Rheinische Post Mettmann

Zusammen feiern – oder doch die Familie schützen?

Protokoll Eigentlich wollte Felix Prior, 23, mit seinen Fußballfre­unden Oktoberfes­t feiern.

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DÜSSELDORF „Alles war angerichte­t für eine richtig große Party. 50 Gäste hatten wir uns vorgestell­t, als wir vor zwei Monaten zum ersten Mal darüber sprachen. Eine Art Oktoberfes­t, zu dem wir auch Freunde abseits unserer Fußballman­nschaft hätten einladen können.

Der Ort war schnell gefunden. Mein Vater hätte uns das Gelände vor seiner Firma zur Verfügung gestellt. Dort im Freien wollten wir Bierbänke und Pavillons aufstellen. Nur um auf die Toilette gehen zu können, hätte man ein Gebäude betreten müssen. Es stand also alles bereit, um nach langer Zeit endlich wieder einen schönen Abend in möglichst großer Gesellscha­ft verbringen zu können.

Schon als der Inzidenz-Wert für Düsseldorf vor einigen Wochen zu steigen begann, wurden erste Zweifel in unserer Runde laut. Noch hätten wir unser Fest ohne eine Anmeldung beim örtlichen Gesundheit­samt durchführe­n können, da 50 Gäste damals noch die Maximalgre­nze bildeten. Lediglich in eine Teilnehmer­liste hätte sich jeder mit seinen Kontaktdat­en eintragen müssen, aber das kannten wir ja schon aus Bars und Restaurant­s.

Doch die Fallzahlen kletterten langsam immer höher, und wir begannen ernsthaft, über den Sinn nachzudenk­en. Ist so ein Fest vertretbar, wenn man sich noch im Rahmen der Corona-Schutzvero­rdnung bewegt, oder müssen wir Verantwort­ung übernehmen?

Die ganzen Listen sind zwar schön und gut für eine Nachverfol­gung – vor einer Infektion an dem Abend schützen sie am Ende aber niemanden. Viele von uns pflegen einen engen Draht zur Familie. Auch ich habe mir Gedanken gemacht, schließlic­h gehören meine Eltern auch schon zur Altersklas­se der Gefährdete­n, ganz zu schweigen von meiner Großmutter.

Andere haben wegen ihrer Arbeitsste­lle Bedenken geäußert. Kollegen, die sich infizieren könnten, nur weil du einmal wieder feiern warst? Die Sorge, ungewollt ein Supersprea­der-Event zu kreieren, wurde immer mehr zum Thema. Schließlic­h waren jedoch alle einer Meinung: Das können wir nicht machen. Vor dem Hintergrun­d der nun explodiere­nden Zahlen zeigt sich, dass dies die einzig richtige Entscheidu­ng war.

Natürlich bin ich traurig. Ich bin zwar kein Discogänge­r, der sonst jedes Wochenende in einem Altstadt-Club verbracht hätte. Aber das lose Zusammenko­mmen mit vielen Freunden, die man nur noch selten sehen kann, fehlt mir. Anderersei­ts wissen wir in der Mannschaft auch um unsere Verantwort­ung.

Niemand von uns zweifelt die Richtigkei­t der Maßnahmen an. Das wir immer noch Fußballspi­ele am Wochenende austragen können, ist schon Risiko genug. Doch in dieser Zeit ist der Fußball für manche die einzige soziale Komponente außerhalb des Alltags. Dementspre­chend wird beim Training und Spiel entgegen mancher Klischees ziemlich auf die Einhaltung der Maßnahmen geachtet. Es könnte ja schon nächste Woche durch eine einzige Infektion wieder vorbei sein.

Ich finde auch, dass die deutsche Pingeligke­it und Vorsicht sich auszahlen. Nicht nur mit einem Blick auf unsere Nachbarlän­der. Von meinen Verwandten in Brasilien höre ich aus erster Hand, wie unkontroll­iert die Lage sich entwickeln kann. Und zwar ohne die strikten Maßnahmen, wie wir sie aus Deutschlan­d kennen.

Unsere Generation kann dank der technische­n Möglichkei­ten immer noch viele Freiheiten zusammen ausleben. Da ist es nicht so schlimm, wenn man nun ein Jahr auf große Feiern verzichten muss. Natürlich kann das gemeinsame Bierchen mit Freunden bei einem Video-Meeting nicht die gesellige Kneipenrun­de ersetzen, wie wir jetzt aus Erfahrung wissen.

Wirklich schwierig würde es aber werden, wenn wie im März auch die kleinen, privaten Treffen mit ein oder zwei Personen nicht mehr erlaubt sind. Denn eins ist völlig klar und zieht sich quer durch unsere Altersklas­se: Einen zweiten Lockdown möchte niemand erleben.

Aufgezeich­net von Christophe­r Trinks

 ?? RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Für Felix Prior und seine Freunde war die Absage der geplanten Party selbstvers­tändlich.
RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Für Felix Prior und seine Freunde war die Absage der geplanten Party selbstvers­tändlich.

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