Bauer sucht Netz
Spätestens seit der Corona-Krise erleben landwirtschaftliche Online-Shops und Lieferdienste einen Boom. Eier, Gemüse und Fleisch im Internet bestellen – kurzzeitiger Trend oder Geschäftsmodell der Zukunft? Drei Bauern berichten.
DÜSSELDORF Jung-Landwirt Alexander Roos (25) steht in einer Scheune in Meerbusch und befüllt Eierkartons. Im angrenzenden Kühllager sortiert sein Vater Rainer Roos (52) Grill- und Wurstwaren und verpackt sie in Kühltaschen. Schon bald geht die nächste Lieferung der Meerbuscher Bauern an ihre Kunden raus. Seit sechs Wochen betreiben die Landwirte ihren Online-Shop und ermöglichen es den Kunden so, ihre frischen Produkte vom Bauernhof ganz einfach im Internet zu bestellen.
„Die ersten Resonanzen sind durchweg positiv, auch wenn sich die Zahl der Online-Bestellungen noch in Grenzen hält“, erklärt Alexander Roos. Auf ihrer modern gestalteten Internet-Seite können die Kunden bis sonntags ihren Warenkorb mit Eiern, Grillfleisch und Aufschnitt befüllen und die Bestellung in Auftrag geben. „Die Lebensmittel werden dann frisch angefertigt und am Wochenende ausgeliefert“, sagt der junge Landwirt weiter.
Die Auslieferungen an die Kunden übernehmen die Landwirte mit ihrem Team in Eigenregie. Die Kunden haben aber auch die Möglichkeit, ihre Online-Bestellung vor Ort abzuholen. Für Alexander Roos, der aktuell noch Agrarwissenschaften studiert und den elterlichen Hof in Meerbusch übernehmen wird, ist dies ein wichtiges Geschäftsmodell für die Zukunft: „Um zu überleben, wird es für uns mittel- und langfristig nicht anders gehen als über die Direktvermarktung. Dabei hilft der Online-Shop, wobei wir weiterhin mehr Produkte über die rund um die Uhr zugänglichen Verkaufsautomaten an unserem Feld verkaufen“, sagt der 25-Jährige.
Wie lukrativ ein etablierter Online-Shop für Landwirte sein kann, das zeigt der Hof zur Hellen aus Velbert. Alexander Mülfarth hat den Betrieb vor elf Jahren als Teilinhaber übernommen – schon damals bot der Bio-Bauernhof einen Online-Shop samt Lieferservice an. „Wir haben keinen Hofladen, sondern lediglich ein Café mit kleinem Selbstbedienungsverkauf. Aber die Vermarktung unserer Produkte läuft fast ausschließlich über den Web-Shop“, erzählt Mülfarth. Rund 350 Bestellungen gehen pro Woche über das Internet ein. „Die Zahlen sind in diesem Jahr – vor allem zum Start der Corona-Krise – noch mal stark gestiegen. Teilweise konnten wir kaum noch neue Kunden aufnehmen“, sagt Mülfarth.
Wie bei Bauer Roos in Meerbusch sammelt auch der Hof zur Hellen zunächst alle Kunden-Bestellungen – in diesem Fall immer bis Montagmorgen. Mittwochs und donnerstags kümmert sich das 25-köpfige Team dann um die Auslieferung. „Das System über einen Online-Shop ist für unsere Direktvermarktung an den Kunden optimal und hilft uns bei der einfachen Umsetzung des Lieferdienstes“, so Mülfarth weiter.
Birgit Jacquemin ist Referentin für Direktvermarktung und Agrarmarketing bei der Landwirtschaftskammer NRW und berät Landwirte bei der Ausarbeitung verschiedener Geschäftskonzepte. Auch sie hat hinsichtlich der Internet-Vermarktung einen Trend wahrgenommen: „Der landwirtschaftliche Online-Handel samt Lieferservice hat sich in den vergangenen ein bis zwei Jahren sicherlich gut entwickelt und hat gerade durch die Pandemie-Zeit einen Push erlebt.“
Sie sei aber skeptisch, ob sich dieser Trend auch mittelfristig etablieren könne. „Wir haben in Deutschland einen preisaggressiven Lebensmittelmarkt, zudem geben die Deutschen im europäischen Vergleich weniger Geld für Essen aus. Online-Shops und Lieferdienste sind technisch kein Problem, erzeugen aber durch wichtige Investitionen wie Kühlfahrzeuge oder -boxen sowie das benötigte Personal erhebliche Kosten. Und die muss jemand bezahlen.“
Aus ihrer Sicht haben vor allem die Konzepte, bei denen der Kunde ein hohes Maß an Flexibilität hat und nicht etwa an einen bestimmten Lieferzeitpunkt gebunden ist, eine Zukunft: „Man sieht es ja an den Verkaufsautomaten der Bauern, die einen regelrechten Hype erleben. Aber auch das ‚Click and Collect’-Prinzip funktioniert sehr gut. Kunden kaufen online regionale Produkte und holen sie dann vor Ort beim Landwirt ab.“
Diese Differenzierung macht auch Alexander Westphal vom Rheinischen Landwirtschaftsverband: „Durch die Digitalisierung erfreut sich der Online-Handel der Bauern steigender Bedeutung. Ob dabei nur der Verkauf online stattfindet und die Produkte offline abgeholt werden oder es zusätzlich einen Lieferservice gibt, muss bei den Kosten immer abgewogen werden.“
Die Einhaltung der Kühlkette sei dabei ein entscheidender Fakor. Überlegungen, die Thor Steins – Landwirt aus Haan – nicht anstellen muss. „Unser Schwerpunkt liegt bei Obst, Kartoffeln und Eiern. Die liefern wir selber aus oder verschicken sie mit Paketboten bundesweit“, sagt er. Der Online-Shop vom „Bauer Lümmel“, wie der Betrieb heißt, sei dabei eine sinnvolle Ergänzung zum bestehenden Konzept. „Im Internet kann man seit vier Jahren bei uns bestellen. Zusätzlich zum Hofladen und den Wochenmärkten läuft das Angebot auch dort sehr gut.“