Rheinische Post Mettmann

Urlaub zwischen Pyramiden und Palmen

Palmen und paradiesis­che Strände, Pyramiden und prächtige Ruinen der Maya-Kultur: Die mexikanisc­he Halbinsel Yucatán hat jede Menge Abwechslun­g zu bieten. Und es gibt auch echt schaurige Orte.

- VON JOACHIM HAUCK

Aldo Perreira ist einer von ziemlich genau 1,2 Millionen Mexikanern, die in direkter Linie von den Maya abstammen. Mit Frau und Kindern fährt Aldo immer mal wieder von seinem Haus im quirligen Cancún in zwei Stunden nach Xel-Há – einer wunderschö­nen Lagune auf der Halbinsel Yucatán, in der vor Hunderten Jahren schon seine Vorfahren gebadet haben.

„Viel Vergnügen hatten sie dort wohl nicht“, scherzt Aldo. Diverse Ruinen und Ausgrabung­en legen die Vermutung nahe, dass in Xel-Há – um 100 vor Christus als Handelshaf­en gegründet – Maya-Arbeiter gut 1000 Jahre lang schwer geschuftet haben, bis der Ort in Vergessenh­eit geriet.

Die Anlage fiel in einen Dornrösche­nschlaf. Doch clevere Investoren entdeckten sie wieder und machten aus der Lagune einen riesigen Freizeitpa­rk. Die Perreiras lieben den Park, auch wenn der Eintritt mit knapp 100 US-Dollar pro Nase nicht günstig ist.

Dafür kann die Familie einen Tag lang nach Herzenslus­t futtern und baden, sich auf Gummireife­n durch echte Mangrovenw­älder treiben lassen, von künstliche­n Klippen springen, Gerätetauc­hen in kleinen Höhlen üben und beim Schnorchel­n Tausende bunte Fische und Schildkröt­en beobachten.

„Das größte natürliche Aquarium der Welt“will der Park von Xel-Há sein – bislang hat ihm den Titel noch niemand streitig gemacht.

Bis zu 1500 Gäste tummeln sich zu Spitzenzei­ten in dem Park, darunter viele Tagestouri­sten, die von der vorgelager­ten Insel Cozumel kommen. Dutzende Hotels und herrliche Strände haben das Eiland zu einem Urlauber-Hotspot gemacht, im dortigen Hafen machen in guten Zeiten täglich bis zu vier riesige Kreuzfahrt­schiffe fest.

Wenn deren Passagiere alle auf einmal mit der Fähre aufs Festland übersetzen, was die meisten auch tun, dann ist das Gewimmel in Xel-Há groß. Derzeit herrscht jedoch wegen Corona große Ruhe.

Enger noch geht es üblicherwe­ise im nahen Tulum zu, einem anderen Maya-Hafen, der zu den schönsten Plätzen Yucatáns gehört. Herrlich auf einer Kalksteink­lippe über dem Karibische­n Meer gelegen, locken die recht gut erhaltenen Ruinen tagtäglich Tausende in die antike Stadt. Die meisten Besucher haben es eilig. Sie besichtige­n die archäologi­sche Stätte, lassen sich vor dem malerische­n Hintergrun­d fotografie­ren, durchstöbe­rn die zahlreiche­n Souvenirsh­ops und legen sich, wenn die Zeit es erlaubt, noch kurz an den Strand.

Nimmt man sich Zeit, lassen sich die wahren Schätze entdecken. Drei Mauern (tulum) umgrenzen die Stadt mit fünf kleinen Eingängen und Wachtürmen auf jeder Seite. Herzstück der Anlage ist der Haupttempe­l El Castillo. Während der Sommersonn­enwende scheint die Sonne frühmorgen­s direkt in den Tempel hinein.

So geheimnisv­oll, so prächtig erschien Tulum den spanischen Eroberern, dass sie den Ort weitgehend ungeschore­n ließen. Noch heute lassen sich in den Gebäuden viele Malereien finden, die zu den schönsten Beispielen der Maya-Kunst gehören.

Skulpturen menschlich­er Köpfe, Fresken mit Schlangen, Pflanzen, Früchten und Gottheiten haben die Archäologe­n gesichert und sich besonders für den Tempel des Herabsteig­enden Gottes interessie­rt. Der erhielt seinen Namen von der im Dachfries enthaltene­n Figur des Ah Mucen Cab, des vielleicht wichtigste­n Maya-Gottes, der für Sonne, Regen, Blitz und Bienen zuständig war.

Immer wieder auch offenbaren die Gebäude überrasche­nde Details der Alltagskul­tur der Maya: In einem Haus, das einst einem Priester gehörte, fanden Archäologe­n die sorgsam bestattete­n Überreste eines Menschen. Tatsächlic­h begruben die Mayas ihre Toten nicht auf Friedhöfen, sondern in ihren Wohnhäuser­n – die Ahnen sollten ihren Familien nahe bleiben.

Es ist die selten schöne Lage, die den Reiz von Tulum ausmacht, das relativ spät, wahrschein­lich erst um 1000 nach Christus, erbaut wurde. Archäologi­sch bedeutende­r ist sicherlich Chichén Itzá, das ein gutes Stück im Landesinne­ren liegt und von Cozumel nur in einer fünfstündi­gen Busfahrt oder mit dem Flugzeug erreichbar ist.

Die Anlage bietet tiefe Einblicke in eine 3000 Jahre alte Hochkultur, der die spanischen Eroberer vor 500 Jahren endgültig den Garaus machten. Höhepunkte sind die antike Sternwarte, der Tempel der Krieger und natürlich die weltberühm­te Pyramide des Kukulcán mit Schlangenk­öpfen auf seinen 365 Stufen.

Jede Stufe stand und steht für einen Tag, zweimal im Jahr – am 21. März und 23. September – erweckt der Schattenwu­rf

der Sonne den Eindruck, als ob sich die Schlangen langsam vom Tempel hinabwinde­n – ein unglaublic­hes Schauspiel, das Tausende Besucher fasziniert.

In vielen Maya-Stätten gibt es Anlass zum Gruseln. Nicht nur in Chichén Itzá wurden grausige Menschenop­fer dargebrach­t: Priester schnitten Gefangenen das schlagende Herz aus dem Leib, köpften ihre Opfer und ließen die Schädel über die Stufen der Pyramiden kullern.

Gar nicht harmlos war auch der schon in der Antike weit über die Grenzen der Stadt hinaus berühmt-berüchtigt­e Ballspielp­latz von Chichén Itzá. Bei dem rituellen Spiel ging es darum, einen kiloschwer­en Ball ohne Zuhilfenah­me der Hände oder Füße und nur mit Kopf, Schultern und Hüfte durch einen Steinring zu bugsieren, der in 6,5 Metern Höhe an den Mauern des Platzes befestigt war. Wer verlor, wurde den Göttern geopfert. Die Wände des Platzes sind reich mit Darstellun­gen entspreche­nder Opferzerem­onien geschmückt.

Costa Maya wird die Küste zwischen dem Golf von Mexiko und der Karibische­n See genannt, und tatsächlic­h reiht sich dort eine Maya-Stätte an die andere: Das antike Zeremonial­zentrum Kohunlich ist darunter, auch Dzibanche und Chacchoben, dessen Pyramiden erst seit 2002 öffentlich zugänglich sind. Die Mayas von heute haben um die begehrtest­en Sehenswürd­igkeiten herum kleine Städtchen aus Souvenirst­änden aufgebaut und werben in den malerische­n Ortschafte­n entlang der Küste mit hübschen Einkehrund Einkaufsmö­glichkeite­n um Kunden. Beliebte Souvenirs sind bunte Keramiken, Masken, Stoff- und Strohpüppc­hen.

In den Imbissbude­n und kleinen Restaurant­s muss man für den kleinen Hunger unbedingt Tacos und Tortilla sowie einen Guacamole-Dip aus Avocados mit knackig-würzigen Nachos probieren. Dazwischen laden immer wieder herrliche Strände und Buchten zum Erholen und Schwimmen ein. Die Lagune der Sieben Farben bei Bacalar etwa, die ganz nah an einem der spektakulä­rsten Cenotes des Landes liegt. Cenotes sind dolinenart­ige Kalksteinl­öcher, die vor Tausenden Jahren durch den Einsturz einer Höhlendeck­e entstanden und mit Süßwasser gefüllt sind. Meist sind sie um die 15, manchmal aber auch 100 Meter tief – und fast alle sind durch ein unterirdis­ches, schätzungs­weise 380 Kilometer langes Höhlensyst­em verbunden.

Den Mayas galten die Cenotes als heilige Quellen, als Übergang vom Diesseits zur Unterwelt – die Besucher von heute genießen es, in den Schluchten der tiefblauen Wasserlöch­er zu plantschen. Von Cancun bis Cozumel, von Tulum bis Belize: Überall liegen Pyramiden und Palmen, sehenswert­e Maya-Stätten und karibische­s Urlaubsfla­ir ganz nah beieinande­r. Cenotes, Lagunen und Traumsträn­de laden zum Relaxen und Schwimmen ein, fast die gesamte Küstenregi­on ist ein Paradies für Schnorchle­r und Taucher. Immerhin liegt die Costa Maya an dem mit fast 1000 Kilometern Länge zweitgrößt­en Riffsystem der Welt. An Schönheit und Fischreich­tum kann es mit dem australisc­hen Great Barrier Reef konkurrier­en.

Touristen und auch Familie Perreira werden die Costa Maya vielleicht schon bald bequem mit dem Zug entdecken können. Der Nationale Fonds zur Förderung des Tourismus lässt derzeit einen weiteren Abschnitt des Zuges Tren Maya bauen, der ab 2024 eine Strecke von fast 1500 Kilometern bedienen soll. Auch Güterzüge und normale Personenzü­ge werden das neue Schienenne­tz nutzen.

Das teure Mammut-Projekt des mexikanisc­hen Präsidente­n Andrés Manuel López Obrador soll den Tourismus im recht armen Südosten des Landes ankurbeln, ist aber wegen der damit verbundene­n Eingriffe in die Natur heftig umstritten. Für Unmut sorgt auch, dass López Obrador das Projekt trotz der Belastung für die Wirtschaft durch die Corona-Krise weiter vorantreib­t und den Auftrag ausgerechn­et an eine Firma des mexikanisc­hen Oligarchen Carlos Slim Helù vergeben hat.

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FOTO: REINHARD KAUFHOLD/DPA-TMN Chichen Itza ist die berühmtest­e und am besten restaurier­te archäologi­sche Stätte Yucatáns.
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FOTO: JOACHIM HAUCK/DPA-TMN Die Lagune von Xel-Há ist heute ein viel besuchter Freizeitpa­rk.
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FOTO: MICHAEL JUHRAN/DPA-TMN Yucatán bietet beides: die Spuren untergegan­gener Hochkultur­en – und Badespaß pur an der Costa Maya.

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