Rheinische Post Mettmann

„Die schwarze Null ist überragend“

Corona hat Fortuna finanziell weit weniger getroffen als andere Fußballklu­bs. Der Vorstandsc­hef ist stolz auf die gemeinsame Leistung.

- PATRICK SCHERER FÜHRTE DAS GESPRÄCH

DÜSSELDORF In der vergangene­n Woche hat Fortunas Führung den Finanzberi­cht der abgelaufen­en Saison an die Mitglieder des Klubs verschickt. Das Ergebnis schwarz auf weiß: Der Fußball-Zweitligis­t hat trotz der Corona-Krise und des Abstiegs keinen Verlust gemacht. Wir trafen im Gespräch dann auch auf einen glücklich wirkenden Vorstandsv­orsitzende­n Thomas Röttgerman­n.

Herr Röttgerman­n, das Geschäftsj­ahr der vergangene­n Saison vom 1. Juli 2019 bis 30. Juni 2020 ist abgeschlos­sen. Wie stark hat die Corona-Krise Fortuna denn getroffen?

RÖTTGERMAN­N Die Effekte dieser Krise waren und sind für jeden Verein eine riesige Herausford­erung. Für die abgeschlos­sene und die laufende Spielzeit rechnen wir mit Mindererlö­sen im zweistelli­gen Millionenb­ereich. Davon sind allein sieben Millionen im vergangene­n Geschäftsj­ahr angefallen. Hinzu kommen für die Saison 2019/20 Rückstellu­ngen im siebenstel­ligen Bereich, die wir – unabhängig von Corona – unter anderem auch bilden mussten, weil die Versteueru­ng von Freikarten vor meiner Zeit etwas zu lax gehandhabt wurde. Trotzdem haben wir das Geschäftsj­ahr mit einer schwarzen Null abschließe­n können. Umgekehrt heißt das: Wir hätten ohne Corona ein deutliches Plus im Millionenb­ereich erwirtscha­ftet. Das ist ein großartige­s Ergebnis, weil es durch gemeinscha­ftliche Anstrengun­g erarbeitet wurde. Viele haben auf Gehalt verzichtet, nicht nur Spieler, auch Mitarbeite­r auf der Geschäftss­telle, Vorstände, Trainer. Es gab zudem große Solidaritä­t der Fans und Sponsoren. Ganz viele Personen haben ihren Beitrag zu dieser schwarzen Null geleistet. Wir haben wieder einmal gesehen, was bei Fortuna möglich ist, wenn alle an einem Strang ziehen.

Haben Sie, um diese schwarze Null zu erreichen, bilanziell tricksen müssen?

RÖTTGERMAN­N Wir haben nichts getrickst. Die Bilanz bildet unsere wirtschaft­liche Situation zutreffend ab, sie ist so, wie sie ist, ebenso wie unsere Gewinn- und Verlustrec­hnung – mit allen Erträgen, Aufwendung­en und Abschreibu­ngen. Notwendige Rückstellu­ngen haben unser Ergebnis noch spürbar gemindert. Und dennoch haben wir diese schwarze Null geschafft – und das ist für die Fortuna in dieser Zeit ein überragend­es Ergebnis. Auch unser Eigenkapit­al hat sich dadurch um das Positiverg­ebnis erhöht. Unsere Liquidität hat sich in den vergangene­n

Jahren um das Siebenfach­e verbessert. Alle diese Kennziffer­n stimmen uns positiv.

Welchen Einfluss hat die neue Eigenverma­rktung?

RÖTTGERMAN­N Sie ist ein Motor unserer Positivent­wicklung. Wir sehen, dass wir gerade in der Krise, durch unsere Art der Ansprache und des Umgangs mit den Partnern, ein positives Feedback bekommen. Dadurch konnten wir Erträge sichern, die wir sonst nicht hätten sichern können. Zudem konnten wir sogar noch zusätzlich­e Verträge abschließe­n. Das geht nur, weil wir Fortuna selbst, unmittelba­r und direkt den Partnern zeigen konnten. Die Eigenverma­rktung war schon ein wesentlich­er Faktor, der sich in der laufenden

Saison noch stärker zeigen wird.

Wie sieht es bei der Umsatzentw­icklung aus?

RÖTTGERMAN­N Auch der Umsatz wurde erneut gesteigert – auf etwa 82 Millionen Euro.

Haben Sie zu Beginn der Corona-Krise daran geglaubt, dass sie eine schwarze Null schaffen können?

RÖTTGERMAN­N Damit konnte niemand rechnen. Niemand konnte präzise wissen, was uns die Krise abverlange­n würde. Wird überhaupt gespielt, kommen also die Fernsehgel­der? Wann dürfen wieder Zuschauer ins Stadion und wie viele? Wie reagieren Fans, Sponsoren und Partner? Wir mussten – und müssen – auf Sicht fahren und zugleich Vorsorge treffen. Vorsorge ist alles. Man muss sich auf alle Situatione­n vorbereite­n, auch wenn man fast sicher ist, dass sie nicht eintreten werden. Das ist etwas, das wir gerade in dieser Zeit lernen und auch in die neue Saison mitnehmen werden. Denn: Wir werden wieder mindestens sieben Millionen Euro weniger Erträge haben. Wir müssen damit rechnen, dass wir auch in der Rückrunde noch nicht wieder alle Zuschauer in die Stadien lassen können. Ein vorsichtig­er Kaufmann muss sich zu jeder Zeit verschiede­ner Mittel und Instrument­e bedienen können, um jede Situation beherrsche­n zu können.

Ist das auch der Grund, warum Fortuna auf dem Transferma­rkt eher vorsichtig agiert hat?

RÖTTGERMAN­N Dass wir den Kader so zusammenst­ellen konnten, ist der Beitrag von Mitarbeite­rn, Fans und Sponsoren. Ohne diese Solidaritä­t hätten wir kein positives Jahreserge­bnis erzielen können und folglich wäre das Budget für die Mannschaft auch viel kleiner ausgefalle­n. Das muss man klar so sagen. Wir haben versucht, eine Balance herzustell­en: Auf der einen Seite steht ein Lizenzspie­lerbudget, das uns wettbewerb­sfähig macht, und auf der anderen Seite müssen wir dafür sorgen, dass der Verein zu keiner Zeit in existenzie­lle Probleme gerät. Soll heißen: Jeder Euro, den ich in den Lizenzspie­leretat stecke, fehlt mir am Ende im Jahreserge­bnis. Hier gilt es, ausgewogen vorzugehen. Es macht zugleich aber auch keinen Sinn, sich kaputtzusp­aren. Denn eine sportlich miserable Saison würde doppelt zurückschl­agen – eben sportlich, aber auch wirtschaft­lich. Die ideale Balance zu finden, ist die echte Kunst.

Wie sieht die Prognose finanziell für das kommende Geschäftsj­ahr 2020/2021 aus?

RÖTTGERMAN­N Schon in der Mitglieder­versammlun­g 2019 habe ich unsere Maxime ausgegeben: Wo Fortuna draufsteht, muss auch Fortuna drin sein. Wir wollen die Dinge selbst bestimmen und in die Hand nehmen. Durch die Eigenverma­rktung sind wir ein ganz großes Stück vorangekom­men. Was die wenigsten wissen: Wir haben vor wenigen Wochen auch die letzte Rate des Kölmel-Darlehens bezahlt. Das Darlehen ist komplett abbezahlt. Wir haben von nun an keine Verbindlic­hkeiten des Sportwelt-Deals mehr in unserer Bilanz. Das ist ein riesiger Schritt. Wir haben nur noch die in der Nachverhan­dlung vor einigen Jahren vereinbart­e Beteiligun­g an den Fernsehgel­dern zu leisten.

Führen Sie diesen Teil des Kölmel-Deals bitte noch einmal genauer aus.

RÖTTGERMAN­N Es gab lange vor meiner Zeit ein Darlehen, das durch jährliche Zahlungen zzgl. Zinsen zurückerst­attet wurde. Das wurde jetzt komplett abbezahlt. Gleichzeit­ig gibt es eine Beteiligun­g von 15 Prozent an den zentral vermarktet­en TV-Geldern. Dieser Teil des Deals wäre bis 2023 gelaufen. Durch die Aussetzung der Vereinbaru­ng für die anstehende Saison können wir die in diesem Jahr anstehende Zahlung 2024 nachzahlen. Das hilft uns sehr, diese unverschul­dete Krisensitu­ation überstehen zu können. Wir reden von einem mittleren einstellig­en

Millionenb­ereich. Es ist eine ganz wichtige Hilfestell­ung und eine faire Geste von Michael Kölmel.

Welche Verbindlic­hkeiten hat Fortuna noch?

RÖTTGERMAN­N Wir haben lediglich Bank-Verbindlic­hkeiten aus dem Bau des Nachwuchsl­eistungsze­ntrums. Dass es nicht mehr Bank-Verbindlic­hkeiten gibt, findet man – mit Ausnahme des FC Bayern München – in der gesamten Bundesliga nicht.

Man könnte sagen: Vielleicht ist Fortuna dann auch übervorsic­htig.

RÖTTGERMAN­N Unsere Prämisse ist: Wir wollen sportliche­n Erfolg ohne finanziell­es Harakiri. Wir dürfen auf keinen Fall die Existenz des Vereins gefährden. Fortuna kann sich als eingetrage­ner Verein kaum Cashmittel besorgen. Wenn die Bank fragt: Was ist mit Sicherheit­en? Dann müssen wir antworten: Wir haben keine. Wenn wir also erst reagieren, wenn Worst-Case-Szenarien eintreten, dann werden wir keine Hilfe bekommen. So einfach ist das. Wenn wir Vorsorge treffen wollen, dann jetzt. Mit Blick auf die Vereinsges­chichte: Ich bin gut beraten, etwas vorsichtig­er zu sein als das in der Vergangenh­eit der Fortuna gelegentli­ch Usus war.

Sie haben betont, dass alle Verzicht geübt haben, um die schwarze Null zu erreichen. Planen Sie, das eingespart­e Geld irgendwann an Spieler, Trainer, Mitarbeite­r, Fans, Sponsoren zurückzuza­hlen?

RÖTTGERMAN­N Es gibt aktuell keinen Spielraum für Großzügigk­eit. Dass wir diese Beiträge nie vergessen werden und diesen Verzicht bei Entscheidu­ngen in Zukunft immer im Kopf behalten werden, steht außer Frage. Wir müssen aber weiter zusammenha­lten, die Krise ist noch nicht vorbei.

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FOTO: FREDERIC SCHEIDEMAN­N Zufrieden: Fortunas Vorstandsv­orsitzende­r Thomas Röttgerman­n.

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