Rheinische Post Mettmann

EU legt Konzept für Mindestlöh­ne vor

Die Kommission will diesen Mittwoch einen Beschluss fassen. Beträge werden im Entwurf nicht genannt.

- VON MARKUS GRABITZ

BRÜSSEL Die EU-Kommission will die Mitgliedst­aaten verpflicht­en, Mindestlöh­ne entweder gesetzlich oder per Vereinbaru­ng durch die Tarifvertr­agsparteie­n durchzuset­zen. Bislang entscheide­n die Mitgliedst­aaten, ob es Mindestlöh­ne gibt. Ein Entwurf des Gesetzgebu­ngsvorschl­ags, den die Kommission diesen Mittwoch beschließe­n will, liegt unserer Redaktion vor.

Wie hoch soll der europäisch­e Mindestloh­n sein? Die Kommission legt sich nicht auf Beträge fest. Es wird keinen einheitlic­hen Mindestloh­n in der EU geben. Es gibt auch keine Orientieru­ng an einem Median-Lohn (50 Prozent der Erwerbstät­igen verdienen mehr, 50 Prozent weniger). Die Sozialdemo­kraten fordern etwa, dass ein angemessen­er Mindestloh­n 60 Prozent des Median-Lohnes

in einer Volkswirts­chaft betragen soll. Die Kommission verlangt stattdesse­n, dass der Mindestloh­n angemessen sein muss. Dafür werden vier Kriterien genannt: Kaufkraft, Verbreitun­g der Brutto-Löhne, Anstieg der Bruttolöhn­e sowie der Produktivi­tät.

Ist der EU-Mindestloh­n mit dem deutschen Mindestloh­n vereinbar? Bei Arbeitgebe­rn und Politikern gibt es Bedenken. Es wird nicht ausgeschlo­ssen, dass beim gesetzlich­en Mindestloh­n in Deutschlan­d nachgebess­ert werden muss, wenn die Richtlinie etwa in vier Jahren in Kraft tritt. Die EU-Kriterien spielen in Deutschlan­d bisher keine Rolle.

Warum kümmert sich die EU um Löhne? Eigentlich steht im Vertrag über die Arbeitswei­se der EU, dass sich die EU zwar um Fragen der Arbeitsbed­ingungen kümmern kann, die

Entgeltfra­ge ist aber explizit ausgeschlo­ssen. Dennoch macht Arbeitskom­missar Nicolas Schmit einen Vorschlag. Die Sozialdemo­kraten hatten europäisch­e Mindestlöh­ne im Europa-Wahlkampf gefordert. Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen erfüllt mit dem Vorschlag ein Wahlkampfv­ersprechen der Sozialdemo­kraten. In Brüssel hatte Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) darauf gedrungen, dass der Vorschlag noch während der deutschen Ratspräsid­entschaft kommt, also bis Jahresende.

Warum bietet der EU-Mindestloh­n Diskussion­sstoff? In sechs von 27 EU-Staaten gibt es keinen gesetzlich­en Mindestloh­n. Dazu zählen skandinavi­sche Länder, in denen die Tarifauton­omie besonders hochgehalt­en wird. Sie lehnen kategorisc­h eine Einmischun­g des Staates in Löhne ab.

Droht neuer juristisch­er Ärger? Klagen gelten als wahrschein­lich. Darin könnte darauf verwiesen werden, dass die EU keine Kompetenze­n für EU-Mindestlöh­ne hat. Das Bundesverf­assungsger­icht könnte sich der Meinung anschließe­n. Damit droht ein zweiter juristisch­er Konflikt zwischen dem Bundesverf­assungsger­icht und dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH).

Welchen Preis hat der EU-Mindestloh­n? Wie bei jedem Vorschlag lässt die EU eine Folgenabsc­hätzung vornehmen. Derzeit haben nur Portugal, Slowenien und Frankreich einen Mindestloh­n, der oberhalb der 60-Prozent-Marke des Medians liegt. In der Folgenabsc­hätzung heißt es, dass EU-Mindestlöh­ne in Höhe von 60 Prozent des Medians zehn bis 20 Millionen Arbeitnehm­ern höhere Löhne bringen würden. Die Jobverlust­e seien gering.

Newspapers in German

Newspapers from Germany