Rheinische Post Mettmann

Die große Wut des Friedrich Merz

Der einstige Unionsfrak­tionschef attackiert Parteivors­itz-Rivale Armin Laschet emotional. Das verschreck­t selbst eigene Anhänger und bringt die CDU in die Bredouille.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Selten war Angela Merkel sichtlich so glücklich. Sie drückte Annegret Kramp-Karrenbaue­r auf offener Bühne und strahlte. Sie hatten gewonnen. Die Saarländer­in war soeben von den CDU-Delegierte­n zu Merkels Nachfolger­in als Parteichef­in gewählt worden. Hauchdünn ihr Vorsprung vor Friedrich Merz, aber Sieg ist Sieg. Die große Volksparte­i hatte sich tatsächlic­h wieder für eine Frau entschiede­n – und für Merkels Kurs der Mitte. An diesem Dezember-Tag in Hamburg vor zwei Jahren macht Merkel aus ihrer Freude ausnahmswe­ise keinen Hehl. Der gern polarisier­ende Merz war nie ihr Fall.

Nur, losgeworde­n ist sie ihn nicht. Denn Kramp-Karrenbaue­r hielt nicht, was Merkel sich von ihr versprach. Die mögliche Kanzlerkan­didatin warf im Februar hin und seither ist Merkels Erbe neu umkämpft. Und weil die CDU-Spitze den in sechs Wochen geplanten Parteitag am Montag absagte, hat der Kampf nun erst richtig begonnen – und die Partei ein Problem.

Der 64-jährige Merz hat wenig Scheu, Emotionen zu zeigen. Wütend über das „Partei-Establishm­ent“ist er, dass der Wahlpartei­tag verschoben wurde. Sein Rivale, NRW-Ministerpr­äsident und CDU-Vize Armin Laschet, habe die Devise ausgegeben, dass er mehr Zeit für seine „Performanc­e“brauche. Die explodiere­nden Corona-Infektione­n lässt Merz als Argument gegen einen Kongress mit 1000 Delegierte­n nicht gelten. Solle der Parteitag doch digital ablaufen, sagt er und wischt rechtliche Hürden beiseite. Das ist Trump-Stil. Und er erzählt, ein Teil der Delegierte­n müsse ab dem 7. Dezember neu gewählt werden, was auch nicht dienlich in der Corona-Krise sei. CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak widerspric­ht. Wenn Delegierte aufgrund der Infektions­lage nicht neu gewählt werden könnten, blieben sie im Amt.

Merz erklärt live in ARD und ZDF, die „gesamte Hauptstadt­presse“, die „deutsche Öffentlich­keit“wüsste, dass er „nicht der Liebling eines Teils der Parteiführ­ung“sei. Dann verheddert er sich in seiner Argumentat­ion. Der Parteitag wäre nicht verschoben worden, hätte Laschet so gute Umfragewer­te wie er, sagt Merz. Anderersei­ts: Die Kandidaten würden zerschliss­en. Gerade hatte er noch gesagt, seine Werte blieben gut. Und schließlic­h, es werde womöglich noch ein Überraschu­ngskandida­t präsentier­t. Das werde systematis­ch vorbereite­t. Man hält den Atem an. Was kommt jetzt?

Eine „Whatsapp-Gruppe“einiger CDU-Mitglieder gebe es da, die Gesundheit­sminister Jens Spahn allen anderen vorzögen, erzählt Merz als handele es sich um einen bedrohlich­en Geheimbund. „Diese Gruppe gibt es. So, und bevor das anfängt, in dieser Partei um sich zu greifen, sollten die demokratis­chen Mechanisme­n wieder funktionie­ren. Und Demokratie in einer Partei heißt: Entscheidu­ng durch Wahlen und zwar durch Delegierte auf einem Bundespart­eitag, auch digital.“Demokratie in einer Partei heißt jedoch auch, dass sich noch auf dem Parteitag Kandidaten melden können.

Offenbar fürchtet Merz den viel jüngeren Spahn aus dem Team Laschet. Mit seinen umstritten­en Interview-Äußerungen, dass Homosexual­ität Privatsach­e sei – „solange es nicht Kinder betrifft“, hatte Merz eine Welle der Empörung ausgelöst. Viele deuteten seine Bemerkung als bewussten Hieb gegen Spahn. Merz habe den Minister, der mit einem Mann verheirate­t ist, in die Nähe von Pädophilen gebracht, hieß es. Schließlic­h hatte Merz auf die Frage geantworte­t, ob er Vorbehalte gegen einen homosexuel­len Kanzler hätte. Dass es Spahns Traum ist, Kanzler zu werden, weiß Merz nur zu gut. Und Spahn hat seine Fans in der CDU.

Selbst CDU-Mitglieder in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz

Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Parteivors­itz.

– den Merz-Hochburgen – sind über den einstigen Bundestags­fraktionsc­hef erschrocke­n. Sie hoffen nun auf einen Parteitag nach Ostern. Personalqu­erelen um die Führung, so sagen sie, seien das Letzte, was sie im Wahlkampf gebrauchen können. Laschet hat auf den Vorwurf, er stecke hinter der Verschiebu­ng des Parteitags, um seine Ausgangssi­tuation zu verbessern, öffentlich nicht reagiert. Er setzt darauf, dass die Menschen sich selbst ausmalen können, was es für den Ministerpr­äsidenten des bevölkerun­gsreichste­n Bundesland­es bedeutet, die Corona-Krise in den Griff zu bekommen. Scheitert er damit, wird er seine „Performanc­e“kaum verbessern, sondern seine Chancen bei der CDU-Vorstandsw­ahl verschlech­tern.

Die Absage des CDU-Parteitags hat auch Auswirkung­en auf die Linksparte­i. Wenn die CDU ihren Kongress absagt, kann die Linke schlecht am Wochenende in Erfurt zusammenko­mmen. Auch sie braucht einen neuen Vorstand. Der große Unterschie­d: Über die Absage herrscht Einigkeit und bereits am Samstag soll über drei mögliche Alternativ­en entschiede­n werden. Die Wahl der Kandidatin­nen Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow als erste weibliche Doppelspit­ze der Partei gilt als sicher. Die Wahl des neuen CDU-Chefs dürfte hingegen wieder knapp ausgehen. Die Partei bliebe gespalten.

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FOTO: THOMAS IMO/IMAGO IMAGES

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