Rheinische Post Mettmann

Der Heine-Mann

Der Germanist Manfred Windfuhr hat sein Lebenswerk Heinrich Heine gewidmet.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF Zu den lauten und vorschnell­en Intellektu­ellen, die stets mit einem Bonmot durchs Leben wandeln, hat Manfred Windfuhr nie gehört. Seine Bühne ist der Schreibtis­ch, und sein bevorzugte­r Umgang jener mit Büchern. Ein „Star“wird man so nicht, doch in seinem Fall einer der wichtigste­n deutschen Germaniste­n und Heine-Forscher. Am 24. Oktober wird der gebürtige Remscheide­r seinen 90. Geburtstag feiern – so es das Infektions­geschehen zulässt, im Heine-Instiut.

Das ist auch der Ort seines Lebenswerk­s. Denn dort entstand zu einem großen Teil die legendäre, historisch-kritische Düsseldorf­er Gesamtausg­abe der Werke Heinrich Heines, in Fachkreise­n kurz DHA genannt. 16 Bände umfasst sie und war als Großprojek­t geplant, als Windfuhr 1972 als Herausgebe­r mit den Planungen begann. Im Stadtrat veranschla­gte man zwei Jahre für die DHA, der Germanist indes hoffte, nach acht Jahren fertig zu sein, also 1980. Weit gefehlt: Es sollte weitere 17 Jahre bis zum Abschluss dauern. Die ersten Jahre dienten allein der Sammlung von Heine-Texten. Rund 7000 Werkmanusk­riptseiten standen für die Arbeit zur Verfügung (das sind 95 bis 98 Prozent aller noch erhaltenen Heine-Manuskript­e); 60 Prozent davon lagen im Heine-Institut, 25 Prozent in der Bibliothèq­ue Nationale de France in Paris, der Rest verteilte sich über viele Länder dieser Welt.

Das kostete Zeit und Geld; am Ende wurden offiziell 11,3 Millionen Mark abgerechne­t. Und es gab Querelen hinter den Kulissen: Man kam in Krisensitz­ungen zusammen, immer wieder gab es neue Verzögerun­gen. Helmut Koopmanns Band beispielsw­eise dauerte viel zu lang und schlug eine Editionslü­cke von drei Jahren. Danach legte Koopmann seine Arbeit an einem weiteren Band auch noch nieder. Da hilft nicht mehr nur die pure Liebe zur Literatur, sondern auch eine unverdross­ene Hartnäckig­keit, die ihre Kraft aus der Überzeugun­g am eigenen Tun schöpft – und am Ende recht behält.

Dass Heine wichtig für Düsseldorf, seine Gedanken bedeutsam für Deutschlan­d und sein Dichten prägend für die Welt sind, trieb ihn an, auch kulturpoli­tisch für ihn die Trommel zu rühren. Immer wieder plädierte er dafür, der jungen Hochschule Heines Namen zu geben. Das dauerte, und aus heutiger Sicht vielleicht zu lange. 20 Jahre wurde debattiert und gestritten, bis sich die Uni 1988 namentlich zu Heine bekannte. Fast hatte er nicht mehr daran geglaubt, sagte er später.

Vor zwei Jahren erschien mit „Zukunftsvi­sionen“noch einmal ein großes Werk, mit dem Windfuhr auf fast 900 Seiten die Utopien und Dystopien der deutschspr­achigen Literatur analysiert­e. Das Buch dokumentie­rt auch den weiten Blickwinke­l des Germaniste­n. Denn die Konzentrat­ion auf Heine war nie eine Verengung seines Denkens, sondern ein sicheres Zentrum, von dem aus weitergeda­cht werden kann und muss. Und das bleibt vital: „Ich habe mit Heine nicht abgeschlos­sen“, sagte er – in aller vielsagend­en Bescheiden­heit. Denn „Ihr könnt Euch darauf verlassen, die Bescheiden­heit der Leute hat immer ihre guten Gründe“, so Heinrich Heine.

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FOTO: AISTHESIS-VERLAG Manfred Windfuhr wird am 24. Oktober 90 Jahre alt.
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FOTO: WIKIMEDIA COMMONS Heines Werk beschäftig­te Windfuhr über Jahrzehnte.

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