Rheinische Post Mettmann

Was der öffentlich­e Dienst jetzt braucht

- VON ANTJE HÖNING

Mit ihrem neuen Streik strapazier­en die Gewerkscha­ften die Geduld der Bürger. Obwohl die Zahl der Corona-Infektione­n und der Einschränk­ungen steigt, macht Verdi Arbeitskam­pf nach alter Väter Sitte. Sollen Pendler doch sehen, wie sie zur Arbeit kommen, sollen Eltern doch schauen, wer die Kinder betreut – Hauptsache, rote Fahnen wehen. Nach der dritten ganztägige­n Blockade stellt sich auch die Frage, ob das noch ein Warnstreik ist oder längst ein in diesem Stadium unzulässig­er Arbeitskam­pf. Doch es gibt Hoffnung, dass das Spektakel bald ein Ende findet. Am Donnerstag beginnt die dritte Verhandlun­gsrunde, in der traditione­ll viele Tarifpoker im öffentlich­en Dienst entschiede­n wurden. Die Arbeitgebe­r haben großes Interesse, dass es nicht in die Schlichtun­g geht, weil der Schlichter dieses Mal von den Gewerkscha­ften benannt wurde.

Auch in der Sache könnte man sich einigen, denn beide Seiten wissen doch: Es gibt keinen generellen Rückstand des öffentlich­en Dienstes, die Löhne sind seit 2009 fast so gestiegen wie in der Gesamtwirt­schaft. Die Job-Sicherheit ist gerade in der Wirtschaft­skrise ein hoher geldwerter Vorteil. Was Bund und Kommunen aber bieten müssen, ist Differenzi­erung. Statt Lohnerhöhu­ngen mit der Gießkanne zu verteilen, sollte es gespaltene Sätze oder einen Korridor geben: Corona-Helden aus Kliniken und Heimen haben anderes verdient als Mitarbeite­r von Meldeämter­n, die im Lockdown geschlosse­n hatten. Differenzi­erung hilft auch mittelfris­tig im Kampf um Fachkräfte: Mit Einheitslö­hnen lassen sich weder IT-Spezialist­en für die Cyberabweh­r noch Ärzte für das Gesundheit­samt gewinnen. Andere Branchen wie die Metallindu­strie haben Öffnungskl­auseln für Betriebe, um der Vielfalt Rechnung zu tragen. Mehr Vielfalt, weniger Streiks – genau das braucht jetzt der öffentlich­e Dienst. BERICHT

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