Wirtschaft und Wissenschaft enttäuscht
Auch Bundespolitiker sind überzeugt, dass die jüngsten Corona-Beschlüsse nicht ausreichen werden.
BERLIN (jd/mar) Führende Politiker, Wirtschaftsverbände und Wissenschaftler haben enttäuscht auf die jüngsten Beschlüsse von Bund und Ländern zur Eindämmung der Corona-Krise reagiert. Die Entscheidungen seien zwar ein „wichtiger Schritt, aber sie werden vermutlich nicht ausreichen“, sagte Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) in der ARD. Die vereinbarten Regelungen seien „nicht ausreichend, um das Infektionsgeschehen zu kontrollieren und einzudämmen“, erklärte auch die Nationalakademie Leopoldina in Halle an der Saale.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder hatten am Mittwochabend keine Einigkeit über das Beherbergungsverbot für Urlauber aus Risikogebieten gefunden. Einige Länder halten daran fest, andere wie Sachsen setzten es am Donnerstag aus. In Baden-Württemberg und Niedersachsen kippten Gerichte
die dortigen Verbote. Auch bei den Kontaktbeschränkungen blieben die Länder hinter den Forderungen der Kanzlerin zurück.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte am Donnerstag ein generelles Reiseverbot für Menschen aus Regionen mit hohen Fallzahlen. „Für besonders hohe Infektionszahlen sollte für die Region dann besser sogar ein komplettes Reiseverbot gelten, bis sich die Lage dort beruhigt hat“, sagte Lauterbach unserer Redaktion. Um vor die Welle des exponentiellen Wachstums zu kommen, sollten Reiserückkehrer und Reisewillige nicht mehr getestet werden, erklärte er weiter. Lauterbach übte zudem Kritik an der gescheiterten Einigung bei Thema Beherbergungsverbot. „Es bleibt falsch, dass die Länder bis zum 8. November beim Beherbergungsverbot völlig unterschiedliche Regelungen treffen und Negativtests verlangen.“Ihm zufolge werden besonders in den Ballungsräumen wichtige Testkapazitäten dadurch weggenommen.
Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) reagierte mit scharfer Kritik auf den Beschluss, die Entscheidung zu den Beherbergungsverboten zu vertagen. Im Gastgewerbe würden Existenzsorgen und Frust wachsen, erklärte Dehoga-Präsident Guido
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwochabend.
Zöllick. Bis zum 8. November seien die Herbstferien vorbei „und der Schaden kann nicht mehr gutgemacht werden“, kritisierte auch der Ferienhausverband.
Ifo-Chef Clemens Fuest warnte vor zu schwachen und verspäteten Regeln zur Eindämmung der Corona-Krise. „Die Eindämmung der Corona-Neuinfektionen ist nicht nur gesundheitspolitisch, sondern auch wirtschaftlich von großer Bedeutung“, sagte der Ökonom.
Die Beschlüsse „sind in vielen Teilen unklar und unpräzise“, erklärte auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA). Der Industrieverband BDI warnte angesichts der steigenden Infektionszahlen vor einem zweiten Lockdown wie im Frühjahr. „Ein zweiter Lockdown hätte für die sich langsam wieder erholende deutsche Wirtschaft fatale Auswirkungen“, sagte Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Industrie.