Als ein 3:4 die Weichen zum Aufstieg stellte
Am Sonntag erwartet Fortuna Jahn Regensburg. Es ist eine Begegnung, die Erinnerungen weckt.
Es ist 18.44 Uhr und ein paar Sekunden an diesem 23. Februar 2018. Der eiskalte Wind steht genau in Richtung Gästeblock, doch den Fortuna-Fans im Sportpark von Regensburg können selbst die arktischen Temperaturen die Feierlaune nicht verderben. Sie heizen sich mit Triumphgesängen und dazu passenden Hüpfern ordentlich ein und haben scheinbar ja auch allen Grund dazu: Gerade hat Takashi Usami das 3:0 für die Düsseldorfer erzielt, und dabei ist im Zweitligaspiel beim SSV Jahn Regensburg noch nicht einmal eine Viertelstunde gespielt.
Bei mir auf der Pressetribüne pfeift der Wind ebenfalls so kräftig, dass ich das Handy auf den Aufstellungsbogen legen muss, damit er nicht davonfliegt. Das passiert dann freilich doch, als Kollege Patrick Scherer das Handy eben nach diesem 3:0 klingeln lässt: „Na, da kannst du deinen Text ja schon fertig machen“, sagt er lachend aus der Redaktion in Düsseldorf. Ich müsste lügen, wenn ich heute behauptete, dass ich schon in diesem Moment ein mulmiges Gefühl gehabt hätte. Aber 22 Minuten später stellt es sich wirklich ein: Da macht Regensburgs Kapitän Marco Grüttner das 1:3 – und ich höre sofort damit auf, den vermeintlichen Auswärtssieg-Text vorzuschreiben. Meine langjährige Fortuna-Erfahrung sollte mich nicht trügen: Die Düsseldorfer verlieren tatsächlich noch 3:4. Aus einem ganz normalen Spiel ist eine Partie geworden, über die Fortuna-Fans noch in vielen Jahren sprechen werden und die gerade mit Blick auf das Gastspiel des SSV Jahn bei Fortuna an diesem Sonntag (13.30 Uhr) wieder stark in den Blickpunkt rückt.
Wie könnte man jenen Freitagabend auch vergessen, als Zuschauer oder als Berichterstatter? Eine Zweitliga-Mannschaft kann schließlich kaum besseren Fußball spielen als Fortuna damals in den ersten 25 Minuten, in denen es tatsächlich sogar noch mehr Treffer hätte geben können als die von Rouwen Hennings (3.), Benito Raman (13.) und eben Usami. Und eine Zweitliga-Mannschaft kann kaum mehr auseinanderfallen, als es Fortuna nach Grüttners 1:3 tut. Noch vor der Pause fällt das 2:3 durch Jonas Nietfeld, und dass der Elfmeter zu Marvin Knolls Ausgleich (60.) unberechtigt ist, bleibt nach Sargis Adamyans 4:3 (65.) eine Randnotiz.
Diesmal bin ich es, der in der Redaktion bei Patrick anruft, restlos sauer darüber, dass die Erstliga-Zukunft, die ich mir bereits ausgemalt habe, derartig verschenkt wurde. „Nie im Leben steigt diese Truppe auf“, brumme ich in den Hörer, bin in diesem Moment absolut überzeugt davon und wette daher gleich mal ein Scheinchen auf den Verbleib im Unterhaus.
Erst Stunden später, als ich mit meinem in Regensburg lebenden Cousin und dessen Kumpels – alles Jahn-Fans – in einem Brauhaus sitze, fällt mir ein anderes Spiel ein. Neun Jahre zuvor, bei Eintracht Braunschweig. Da hätte sich der damalige Drittligist Fortuna mit einem Sieg eine hervorragende Ausgangsposition im Aufstiegs-Endspurt gesichert – und kassierte dann in einem völlig verrückten Spiel in der Nachspielzeit den Treffer zum 5:5. Plötzlich tut es mir leid, allzu schnell in die Wette eingeschlagen zu haben, denn damals hatte doch gerade die Enttäuschung über den entgangenen Sieg in Niedersachsen die Fortunen so zusammengeschweißt, dass sie fortan nicht mehr aufzuhalten waren und doch noch den Aufstieg schafften. Sollte Regensburg etwa ein zweites Braunschweig...?
Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Nach dem Desaster vom 23. Februar gewinnt Fortuna die nächsten drei Spiele und steigt am Ende als Meister in die Bundesliga auf. Braunschweig reloaded also, und einige Spieler sowie auch der damalige Trainer Friedhelm Funkel haben mir in den Wochen danach oft erzählt, dass jenes 3:4 nach 3:0 dem Team den entscheidenden Ruck gegeben habe.
Im Brauhaus mit Cousin Manni ist das allerdings noch nicht mehr als ein vager Gedanke. Am Sonntag, wenn Jahn nach Düsseldorf kommt, wollten er und seine Kumpels übrigens unbedingt zum Gegenbesuch kommen, denn seit damals haben beide Teams noch nicht wieder gegeneinander gespielt. Corona macht da leider einen Strich durch die Rechnung – aber aufgeschoben ist ja hoffentlich nicht aufgehoben.