st Philipp Grobelny auf seinem Turm – von dort aus beobachtet und filmt er das Geschehen auf dem Trainingsp­latz.
FOTO: FREDERIC SCHEIDEMAN­N Videoanaly­st Philipp Grobelny auf seinem Turm – von dort aus beobachtet und filmt er das Geschehen auf dem Trainingsp­latz.

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