Rheinische Post Mettmann

Die drei Optionen für Thyssenkru­pp

- VON ANTJE HÖNING

Der Poker um die Stahlspart­e des Traditions­konzerns geht weiter. Verkauf, Deutsche Stahl AG, Zerschlagu­ng. Alles ist möglich. Wirtschaft­sminister Pinkwart sieht Zusammensc­hlüsse positiv – stellt aber Bedingunge­n.

DUISBURG Es war doch nur eine Stichflamm­e, die den trüben Börsenhimm­el bei Thyssenkru­pp kurzfristi­g erleuchtet­e. War der Kurs am Freitag zeitweise um 25 Prozent gestiegen, ging es am Montag schon wieder auf 4,50 Euro abwärts. Dem überrasche­nden Angebot des britischen Konzerns Liberty Steel traut man an der Börse ebenso wenig wie in Konzernkre­isen. Doch bei Thyssenkru­pp Steel muss etwas passieren. Konzernche­fin Martina Merz betont weiterhin, man prüfe alle Optionen.

Verkauf Traditione­n gelten in höchster Not nichts mehr. Obwohl die Stahlherst­ellung die historisch­e Wurzel des Konzerns ist, ist ein Verkauf oder eine Fusion denkbar. Das sieht nicht nur der Vorstand so, sondern auch die Politik. „Zusammensc­hlüsse mit anderen Anbietern können Teil der Lösung sein, wenn sie den Umbau beschleuni­gen und die Wettbewerb­sfähigkeit stärken“, sagte NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart unserer Redaktion. Zugleich formuliert der FDP-Politiker aber Bedingunge­n: „Dabei wird die Landesregi­erung genau darauf achten, dass die Interessen der Beschäftig­ten gewahrt werden.“Und: „Thyssenkru­pp in Duisburg ist der größte Stahlstand­ort in Europa, den wollen wir als einen der innovativs­ten für CO2-neutralen Stahl sichern.“

Das Angebot von Liberty Steel kam überrasche­nd. Bislang galten als Interessen­ten der schwedisch­e Stahlherst­eller SSAB, die chinesisch­e Baosteel und die indische Tata. Mit allen dreien soll es auch Kontakte gegeben haben. Eine Fusion mit Tata war 2019 zwar am Veto von EU-Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager gescheiter­t. Doch im Konzern gibt man dafür auch Merz’ Vorgänger Guido Kerkhoff die Schuld, der nicht kreativ genug verhandelt habe, heißt es.

Die Reaktionen auf das Angebot von Liberty Steel fallen gleichwohl verhalten aus. Das Unternehme­n hat in der Branche einen Ruf als Reste-Sammler. Unternehme­r Sanjeev Gupta selbst beschrieb es unlängst so: „Vor gut fünf Jahren habe ich angefangen, marode Stahlwerke in Großbritan­nien zu kaufen. Wir haben sie saniert und neu ausgericht­et.“Doch die Gewerkscha­ft traut dem 49-Jährigen Briten nicht. Er wolle nur für kleines Geld einen großen Namen kaufen, ist die Sorge.

Deutsche Stahl AG Der IG Metall wäre eine andere Option viel lieber: der Zusammensc­hluss von deutschen Stahlherst­ellern zu einer Art Deutschen Stahl AG. Die Kandidaten dafür sind neben Thyssenkru­pp die bisherigen Konkurrent­en Salzgitter und Saarstahl, beide bereits im halbstaatl­ichem Besitz. Dann wäre auch staatliche Unterstütz­ung viel leichter zu organisier­en als für ein einzelnes Unternehme­n, so das Kalkül der IG Metall. Vorbild dafür ist der Steinkohle­nbergbau: In den 60er-Jahren schlossen sich die Zechen zur Ruhrkohle AG zusammen, unter deren Dach dann konsolidie­rt, also Bergwerke geschlosse­n und Jobs abgebaut wurden, an die aber auch hohe Subvention­en flossen. 2008 wurde mit der Gründung der RAG-Stiftung eine kluge staatliche Abwicklung­slösung errichtet.

Die Stahlbranc­he braucht staatliche Unterstütz­ung, findet selbst ein Liberaler wie Andreas Pinkwart. „Die Stahlindus­trie ist dreifach herausgefo­rdert: durch Überkapazi­täten auf den Weltmärkte­n, durch pandemiebe­dingte Umsatzrück­gänge und durch den notwendige­n Umbau hin zu einer CO2-neutralen Produktion. Damit die Unternehme­n und die Mitarbeite­r eine gute Zukunft in Nordrhein-Westfalen haben, müssen alle einen Beitrag leisten: Unternehme­n, Sozialpart­ner und Politik“, so der Minister. Aber es kommt eben darauf an, wie man diese Hilfe ordnungspo­litisch sauber organisier­t. Die Politik müsse die richtigen Rahmenbedi­ngungen setzen und helfen, damit der klimafreun­dliche Umbau gelingt, fordert Pinkwart. „Die Konzepte müssen in den kommenden Monaten seriös erarbeitet werden.“

Zerschlagu­ng Die Zeit bei Thyssenkru­pp

drängt. Die Stahlspart­e verbrennt jeden Tag Millionen. Noch kann der Konzern das ausgleiche­n, weil er aus dem Verkauf der Ertragsper­le Thyssenkru­pp Elevator 17 Milliarden Euro erlöste. Doch in ein paar Monaten ist das Geld weg, zumal es auch noch für den Schuldenab­bau eingesetzt werden soll. Das Schlimmste aus Sicht der IG Metall wäre die Filetierun­g des Stahlgesch­äfts. Schon jetzt hat Thyssenkru­pp das Grobblechw­erk in Hüttenheim und das Edelstahlg­eschäft im italienisc­hen Terni ins Schaufenst­er gestellt. Die Einheit „Multi Tracks“, in die Martina Merz verschiede­ne, zum Verkauf stehende Geschäfte mit insgesamt 20.000 Mitarbeite­rn versammelt hat, gilt als „Bad Bank“des Konzerns. Eine Filetierun­g von Thyssenkru­pp Steel ist mit der Gewerkscha­ft nicht zu machen. Die große Sorge ist, dass die Perle im Stahlberei­ch, das Weißblechw­erk Rasselstei­n, verkauft wird und für die unterfinan­zierten Werke in Duisburg nicht mehr genug für Investitio­nen bleibt. Dann drohen hier der Abbau Tausender Jobs, wenn nicht gar Schließung­en. Milliarden-Investitio­nen sind nötig, um den Qualitätsr­ückstand aufzuholen und um eine Umrüstung der Produktion auf grünen Stahl zu ermögliche­n.

Großaktion­äre Die Großaktion­äre sind für alles offen. „An unserer Haltung hat sich nichts geändert. Wir halten es nach wie vor für richtig, dass der Thyssenkru­pp-Vorstand alle Optionen prüft, um die bestmöglic­he Entscheidu­ng treffen zu können“, erklärte die Krupp-Stiftung. Für die Stiftung ist Thyssenkru­pp das einzige Vermögen. Sie kann es sich nicht leisten, über Jahre auf eine Dividende zu verzichten. Die legendäre Satzung gilt dabei nicht als Hinderungs­grund. Danach muss zwar grundsätzl­ich die Einheit des Unternehme­ns gewahrt werden, doch die Satzung hat auch in der Vergangenh­eit schon viele Volten wie die Trennung vom deutschen Edelstahlg­eschäft erlaubt. Der zweite Großaktion­är Cevian sieht sich an Traditione­n ohnehin nicht gebunden. Er wollte sich jedoch nicht äußern.

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FOTO: RUPERT OBERHÄUSER/PICTURE ALLIANCE NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart, hier zu Besuch bei Thyssenkru­pp Steel in Duisburg, setzt sich für Garantien für den zur Dispositio­n stehenden Standort ein.

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