Rheinische Post Mettmann

Hungriger Dieb muss in Psychiatri­e

Mangels Geld und Hilfe ist der Erkrather immer wieder in Geschäfte eingebroch­en.

- VON SABINE MAGUIERE

ERKRATH/WUPPERTAL Der Angeklagte hatte Hunger und nachts die Türen eines Supermarkt­es aufgehebel­t. So oft, dass man dort am Ende auf umfangreic­he Reparature­n verzichtet und die Einbruchsc­häden nur noch notdürftig behoben hatte. Mal saß der Mann mit einem Tomatenbro­t vor dem Regal, ein anderes Mal mit Frikadelle­n und einem Croissant.

Er habe kein Geld gehabt und nicht zu essen – seinen Betreuer habe er mitten im Lockdown im Frühjahr nicht erreichen können. Irgendwann stand er dann mit einem Phasenprüf­er in dem Kiosk, in dem er sich früher seine Zigaretten gekauft hatte. Ab und an soll der Kioskbesit­zer ihm auch mal eine Schachtel zugesteckt haben. Auch die als Zeugin gehörte Angestellt­e, die den Schraubend­reher in seiner Hand gesehen hatte, kannte den Mann.

Große Angst habe sie nicht gehabt vor ihm, er habe die Zigaretten

aus der Auslage genommen und sei wieder gegangen. Weil auch ein Phasenprüf­er ein gefährlich­es Werkzeug ist, stand am Ende der Vorwurf in der Anklagesch­rift, einen schweren Raubüberfa­ll begangen zu haben. Weil der 35-Jährige unter einem psychische­n Erkrankung leidet und als eingeschrä­nkt schuldfähi­g gilt, forderte der Staatsanwa­lt in seinem

Plädoyer dessen dauerhafte Unterbring­ung in der Psychiatri­e.

Dem folgte auch das Gericht, nachdem bereits ein psychiatri­scher Gutachter die „Gefährlich­keit für die Gemeinscha­ft“festgestel­lt hatte, wenn die Erkrankung unbehandel­t bleiben würde. Auch wenn der Angeklagte die Polizeibea­mten vor den Supermarkt­regalen gefragt haben soll, was er denn noch tun müsse, um endlich im Knast dreimal am Tag etwas zu essen zu bekommen: Eine solche Perspektiv­e für die nächsten Jahre dürfte er sich eher nicht gewünscht haben. Schon in der Untersuchu­ngshaft, in der er nach den Taten untergebra­cht worden war, soll er in der Zelle randaliert haben. In die geschlosse­ne Psychiatri­e verlegt, soll es dort ähnlich weitergega­ngen sein. Der Angeklagte soll Probleme mit engen Räumen haben, zuhause komme er gut klar. Zumindest dann, wenn er genug Geld habe, um sich etwas zu Essen zu kaufen.

Das habe ihm im Frühjahr gefehlt, weil die Familie ihn nicht mehr habe unterstütz­en können. Seinen Betreuer habe er nicht erreichen können - was im übrigen auch der Staatsanwa­lt bestätigte, der das später ebenfalls erfolglos versucht hatte. Nun also geht es für den Angeklagte­n in der forensisch­en Psychiatri­e weiter. Läuft es dort gut, stellt ein Psychiater möglicherw­eise bald schon fest, dass er psychisch stabilisie­rt in die Freiheit entlassen werden kann. Eventuell mithilfe von Medikament­en, die ihm einen normalen Alltag ermögliche­n.

Seinen Betreuer hat er mitten im Lockdown nicht erreichen können

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