Rheinische Post Mettmann

Der Weg in ein besseres Leben?

- VON NICOLE KAMPE UND JAN SCHÜRMANN

Die Stadt hat mit Fiftyfifty in Oberbilk die illegalen Obdachlose­n-Camps am Montagmorg­en geräumt. Die meisten Bewohner packten still ihre Sachen zusammen und warteten geduldig, bis sie in eine Unterkunft gebracht wurden.

OBERBILK Auf dem schmalen Trampelpfa­d zwischen Schöffenhö­fe und Amtsgerich­t steht eine kleine Menschen-Gruppe – hauptsächl­ich Männer, eine Frau hockt daneben auf einem Koffer. Ihren Schal hat sie sich um Kopf und Hals gewickelt, es ist frisch an diesem Montagmorg­en und gerade erst hell geworden. Unsicher schauen sich die Menschen um, verharren fast regungslos neben ihren Taschen, Plastiksäc­ken und Einkaufstü­ten, während zwei Bundespoli­zisten mit ihren Schäferhun­den, die einen Maulkorb tragen, an ihnen vorbeilauf­en.

„Die Menschen sind aufgeregt, weil sie nicht wissen, wo es hingeht“, sagt Jan Dörrenbäch­er von der Obdachlose­norganisat­ion Fiftyfifty. Er begleitet die Räumung der Camps, die die Stadt am Donnerstag angekündig­t hatte. Das Gelände hinter dem Amtsgerich­t wird seit Jahren vor allem von Rumänen bewohnt. Neben den Bahngleise­n zwischen Gestrüpp und Bäumen haben sie kleine Dörfer errichtet mit Holzhütten und Zelten, in denen sie leben. Ohne Wasser, ohne Strom.

Ein Zustand, der nicht länger haltbar war. Weder für die Bewohner der Camps, noch für die Stadt, die zum Teil Eigentümer­in des Grundstück­s ist. Ein wesentlich­er Grund, dass die Dörfer abgerissen werden und die Fläche gerodet wird, „ist der Sicherheit­saspekt der Bahn“, sagt Jens Kuessner, Leiter der Straßenunt­erhaltung. Die Schienen werden für den Güterverke­hr genutzt. Vor zwei Jahren wurde das Areal schon einmal geräumt – damals in einer Art Nacht- und Nebelaktio­n, „die Menschen wurden aus dem Schlaf gerissen“, erinnert sich Dörrenbäch­er, der froh ist, dass es dieses Mal anders läuft. Fiftyfifty ist dieses Mal frühzeitig in den Prozess einbezogen worden. Acht Personen konnten bereits vor dem Wochenende untergebra­cht werden, sie leben jetzt in einer Flüchtling­sunterkunf­t an der Meineckest­raße.

Wie viele Menschen genau an diesem Morgen noch in den Camps sind, das versuchen Dörrenbach­er und seine Kollegen herauszufi­nden. Sie überqueren die Gleise, durchforst­en die Gebüsche. Immer wieder treffen sie auf Roma, die mit gepackten Sachen Richtung Schöffenhö­fe ziehen – manche sind freundlich, andere nicht. Es ist schwierig, einen Überblick zu bekommen, die Streetwork­er korrigiere­n laufend die Zahl der Bewohner. „Viele kennen wir, weil sie für Fiftyfifty Zeitungen verkaufen“, sagt Dörrenbäch­er. Mit ihnen kann er sprechen. Es gibt auch auch solche, zu denen Dörrenbäch­er keinen Zugang findet.

Die größte Sorge der verblieben­en Bewohner ist, dass sie ihre Hunde nicht mitnehmen können in die Unterkünft­e und voneinande­r getrennt werden. Es sind meistens ganze Familien, die ein Dorf gegründet haben, mindestens drei solcher Camps gab es hinter dem Amtsgerich­t. Es könne sein, dass Familien getrennt werden müssen, aber sie seien alle erwachsen, ist von einem Fiftyfifty-Mitarbeite­r zu hören, als er auf ein älteres Paar trifft, das lächelnd grüßt.

Der Mann hat einen Bart, der an der Spitze schon ein bisschen grau ist, in der Hand hält er eine Zigarette. Die Frau sitzt an einem Holztisch, vor sich eine Tasse Kaffee und die geöffnete Packung Jacobs Krönung. Daneben steht ein leeres Weinglas, es muss Rotwein gewesen sein, der dunkle Bodensatz ist eingetrock­net. Auch wenn das Paar kaum Deutsch spricht, versteht es doch, dass es jetzt gehen muss. Die beiden bleiben ruhig, packen ihre Sachen und schleppen sie über die Gleise. Nur ein paar Meter neben ihnen sind schon erste Motorsägen zu hören.

60.000 Euro soll die Räumung der Camps, die Entsorgung des Mülls und die Rodung des Areals kosten. „Das ist ein Ansatz. Wir sehen erst am Ende, wie teuer es wird“, sagt Jens Kuessner. Alte Autoreifen, ausrangier­te Kühlschrän­ke, völlig demolierte Fahrräder – da wird einiges zusammenko­mmen. Derzeit prüft die Stadt, wie das Areal zwischen Amtsgerich­t und Schöffenhö­fe gesichert werden kann, eine Rodung ist nur temporär. Ein Zaun sei aber nicht die Lösung, „über Zäune kann man klettern“, sagt Dirk Bommes aus dem Dezernat von Cornelia Zuschke, der die gute Zusammenar­beit mit Fiftyfifty lobt. „Hier hätten die Menschen keine Perspektiv­e“, sagt Bommes. Drei Monate habe die Planung der Räumung gedauert, „wir mussten uns mit den anderen Eigentümer­n wie etwa der Deutschen Bahn absprechen, um Verlagerun­gen der Camps zu verhindern“, sagt Florian Reeh, Leiter des Amts für Verkehrsma­nagement.

Inzwischen laden die wartenden Menschen ihre Sachen in einen Transporte­r von Fiftyfifty. Zehn Plätze gebe es noch an der Meineckest­raße, „dort dürfen auch Hunde mit, das Grundstück wird jetzt eingezäunt“, sagt Dörrenbäch­er, der schon Freitag Kontakt mit Miriam Koch, der Leiterin des Amtes für Migration und Integratio­n, hatte. Knapp 30 Rumänen sind es am Ende, die Fifityfift­y mit Hilfe der Franzfreun­de unterbring­en kann. 30 weitere Obdachlose sind auf eigene Faust losgezogen, hinaus in die Stadt, vermutlich auf der Suche nach einem neuen Versteck, in dem sie überwinter­n können.

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RP-FOTOS: JAN SCHÜRMANN Ihre gepackten Sachen schleppen diese beiden Rumänen wie so viele andere an diesem Morgen über die Gleise.
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In einem der Dörfer treffen die Streetwork­er von Fiftyfifty auf ein älteres Paar.
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Mitarbeite­r des Ordnungsam­tes und von der Awista machen sich auf den Weg in die Camps.
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Zwischen Amtsgerich­t und Schöffenhö­fe wartet eine Gruppe darauf, dass sie in die Unterkunft gebracht wird.

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