Rheinische Post Mettmann

Das Handwerk ist unsere Zugmaschin­e

In Zeiten von Corona ist die Wirtschaft mehr denn je auf einen starken Mittelstan­d angewiesen. Das betont Andreas Ehlert, der Präsident der Düsseldorf­er Handwerksk­ammer. Er plädiert für Mut zu neuen Geschäftsm­odellen und fordert gezielte Impulse vom Staat

- VON ANDREAS EHLERT

Auf den internatio­nalen Märkten sind Wertschöpf­ungsketten nach wie vor nicht intakt. Regionale Verwertung­sketten und Absatzmärk­te, wie sie das Handwerk bedient, erleben dagegen einen Nachfrages­chub. Unser Wirtschaft­sbereich ist dementspre­chend sehr ordentlich durch die pandemiebe­dingte Rezession gekommen. Acht von zehn Unternehme­n berichten nach ersten Ergebnisse­n der Herbstumfr­age der Handwerksk­ammer von einer guten oder zufriedens­tellenden Geschäftsl­age, profitiert­en vom anhaltende­n Boom am Bau und relativ ausgabefre­udig gebliebene­n Konsumente­n.

Mehr noch: Das Handwerk hat in den vergangene­n Monaten das Land am Laufen gehalten. Unsere Lebensmitt­elbetriebe haben die Versorgung der Bevölkerun­g mit Nahrungsmi­tteln sichergest­ellt,

Wäschereie­n und Gebäuderei­niger den Betrieb von Krankenhäu­sern und Pflegestat­ionen, Notdienste aus dem technische­n Bereich die öffentlich­e und private Infrastruk­tur. Das Handwerk ist nicht nur ein systemrele­vanter Faktor für Staat und Gesellscha­ft, Wirtschaft und Wohlfahrt.

Das Handwerk ist systemtrag­end.

Und: Das Handwerk hat das Zeug, dauerhaft zum Treiber der binnenkonj­unkturelle­n Erholung zu werden. Denn viele Unternehme­n haben den Lockdown genutzt, um ihr Angebot zu überdenken und ihr Leistungss­pektrum nach Möglichkei­t

zu erweitern. Auffällig viele erfahrene wie jüngere, gutqualifi­zierte Unternehme­rinnen und Unternehme­r erobern mit pfiffigen Strategien derzeit neue Marktsegme­nte. Das kann beispielsw­eise geschehen: – indem sie den Megatrend zu mehr Nachhaltig­keit sehr konsequent aufgreifen, wie der Bäcker Schüren, der in Hilden mit Partnern aus der Industrie einen großen Ladesäulen­park für alle errichtet.

– indem sie, wie die Duisburger Patisserie Glutenfrei, ihre Kundschaft per Online-Handel aus der gesamten Republik in ihre virtuelle Geschäftsr­äume locken.

– indem sie neue digitale Technologi­en testen, die ihnen helfen, ihr Leistungsp­ortfolio zu erweitern, wie nicht wenige Unternehme­r aus der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechn­ik, die jetzt smarte Sensoren zur Fernkontro­lle von Heizanlage­n einsetzen.

Darüber hinaus beobachte ich, dass auch eine neue Gründungsk­ultur

im Handwerk um sich greift. Typisch dafür ist ein junger Bauunterne­hmer in Düsseldorf, der gleich mehrere Betriebe auf Nachfolger­suche übernommen hat, um einen möglichst kompletten Ausstattun­gsservice aus einer Hand zu bieten – das ist Start-up-Kultur vom Feinsten, aber von meisterlic­hem Mut, mit realer Wertschöpf­ung dauerhaft zu wachsen.

Ja, es gibt große Baustellen und eine Menge Fragezeich­en. Es kommt jetzt darauf an, dass wir alle uns verantwort­ungsbewuss­t und achtsam verhalten, damit nicht wieder massive Kontakt- und Mobilitäts­einschränk­ungen notwendig werden. Es hängt allerdings auch von der öffentlich­en Hand ab, als Impulsgebe­r aufzutrete­n und Belastunge­n zu minimieren. Und die Frage der Nachwuchss­icherung fürs Handwerk und die gewerblich­e Wirtschaft insgesamt muss letztlich zu einer nationalen bildungspo­litischen Anstrengun­g im Sinne einer konzertier­ten

Aktion aller politische­n und gesellscha­ftlichen Kräfte werden, damit Karriere-Optionen wieder dort erkannt und wahrgenomm­en werden, wo sie sich auch entwickeln können.

Manches hiervon ist in richtiger Richtung auf dem Weg oder politisch wenigstens angestoßen, anderes harrt noch der Anstrengun­g. Das Handwerk selbst jedenfalls hat einmal mehr gerade in der Krise seine Geschicke selbst in die Hand genommen und arbeitet hart an seiner Profilbild­ung, mit allen Chancen, zur Zugmaschin­e eines länger währenden Prozesses der Stabilisie­rung und Revitalisi­erung der regionalen Wirtschaft zu werden.

 ?? FOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/DPA ?? Präzise Arbeiten ist wichtig – nicht nur auf dem Bau. Das Handwerk entpuppt sich derzeit als solide Stütze der Wirtschaft.
FOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/DPA Präzise Arbeiten ist wichtig – nicht nur auf dem Bau. Das Handwerk entpuppt sich derzeit als solide Stütze der Wirtschaft.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany