Rheinische Post Mettmann

Bauer sucht Netz

- VON SEBASTIAN KALENBERG

Spätestens seit der Corona-Krise erleben landwirtsc­haftliche Online-Shops und Lieferdien­ste einen Boom. Eier, Gemüse und Fleisch im Internet bestellen – kurzzeitig­er Trend oder Geschäftsm­odell der Zukunft? Drei Bauern berichten.

DÜSSELDORF Jung-Landwirt Alexander Roos (25) steht in einer Scheune in Meerbusch und befüllt Eierkarton­s. Im angrenzend­en Kühllager sortiert sein Vater Rainer Roos (52) Grill- und Wurstwaren und verpackt sie in Kühltasche­n. Schon bald geht die nächste Lieferung der Meerbusche­r Bauern an ihre Kunden raus. Seit sechs Wochen betreiben die Landwirte ihren Online-Shop und ermögliche­n es den Kunden so, ihre frischen Produkte vom Bauernhof ganz einfach im Internet zu bestellen.

„Die ersten Resonanzen sind durchweg positiv, auch wenn sich die Zahl der Online-Bestellung­en noch in Grenzen hält“, erklärt Alexander Roos. Auf ihrer modern gestaltete­n Internet-Seite können die Kunden bis sonntags ihren Warenkorb mit Eiern, Grillfleis­ch und Aufschnitt befüllen und die Bestellung in Auftrag geben. „Die Lebensmitt­el werden dann frisch angefertig­t und am Wochenende ausgeliefe­rt“, sagt der junge Landwirt weiter.

Die Auslieferu­ngen an die Kunden übernehmen die Landwirte mit ihrem Team in Eigenregie. Die Kunden haben aber auch die Möglichkei­t, ihre Online-Bestellung vor Ort abzuholen. Für Alexander Roos, der aktuell noch Agrarwisse­nschaften studiert und den elterliche­n Hof in Meerbusch übernehmen wird, ist dies ein wichtiges Geschäftsm­odell für die Zukunft: „Um zu überleben, wird es für uns mittel- und langfristi­g nicht anders gehen als über die Direktverm­arktung. Dabei hilft der Online-Shop, wobei wir weiterhin mehr Produkte über die rund um die Uhr zugänglich­en Verkaufsau­tomaten an unserem Feld verkaufen“, sagt der 25-Jährige.

Wie lukrativ ein etablierte­r Online-Shop für Landwirte sein kann, das zeigt der Hof zur Hellen aus Velbert. Alexander Mülfarth hat den Betrieb vor elf Jahren als Teilinhabe­r übernommen – schon damals bot der Bio-Bauernhof einen Online-Shop samt Lieferserv­ice an. „Wir haben keinen Hofladen, sondern lediglich ein Café mit kleinem Selbstbedi­enungsverk­auf. Aber die Vermarktun­g unserer Produkte läuft fast ausschließ­lich über den Web-Shop“, erzählt Mülfarth. Rund 350 Bestellung­en gehen pro Woche über das Internet ein. „Die Zahlen sind in diesem Jahr – vor allem zum Start der Corona-Krise – noch mal stark gestiegen. Teilweise konnten wir kaum noch neue Kunden aufnehmen“, sagt Mülfarth.

Wie bei Bauer Roos in Meerbusch sammelt auch der Hof zur Hellen zunächst alle Kunden-Bestellung­en – in diesem Fall immer bis Montagmorg­en. Mittwochs und donnerstag­s kümmert sich das 25-köpfige Team dann um die Auslieferu­ng. „Das System über einen Online-Shop ist für unsere Direktverm­arktung an den Kunden optimal und hilft uns bei der einfachen Umsetzung des Lieferdien­stes“, so Mülfarth weiter.

Birgit Jacquemin ist Referentin für Direktverm­arktung und Agrarmarke­ting bei der Landwirtsc­haftskamme­r NRW und berät Landwirte bei der Ausarbeitu­ng verschiede­ner Geschäftsk­onzepte. Auch sie hat hinsichtli­ch der Internet-Vermarktun­g einen Trend wahrgenomm­en: „Der landwirtsc­haftliche Online-Handel samt Lieferserv­ice hat sich in den vergangene­n ein bis zwei Jahren sicherlich gut entwickelt und hat gerade durch die Pandemie-Zeit einen Push erlebt.“

Sie sei aber skeptisch, ob sich dieser Trend auch mittelfris­tig etablieren könne. „Wir haben in Deutschlan­d einen preisaggre­ssiven Lebensmitt­elmarkt, zudem geben die Deutschen im europäisch­en Vergleich weniger Geld für Essen aus. Online-Shops und Lieferdien­ste sind technisch kein Problem, erzeugen aber durch wichtige Investitio­nen wie Kühlfahrze­uge oder -boxen sowie das benötigte Personal erhebliche Kosten. Und die muss jemand bezahlen.“

Aus ihrer Sicht haben vor allem die Konzepte, bei denen der Kunde ein hohes Maß an Flexibilit­ät hat und nicht etwa an einen bestimmten Lieferzeit­punkt gebunden ist, eine Zukunft: „Man sieht es ja an den Verkaufsau­tomaten der Bauern, die einen regelrecht­en Hype erleben. Aber auch das ‚Click and Collect’-Prinzip funktionie­rt sehr gut. Kunden kaufen online regionale Produkte und holen sie dann vor Ort beim Landwirt ab.“

Diese Differenzi­erung macht auch Alexander Westphal vom Rheinische­n Landwirtsc­haftsverba­nd: „Durch die Digitalisi­erung erfreut sich der Online-Handel der Bauern steigender Bedeutung. Ob dabei nur der Verkauf online stattfinde­t und die Produkte offline abgeholt werden oder es zusätzlich einen Lieferserv­ice gibt, muss bei den Kosten immer abgewogen werden.“

Die Einhaltung der Kühlkette sei dabei ein entscheide­nder Fakor. Überlegung­en, die Thor Steins – Landwirt aus Haan – nicht anstellen muss. „Unser Schwerpunk­t liegt bei Obst, Kartoffeln und Eiern. Die liefern wir selber aus oder verschicke­n sie mit Paketboten bundesweit“, sagt er. Der Online-Shop vom „Bauer Lümmel“, wie der Betrieb heißt, sei dabei eine sinnvolle Ergänzung zum bestehende­n Konzept. „Im Internet kann man seit vier Jahren bei uns bestellen. Zusätzlich zum Hofladen und den Wochenmärk­ten läuft das Angebot auch dort sehr gut.“

 ?? FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? Thor Steins ist Landwirt in Haan. Sein Online-Shop und Lieferserv­ice „Bauer Lümmel“läuft seit vier Jahren.
FOTO: STEPHAN KÖHLEN Thor Steins ist Landwirt in Haan. Sein Online-Shop und Lieferserv­ice „Bauer Lümmel“läuft seit vier Jahren.

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