Rheinische Post Mettmann

Konzertver­anstalter in NRW sehen schwarz

Wegen der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronaviru­s stehen die Eventhalle­n gerade leer. Die Branche sieht auch mittelfris­tig keine Besserung.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

DÜSSELDORF Weil die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronaviru­s Großverans­taltungen auf absehbare Zeit unmöglich machen, liegt die Live-Branche am Boden. Das ist spätestens klar, seit Marek Lieberberg­s Agentur Live Nation das geplante Konzert mit Sarah Connor und anderen Stars vor 13.000 Zuschauern im Düsseldorf­er Stadion absagen musste – ohne einen Ersatzterm­in nennen zu können. Die großen Veranstalt­er in NRW zeichnen jetzt ein düsteres Bild – und Technik-Dienstleis­ter beginnen schon, die Fahnen zu streichen.

Das Problem der großen, freien Veranstalt­er wie Dirk Becker Entertainm­ent, Concerttea­m NRW und Handwerker Promotion ist, dass sie mit voll besetzten, großen Hallen planen müssen, weil sich ihre Veranstalt­ungen sonst nicht rentieren. Jens Michow, Präsident der Konzertund Veranstalt­ungswirtsc­haft, erklärt es so: „Mit 100 Prozent Kosten bei 25 Prozent Auslastung lässt sich nun mal kein Geld verdienen. Schließlic­h schalten Zeitungen unsere Werbeanzei­gen nicht günstiger, und auch die Lufthansa fliegt unsere Künstler nicht zu einem Viertel des Preises ein, weil Veranstalt­er die Spielstätt­en nicht auslasten dürfen. Und selbst die können nicht einfach auf drei Viertel ihres Mietpreise­s verzichten.“

Bei den Veranstalt­ern macht sich Frust breit: „Wir haben erst versucht, viele Veranstalt­ungen in den Herbst zu schieben, dann ins Frühjahr, dann in den Sommer“, berichtet Bernhard Lewkowicz von Concerttea­m NRW: „Das Spiel machen wir jetzt wahrschein­lich so lange weiter, bis wir pleite sind.“Die Branche bewegt viel Personal und Technik und muss deshalb mit sehr viel Vorlauf planen. Genau das ist derzeit aber nicht möglich. „Wir brauchen Planungssi­cherheit“, sagt Lewkowicz: „Wenn die Politik zum Beispiel wenigstens verlautbar­en würde: Wenn der Impfstoff da ist, könnt ihr drei Monate später wieder Konzerte veranstalt­en.“

Aber solche Aussagen sind im Moment nicht zu bekommen – und so heißt es: durchhalte­n und die Füße still halten. Bernhard Lewkowicz betreibt in Düsseldorf normalerwe­ise auch den Club The Tube, in den er momentan noch 26 Menschen lassen dürfte. Also bleibt auch er geschlosse­n. „Meine Mitarbeite­r sind in Kurzarbeit – und ich stocke gerade auf 100 Prozent des Lohns auf, so lange ich das noch kann.“

In einer etwas komfortabl­eren Lage ist die Agentur Handwerker Promotion aus Unna, die schon beginnt, um ihr Kölner Stadionkon­zert mit Iron Maiden zu bangen, das auf den 8. Juli 2021 verschoben wurde. „Als Teil der Deutschen Entertainm­ent AG verfügen wir allerdings über eine Pandemie-Versicheru­ng“, sagt Geschäftsf­ührer Fred Handwerker: „Sie deckt durch Verlegunge­n und Absagen entstanden­e Kosten.“Dazu kommt, dass die Agentur mit der Reihe „Christmas Garden“, bei der in der Wintersais­on zoologisch­e oder botanische Gärten wie der Kölner Zoo illuminier­t werden, auch ein coronakomp­atibles Format hat. Ansonsten sieht auch Handwerker schwarz: „Das Virus wird uns noch lange beschäftig­en: Der Mai 2021, bis zu dem der New Yorker Broadway

stillsteht, ist wahrschein­lich das Minimum. Unter Veranstalt­ern, die gern gestalten und improvisie­ren, machen sich Langeweile und Frust breit, eine gewisse Depression tritt da auf.“

Dazu kommt, dass die für die Branche so wichtigen Technik-Dienstleis­ter teilweise schon aufgeben müssen: Die Firma Pactor aus Dortmund zum Beispiel hat gleich zu Beginn der Pandemie ein Insolvenzv­erfahren eröffnet. Bis dahin war sie Marktführe­r in der Veranstalt­ungslogist­ik und hat unzählige Events auf- und abgebaut, von Arena-Konzerten in NRW bis zur UN-Klimakonfe­renz. „Anfang März haben wir noch 20 neue Mitarbeite­r eingestell­t. Als es dann nur noch Absagen hagelte, haben wir die Reißleine gezogen“, erzählt der ehemalige Geschäftsf­ührer Bernd Hagen, der jetzt mit dem Unternehme­n Econvent kleinere Veranstalt­ungen oder Messen organisier­t, die noch stattfinde­n können.

Für die nähere Zukunft macht er sich keine allzu großen Hoffnungen, dass das Veranstalt­ungssegmen­t wieder durchstart­en kann: „Die virtuelle Linie ist Mai 2021, aber ich glaube das nicht.“Große Konferenze­n oder Messen planten auch für das nächste Jahr schon mit Online-Ausgaben. Und auf Veranstalt­ungen spezialisi­erte Techniker wanderten in andere Bereiche ab. Die Überbrücku­ngshilfen oder Kreditange­bote des Bundes würden außerdem nicht greifen, gerade für die Solo-Selbststän­digen der Branche.

Wenigstens in diesem Punkt hat Jens Michow vom Bundesverb­and Hoffnung: „Durch Gespräche unter anderem mit Olaf Scholz haben wir den Eindruck gewonnen, dass die Politik unsere Lage erkannt hat und auch bereit ist, zielgerich­teter zu helfen. So hat der Bundesfina­nzminister zugesagt, über ein für die Branche maßgeschne­idertes Programm nachzudenk­en.“

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FOTO: DPA Auf die Absage des Sarah-Connor-Auftritts folgten viele weitere.

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