„Wir haben die Familie nie versteckt“
Sechs Jahre lang war sie First Lady von Düsseldorf. Vera Geisel über den anstrengenden Wahlkampf und ihre Pläne für die Zukunft.
DÜSSELDORF Am Abend der Stichwahl saß Vera Geisel natürlich neben ihrem Mann Thomas im Rathaus. Genauso wie sie die vergangenen sechs Jahre während seiner Amtszeit als Oberbürgermeister immer an seiner Seite stand. Sei es verkleidet als Teufel beim Karneval, im Regen bei der Tour de France, nach den Randalen im Rheinbad am Beckenrand. Oder zuletzt beim Großen Preis von Düsseldorf auf der Galopprennbahn, nur eine Woche nach Thomas Geisels Niederlage. „Du bist mein Hauptgewinn!“postete sie bei Facebook unter ein Bild, auf dem sich die beiden mit Sekt zuprosten. Vera Geisel, die First Lady von Düsseldorf, war besonders präsent und doch viel mehr als das.
Vera Geisel wollte nie nur die Frau an der Seite des Oberbürgermeisters sein, ganz einfach weil sie es nicht ist. Die 49-Jährige war zuletzt in führender Position bei Thyssenkrupp tätig, sie hat vier Töchter mit Thomas Geisel, eine Tochter brachte ihr Mann mit in die Ehe. Und sie ist Schirmherrin zahlreicher Vereine in Düsseldorf. Sie setzt sich für das Kinderhospiz Regenbogenland ein, die Loop Kinder- und Jugendhilfe, die Interessengemeinschaft Königsallee, die Werkstatt Lebenshunger und den Verein Hispi, kurz für Hilfe bei der sprachlichen Integration, um nur einige zu nennen.
Ab November, wenn Thomas Geisel sein Amt an Stephan Keller übergibt, wird sich auch das Leben von Vera Geisel ändern. „Für mich waren es ganz, ganz tolle Jahre und für meinen Mann und unsere Kinder auch“, sagt sie. „Die vielen Seiten von Düsseldorf und die vielen Menschen hätte ich sonst nicht kennengelernt. Das hat die Zeit einmalig, unvergesslich gemacht und eine sehr tiefe Verbundenheit mit Düsseldorf geschaffen.“
Als ihr Mann vor sechs Jahren für das Amt des Oberbürgermeisters kandidierte, habe sie sich gar nicht richtig vorstellen können, wie es sein würde, sagt sie heute. „Das ist auch ganz gut, weil ich vollkommen unvoreingenommen war.“Der Sieg bei der Stichwahl im Juni 2014 war für Vera Geisel ein einschneidender, unvergesslicher Moment, wie sie sagt. Aber auch die Zeit der Flüchtlingskrise ist ihr in besonderer Erinnerung geblieben. „Wie die ganze Stadt Schulter an Schulter zusammengestanden hat, für Toleranz und gegen Diskriminierung. Das war ein starkes Zeichen nach außen.“
Der Job, das Engagement, die Familie – alles unter einen Hut zu bekommen, sei nicht immer einfach gewesen, gibt die 49-Jährige zu. „Das war ab und an schon eine Herausforderung mit unseren fünf Töchtern. Aber letztlich hat es immer gut geklappt.“
Nicht nur Vera Geisel selbst, sondern auch die Töchter standen im Wahlkampf in der Öffentlichkeit, waren auf Plakaten und in sozialen Medien zu sehen. „Wir haben unsere Familie nie versteckt“, sagt sie. „Die Familie gehörte einfach dazu, so sind wir eben.“Die Entscheidung, mit der gesamten Familie so präsent zu sein, sei auch eine Entscheidung für ein gemeinsames Leben gewesen. „Wenn man die Kinder vollkommen von der Öffentlichkeit abschirmt, lebt man schnell verschiedene Leben nebeneinander und sieht sich fast gar nicht mehr“, sagt Vera Geisel.
Natürlich habe es in der Schule mal den ein oder anderen Schulkameraden gegeben, der etwas Spitzes gesagt hat. „Dann haben wir gesagt: Super, den rufen wir jetzt an, dann kriegt der einen Termin beim OB“, erzählt Vera Geisel und lacht. „Das fanden meine Kinder immer sehr peinlich.“
Viel Kraft habe die Familie die vergangenen Monate gekostet. „Ich fand den Wahlkampf von der Tonalität sehr anstrengend. Dass es oft persönlich und manchmal sogar ehrverletzend wurde, fand ich sehr belastend. Mein Mann hat sehr gekämpft, das war auch körperlich anstrengend.“So hatten Thomas und Vera Geisel insbesondere mit einem Video mit dem Rapper Farid Bang für Aufregung gesorgt. Farid Bang sollte an die Partyszene appellieren, sich an die Corona-Regeln zu halten. Die Auswahl des Rappers hatte harsche Kritik ausgelöst, das Video wurde schließlich gelöscht. „Ich finde trotzdem, dass das der richtige Schritt war“, sagt Vera Geisel. „Ich habe Farid Bang kennengelernt und mich bei der Gelegenheit auch ein wenig mit Gangster-Rap auseinandergesetzt. Das ist eine Kunstform, ob uns das nun gefällt oder nicht.“Trotz aller Kritik habe Farid Bang den Teil der Gesellschaft erreicht, den sonst niemand erreicht hätte, ist sie überzeugt. „Deshalb sehe ich das als großen Erfolg und finde es sehr schade, was daraus gemacht worden ist, vor allem in der öffentlichen Meinung.“
Mittlerweile sei es ruhiger geworden im Hause Geisel. „Wir machen jetzt schon, wozu wir früher nicht gekommen sind: gemeinsam frühstücken, gemeinsam zu Abend essen“, sagt sie. „Das gab es fast gar nicht, das ist schon schön, wenn es jetzt wieder zusammenwächst.“
Sowohl Thomas als auch Vera Geisel werden sich beruflich neu orientieren. „Wir führen zahlreiche Gespräche und konkretisieren derzeit unsere Pläne. „Es wird sicherlich eine schöne Zeit sein, weil wir uns darauf konzentrieren können, was wir wirklich machen wollen.“Dazu gehöre auch ihr soziales Engagement. „Das ist, was ich gerne mache und woraus ich Kraft schöpfe.“