„Die schwarze Null ist überragend“
Corona hat Fortuna finanziell weit weniger getroffen als andere Fußballklubs. Der Vorstandschef ist stolz auf die gemeinsame Leistung.
DÜSSELDORF In der vergangenen Woche hat Fortunas Führung den Finanzbericht der abgelaufenen Saison an die Mitglieder des Klubs verschickt. Das Ergebnis schwarz auf weiß: Der Fußball-Zweitligist hat trotz der Corona-Krise und des Abstiegs keinen Verlust gemacht. Wir trafen im Gespräch dann auch auf einen glücklich wirkenden Vorstandsvorsitzenden Thomas Röttgermann.
Herr Röttgermann, das Geschäftsjahr der vergangenen Saison vom 1. Juli 2019 bis 30. Juni 2020 ist abgeschlossen. Wie stark hat die Corona-Krise Fortuna denn getroffen?
RÖTTGERMANN Die Effekte dieser Krise waren und sind für jeden Verein eine riesige Herausforderung. Für die abgeschlossene und die laufende Spielzeit rechnen wir mit Mindererlösen im zweistelligen Millionenbereich. Davon sind allein sieben Millionen im vergangenen Geschäftsjahr angefallen. Hinzu kommen für die Saison 2019/20 Rückstellungen im siebenstelligen Bereich, die wir – unabhängig von Corona – unter anderem auch bilden mussten, weil die Versteuerung von Freikarten vor meiner Zeit etwas zu lax gehandhabt wurde. Trotzdem haben wir das Geschäftsjahr mit einer schwarzen Null abschließen können. Umgekehrt heißt das: Wir hätten ohne Corona ein deutliches Plus im Millionenbereich erwirtschaftet. Das ist ein großartiges Ergebnis, weil es durch gemeinschaftliche Anstrengung erarbeitet wurde. Viele haben auf Gehalt verzichtet, nicht nur Spieler, auch Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle, Vorstände, Trainer. Es gab zudem große Solidarität der Fans und Sponsoren. Ganz viele Personen haben ihren Beitrag zu dieser schwarzen Null geleistet. Wir haben wieder einmal gesehen, was bei Fortuna möglich ist, wenn alle an einem Strang ziehen.
Haben Sie, um diese schwarze Null zu erreichen, bilanziell tricksen müssen?
RÖTTGERMANN Wir haben nichts getrickst. Die Bilanz bildet unsere wirtschaftliche Situation zutreffend ab, sie ist so, wie sie ist, ebenso wie unsere Gewinn- und Verlustrechnung – mit allen Erträgen, Aufwendungen und Abschreibungen. Notwendige Rückstellungen haben unser Ergebnis noch spürbar gemindert. Und dennoch haben wir diese schwarze Null geschafft – und das ist für die Fortuna in dieser Zeit ein überragendes Ergebnis. Auch unser Eigenkapital hat sich dadurch um das Positivergebnis erhöht. Unsere Liquidität hat sich in den vergangenen
Jahren um das Siebenfache verbessert. Alle diese Kennziffern stimmen uns positiv.
Welchen Einfluss hat die neue Eigenvermarktung?
RÖTTGERMANN Sie ist ein Motor unserer Positiventwicklung. Wir sehen, dass wir gerade in der Krise, durch unsere Art der Ansprache und des Umgangs mit den Partnern, ein positives Feedback bekommen. Dadurch konnten wir Erträge sichern, die wir sonst nicht hätten sichern können. Zudem konnten wir sogar noch zusätzliche Verträge abschließen. Das geht nur, weil wir Fortuna selbst, unmittelbar und direkt den Partnern zeigen konnten. Die Eigenvermarktung war schon ein wesentlicher Faktor, der sich in der laufenden
Saison noch stärker zeigen wird.
Wie sieht es bei der Umsatzentwicklung aus?
RÖTTGERMANN Auch der Umsatz wurde erneut gesteigert – auf etwa 82 Millionen Euro.
Haben Sie zu Beginn der Corona-Krise daran geglaubt, dass sie eine schwarze Null schaffen können?
RÖTTGERMANN Damit konnte niemand rechnen. Niemand konnte präzise wissen, was uns die Krise abverlangen würde. Wird überhaupt gespielt, kommen also die Fernsehgelder? Wann dürfen wieder Zuschauer ins Stadion und wie viele? Wie reagieren Fans, Sponsoren und Partner? Wir mussten – und müssen – auf Sicht fahren und zugleich Vorsorge treffen. Vorsorge ist alles. Man muss sich auf alle Situationen vorbereiten, auch wenn man fast sicher ist, dass sie nicht eintreten werden. Das ist etwas, das wir gerade in dieser Zeit lernen und auch in die neue Saison mitnehmen werden. Denn: Wir werden wieder mindestens sieben Millionen Euro weniger Erträge haben. Wir müssen damit rechnen, dass wir auch in der Rückrunde noch nicht wieder alle Zuschauer in die Stadien lassen können. Ein vorsichtiger Kaufmann muss sich zu jeder Zeit verschiedener Mittel und Instrumente bedienen können, um jede Situation beherrschen zu können.
Ist das auch der Grund, warum Fortuna auf dem Transfermarkt eher vorsichtig agiert hat?
RÖTTGERMANN Dass wir den Kader so zusammenstellen konnten, ist der Beitrag von Mitarbeitern, Fans und Sponsoren. Ohne diese Solidarität hätten wir kein positives Jahresergebnis erzielen können und folglich wäre das Budget für die Mannschaft auch viel kleiner ausgefallen. Das muss man klar so sagen. Wir haben versucht, eine Balance herzustellen: Auf der einen Seite steht ein Lizenzspielerbudget, das uns wettbewerbsfähig macht, und auf der anderen Seite müssen wir dafür sorgen, dass der Verein zu keiner Zeit in existenzielle Probleme gerät. Soll heißen: Jeder Euro, den ich in den Lizenzspieleretat stecke, fehlt mir am Ende im Jahresergebnis. Hier gilt es, ausgewogen vorzugehen. Es macht zugleich aber auch keinen Sinn, sich kaputtzusparen. Denn eine sportlich miserable Saison würde doppelt zurückschlagen – eben sportlich, aber auch wirtschaftlich. Die ideale Balance zu finden, ist die echte Kunst.
Wie sieht die Prognose finanziell für das kommende Geschäftsjahr 2020/2021 aus?
RÖTTGERMANN Schon in der Mitgliederversammlung 2019 habe ich unsere Maxime ausgegeben: Wo Fortuna draufsteht, muss auch Fortuna drin sein. Wir wollen die Dinge selbst bestimmen und in die Hand nehmen. Durch die Eigenvermarktung sind wir ein ganz großes Stück vorangekommen. Was die wenigsten wissen: Wir haben vor wenigen Wochen auch die letzte Rate des Kölmel-Darlehens bezahlt. Das Darlehen ist komplett abbezahlt. Wir haben von nun an keine Verbindlichkeiten des Sportwelt-Deals mehr in unserer Bilanz. Das ist ein riesiger Schritt. Wir haben nur noch die in der Nachverhandlung vor einigen Jahren vereinbarte Beteiligung an den Fernsehgeldern zu leisten.
Führen Sie diesen Teil des Kölmel-Deals bitte noch einmal genauer aus.
RÖTTGERMANN Es gab lange vor meiner Zeit ein Darlehen, das durch jährliche Zahlungen zzgl. Zinsen zurückerstattet wurde. Das wurde jetzt komplett abbezahlt. Gleichzeitig gibt es eine Beteiligung von 15 Prozent an den zentral vermarkteten TV-Geldern. Dieser Teil des Deals wäre bis 2023 gelaufen. Durch die Aussetzung der Vereinbarung für die anstehende Saison können wir die in diesem Jahr anstehende Zahlung 2024 nachzahlen. Das hilft uns sehr, diese unverschuldete Krisensituation überstehen zu können. Wir reden von einem mittleren einstelligen
Millionenbereich. Es ist eine ganz wichtige Hilfestellung und eine faire Geste von Michael Kölmel.
Welche Verbindlichkeiten hat Fortuna noch?
RÖTTGERMANN Wir haben lediglich Bank-Verbindlichkeiten aus dem Bau des Nachwuchsleistungszentrums. Dass es nicht mehr Bank-Verbindlichkeiten gibt, findet man – mit Ausnahme des FC Bayern München – in der gesamten Bundesliga nicht.
Man könnte sagen: Vielleicht ist Fortuna dann auch übervorsichtig.
RÖTTGERMANN Unsere Prämisse ist: Wir wollen sportlichen Erfolg ohne finanzielles Harakiri. Wir dürfen auf keinen Fall die Existenz des Vereins gefährden. Fortuna kann sich als eingetragener Verein kaum Cashmittel besorgen. Wenn die Bank fragt: Was ist mit Sicherheiten? Dann müssen wir antworten: Wir haben keine. Wenn wir also erst reagieren, wenn Worst-Case-Szenarien eintreten, dann werden wir keine Hilfe bekommen. So einfach ist das. Wenn wir Vorsorge treffen wollen, dann jetzt. Mit Blick auf die Vereinsgeschichte: Ich bin gut beraten, etwas vorsichtiger zu sein als das in der Vergangenheit der Fortuna gelegentlich Usus war.
Sie haben betont, dass alle Verzicht geübt haben, um die schwarze Null zu erreichen. Planen Sie, das eingesparte Geld irgendwann an Spieler, Trainer, Mitarbeiter, Fans, Sponsoren zurückzuzahlen?
RÖTTGERMANN Es gibt aktuell keinen Spielraum für Großzügigkeit. Dass wir diese Beiträge nie vergessen werden und diesen Verzicht bei Entscheidungen in Zukunft immer im Kopf behalten werden, steht außer Frage. Wir müssen aber weiter zusammenhalten, die Krise ist noch nicht vorbei.