EU legt Konzept für Mindestlöhne vor
Die Kommission will diesen Mittwoch einen Beschluss fassen. Beträge werden im Entwurf nicht genannt.
BRÜSSEL Die EU-Kommission will die Mitgliedstaaten verpflichten, Mindestlöhne entweder gesetzlich oder per Vereinbarung durch die Tarifvertragsparteien durchzusetzen. Bislang entscheiden die Mitgliedstaaten, ob es Mindestlöhne gibt. Ein Entwurf des Gesetzgebungsvorschlags, den die Kommission diesen Mittwoch beschließen will, liegt unserer Redaktion vor.
Wie hoch soll der europäische Mindestlohn sein? Die Kommission legt sich nicht auf Beträge fest. Es wird keinen einheitlichen Mindestlohn in der EU geben. Es gibt auch keine Orientierung an einem Median-Lohn (50 Prozent der Erwerbstätigen verdienen mehr, 50 Prozent weniger). Die Sozialdemokraten fordern etwa, dass ein angemessener Mindestlohn 60 Prozent des Median-Lohnes
in einer Volkswirtschaft betragen soll. Die Kommission verlangt stattdessen, dass der Mindestlohn angemessen sein muss. Dafür werden vier Kriterien genannt: Kaufkraft, Verbreitung der Brutto-Löhne, Anstieg der Bruttolöhne sowie der Produktivität.
Ist der EU-Mindestlohn mit dem deutschen Mindestlohn vereinbar? Bei Arbeitgebern und Politikern gibt es Bedenken. Es wird nicht ausgeschlossen, dass beim gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland nachgebessert werden muss, wenn die Richtlinie etwa in vier Jahren in Kraft tritt. Die EU-Kriterien spielen in Deutschland bisher keine Rolle.
Warum kümmert sich die EU um Löhne? Eigentlich steht im Vertrag über die Arbeitsweise der EU, dass sich die EU zwar um Fragen der Arbeitsbedingungen kümmern kann, die
Entgeltfrage ist aber explizit ausgeschlossen. Dennoch macht Arbeitskommissar Nicolas Schmit einen Vorschlag. Die Sozialdemokraten hatten europäische Mindestlöhne im Europa-Wahlkampf gefordert. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erfüllt mit dem Vorschlag ein Wahlkampfversprechen der Sozialdemokraten. In Brüssel hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) darauf gedrungen, dass der Vorschlag noch während der deutschen Ratspräsidentschaft kommt, also bis Jahresende.
Warum bietet der EU-Mindestlohn Diskussionsstoff? In sechs von 27 EU-Staaten gibt es keinen gesetzlichen Mindestlohn. Dazu zählen skandinavische Länder, in denen die Tarifautonomie besonders hochgehalten wird. Sie lehnen kategorisch eine Einmischung des Staates in Löhne ab.
Droht neuer juristischer Ärger? Klagen gelten als wahrscheinlich. Darin könnte darauf verwiesen werden, dass die EU keine Kompetenzen für EU-Mindestlöhne hat. Das Bundesverfassungsgericht könnte sich der Meinung anschließen. Damit droht ein zweiter juristischer Konflikt zwischen dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Welchen Preis hat der EU-Mindestlohn? Wie bei jedem Vorschlag lässt die EU eine Folgenabschätzung vornehmen. Derzeit haben nur Portugal, Slowenien und Frankreich einen Mindestlohn, der oberhalb der 60-Prozent-Marke des Medians liegt. In der Folgenabschätzung heißt es, dass EU-Mindestlöhne in Höhe von 60 Prozent des Medians zehn bis 20 Millionen Arbeitnehmern höhere Löhne bringen würden. Die Jobverluste seien gering.