Akademie-Absolventen warten aufs Publikum
Drei Monate länger als üblich haben sich die Studenten der Kunstakademie auf ihre Präsentation vorbereitet. Tipps für den Besuch.
DÜSSELDORF Der Sommerrundgang an der Kunstakademie ist eröffnet, aber kaum jemand kommt. Wegen Corona herrscht gähnende Leere. Da die Absolventen ihre Prüfungen längst hinter sich haben, bleiben auch die Professoren zu Hause. Stattdessen laufen Wachleute über die Flure, um die Maskenpflicht zu kontrollieren. Die Studenten aber sehnen sich nach den Besuchern. Sie haben viel zu bieten.
Farbexperiment Die Düsseldorfer Kunstakademie ist traditionell eine Malerschule. Harm Gerdes (Klasse Fritsch) will es jedoch wissen. Er arbeitet mit gefärbtem Plastiksud und Farbe. So erzeugt er Inseln, die an den Rändern mit Airbrush und Pinsel behandelt sind. Die leicht reliefierte Oberfläche ist handwerklich perfekt entstanden, zeugt aber von den Erfahrungen mit der digitalen Welt.
Eines der Werke beschäftigt sich mit der Frage: „Ist Rückzug eine
Chance?“
Baukunst Normalerweise befassen sich Studenten der Baukunst mit dem Umbau des Graf-Adolf-Platzes oder der Erweiterung der Kunstakademie, nicht aber mit Kunst. Nun setzten sich Studenten der Petzinka-Klasse zusammen, um die künstlerische Ästhetik im Bau zu betonen. Dario Cavadini aus der Schweiz legt das erste Ergebnis vor. Der angehende Architekt besitzt ein Atelier in Zürich, mit großem Keramikofen in fast greifbarer Nähe. Dort erzeugt er – mit beiden Händen, wie er betont – aus gebranntem und glasiertem Ton Berge wie vor seiner heimatlichen Haustür in der Schweiz, Tempel wie aus Mexiko, fiktive Pagoden und Baumarchitektur. Seinem Neuanfang wollen auch noch weitere Studenten aus der Baukunst folgen.
Arbeitslosengeld Studenten erhalten bei Bedarf Bafög. Aber das gilt nicht für junge Leute, die ihre Studienzeit überschritten haben. Max Hölter (Schulze-Klasse) gehört dazu. Er bekommt Arbeitslosengeld 3. Niemand spricht darüber, doch er macht es öffentlich. In der Metallwerkstatt baute er einen stählernen, schweren Stuhl und einen klitzekleinen Arbeitstisch. Beides nimmt kaum Platz ein. In einem Künstlerbuch thematisiert er seine Probleme: „Ist Rückzug eine Chance?“, „Wie viel darf gefördert werden?“In einem Gemälde zeigt er, wie einem Absolventen mit einer roten Rose gratuliert wird.
Ente Bei Paul Schwaderer (Gostner-Klasse) öffnet sich alle vier Minuten ein Lamellenvorhang. Sie gibt eine animierte Ente frei, die sich wie ein Modell um ihren langen Hals dreht. „Mit der Ente kann ich mich gut identifizieren. Sie ist sehr offen für Zuschreibungen. Sie kann superschlau und total doof, liebevoll und aggressiv sein“, sagt der Student. Er hat nach Fotos ein 3D-Modell gebaut, mit dem gerasterten Foto einer echten Ente bedeckt und bittet nun zur Aufführung. „Der Vorteil der Klugheit besteht darin, dass man sich dumm stellen kann“, sagte Kurt Tucholsky. Die Ente kann es.
Tontauben Rita Droescher (Piller-Klasse) bedeckt den Fußboden wie einen Tennenplatz mit rotem Ziegelmehl und klebt Kacheln mit Tontauben-Motiven an die Wände. Sie erzählt: „Beim Sportschießen werden Tontauben in die Luft geworfen. Trifft der Schütze, so fallen die Tontauben zerstäubt auf den Boden.“Will heißen: Junge Künstler werden getroffen, entdeckt oder wie Tontauben fallengelassen.
Neobarock Das wilhelminische Zeitalter liebte das Neubarock zum Repräsentieren. Nils Levin Sehnert (Klasse McBride) lässt die alten Zeiten mit PU-Schaum aufleben und erklärt: „Barock liegt im Trend, es ist wie Pop Art. Es geht um Propaganda. Hauptsache, die Inszenierung ist eindrucksvoll.“So hängt oder legt er bunte Schalen, Folien und Schaumeinlagen an die Decke und auf den Boden. Das Ganze wird gebrochen durch Graffiti. Die Zeit eines neuen Spektakels ist angebrochen.
Zeichnen Zeichnungen lassen sich schwer verkaufen, Ölbilder sind gefragt. Gerade deshalb zeichnet Lasse Peters (Anzinger-Klasse) auf große Papiere. Bukolische Szenen hängen Bild an Bild. Sexy ist alles. Vieles windet sich, kriecht, frisst, kackt und zeigt die Welt als absurde Komödie.
Chinesenköpfe Malte Schwiddessen (Grünfeld-Klasse) präsentiert breit lachende, asiatische Betonköpfe mit Hülsen für Asthma-Spray im Mund. Sie könnte Wasser speien, sind sie doch mit Stahlrohren in monströsen Betonsäulen verbunden. Noch fehlt allerdings der Auftraggeber, der dieses komische Rund der grinsenden Gesichter als Brunnen zum Sprudeln bringt.
Keramik Sabine Schmidtpeter (Anzinger-Klasse) bat ihre Freundin Ruzka, Modell für ein Bild zu sitzen. Doch dann nahm sie grob schamottierten Ton, brannte ihn und überzog ihn mit farbiger Glasur. Nun feiern Zitate aus der Kunstgeschichte in den Keramiken einen zauberhaften Reigen.
Katzenfutter Yoora Park (Trisha Donnelly) lässt nur zu jeder vollen Stunde Besucher eintreten, die einem leistungsstarken Lautsprecher ausgeliefert werden. Zu hören ist jedoch nichts anderes als der Song aus einer Katzenfutterwerbung.