Rheinische Post Mettmann

Dem Giro d’Italia droht der Abbruch

- VON PATRICK REICHARDT

Positive Corona-Befunde, ein Ausstieg von zwei Teams: Der erste Ruhetag hat Chaos ausgelöst. Nun steht die nächste Testreihe an. Und ihr Ausgang dürfte bestimmen, ob die Rundfahrt fortgesetz­t wird.

PIANCAVALL­O (dpa) Noch nie hat die Radsport-Branche so gespannt auf einen Ruhetag geblickt wie diesmal beim Giro d‘Italia. Wo bei Profis und Teams sonst Regenerati­on, Wundenheil­ung und der Transport zum nächsten Startort im Mittelpunk­t stehen, lautet die große Baustelle diesmal: Corona-Tests. Nach acht positiven Tests und dem Ausstieg der beiden Teams Jumbo-Visma um Tony Martin und Mitchelton-Scott gehen die gebannten Blicke auf die Resultate der nächsten Testreihe. Hat sich das Virus auf den Etappen an der Adria und durch die Dolomiten messbar ausgebreit­et, dürfte es am Dienstag in Udine kaum weitergehe­n. Stattdesse­n droht direkt der Abbruch.

Radsport-Funktionär Ralph Denk hält solche Maßnehmen für Unsinn - und unangemess­en. „Ich habe da schon die Meinung, dass so ein Radrennen komplett losgelöst werden sehen muss von der Pandemie. Das ist ja ein geschlosse­nes System, eine geschlosse­ne Blase. Wir werden sehr, sehr viel getestet, es stehen keine Zuschauer an der Strecke“, sagte der Teammanage­r des deutschen Rennstalls Bora-hansgrohe der Deutschen Presse-Agentur. Denk fügte an: „Ich bin schon der Meinung, dass man Radsport auch in diesen nicht einfachen Zeiten durchführe­n kann, ohne dass man die Pandemie vorantreib­t.“

So reibungslo­s, wie der Neustart im August mit ein paar Klassikern und der Tour de France funktionie­rte, klappte angesichts der dynamische­n Corona-Lage längst nicht mehr alles. In Belgien und den Niederland­en wurden Rennen abgesagt und Routen geändert, auch der Klassiker Paris-Roubaix wurde ein zweites Mal abgesagt, dieses Mal endgültig. Auf die Frage, ob man mit dem in drei Monate gepressten Notfallkal­ender das Gröbste abgewendet habe, antwortet Denk: „Das Gröbste noch nicht, wir würden gerne Giro und Vuelta zu Ende fahren.“

Ob das gelingt, ist vor der Finalwoche beim Giro und dem Auftakt der Vuelta im Baskenland an diesem Dienstag offen. Nicht nur die steigenden Zahlen machen den Veranstalt­ern Sorgen, sondern auch die positiven Tests im Fahrerfeld, die auch in einem Szenario ohne Abbruch dafür sorgen könnten, dass weitere Rennställe geschlosse­n das Rennen verlassen und den sportliche­n Wettbewerb verwässern.

Beim Giro sind in Steven Kruijswijk (Niederland­e), Simon Yates (Großbritan­nien) und Michael Matthews (Australien) mehrere Top-Fahrer aus der Rundfahrt genommen worden. Der Rennstall Education-First forderte vor dem zweiten Ruhetag gar einen vorzeitige­n Abbruch des Rennens, das der Portugiese Joao Almeida nach zwei von drei Wochen knapp vor Wilco Kelderman (Niederland­e) anführt.

Denks größtes Problem sind die PCR-Tests, die für sein Dafürhalte­n nicht verlässlic­h genug sind. „Man verlässt sich immer noch auf Tests, die nicht 100 Prozent sind. Das ist bei uns im Sport fahrlässig. Da sehe ich schon Kritikpunk­te“, sagte der 46 Jahre alte Bayer.

Als Beispiel nennt er den Sprinter Matthews, der unlängst vorzeitig abreisen musste. „Man hat ihn nach Hause geschickt vom Giro, er ist anschließe­nd zweimal negativ getestet worden. Wir hatten auch schon falsch-positive Tests. Das macht mich traurig.“Das Verfahren erinnere Denk an „Wild West“. Es gebe verschiede­ne Tests, und dann auch verschiede­ne Labore. „Man ist dem ausgeliefe­rt.“

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FOTO: MARCO ALPOZZI/DPA Die Fahrer beim Giro d’Italia stehen am Sonntag am Start, während im Hintergrun­d die Kunstflugs­taffel der italienisc­hen Luftwaffe am Himmel eine Flugshow präsentier­t.

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