„Fortuna wird die Kurve bekommen“
Der 42-jährige Ex-Profi des Vereins und ehemalige Sportvorstand des 1. FC Nürnberg über die Schnelllebigkeit des Fußballgeschäfts.
DÜSSELDORF Robert Palikuca hat rund 13 Jahre für Fortuna gearbeitet. Er war als Spieler Kapitän, später im Management in unterschiedlichen Funktionen tätig. Dann ist er als Sportvorstand zum 1. FC Nürnberg gewechselt. Nach 15 Monaten war die Mission bei den Franken schon wieder beendet. Die Partie heute, 13 Uhr, zwischen Nürnberg und Düsseldorf hat für ihn einen besonderen Stellenwert.
Herr Palikuca, am Samstag trifft der 1. FC Nürnberg auf Fortuna. Eine besondere Partie für Sie?
PALIKUCA Natürlich hat die Partie einen besonderen Charakter für mich. Da sind einige Erinnerungen mit im Spiel. Ich freue mich wirklich auf das Duell. Ich werde vor dem Fernseher sitzen und mir die Begegnung einigermaßen entspannt ansehen. Ich bin mir sicher, dass sowohl Nürnberg als auch Düsseldorf rechtzeitig die Kurve bekommen werden.
Warum tun sich viele Traditionsklubs in der 2. Liga so schwer?
PALIKUCA Das würde ich nicht nur auf Tradition beschränken. Aber es ist ein Aspekt. Erfolge in der Vergangenheit führen nicht automatisch zu Erfolg in der Gegenwart. Manchmal sogar im Gegenteil. Sie heizen die Erwartungshaltung zusätzlich an. Aber die allermeisten Teams tun sich in dieser Liga nicht leicht. Es ist enorm schwer etwas zu prognostizieren, weil alle eng beisammen sind.
Und was empfehlen Sie, um einigermaßen schadlos durchzukommen?
PALIKUCA Realistische Einschätzungen tätigen und keine Luftschlösser bauen. Im Idealfall versuchen, nicht in einen Negativ-Strudel zu kommen und kleine Gewinn-Serien spielen, um sich von den unteren Rängen fernzuhalten. So banal und einfach es auch klingen mag. Auch wenn es Verantwortliche manchmal anders verkaufen wollen, aber es geht natürlich nicht spurlos an einer Mannschaft und dem direkten Umfeld vorbei, wenn man über Wochen unter Dauerbeschuss steht.
Fortuna und Nürnberg haben derzeit mit denselben Problemen zu kämpfen. Wie optimistisch sind Sie, dass beiden der Umbruch gelingt?
PALIKUCA Absolut optimistisch. In Nürnberg ist der Umbruch ja schon eine Saison früher eingeleitet worden. So ein Umbruch braucht schon gute vier Transferperioden, also zwei Jahre, damit man seriös sehen kann, was sich verändert hat. Das Problem: so viel Zeit hat man nicht. Es ist also wichtig, dass man im ersten Saisondrittel so viele Punkte holt, damit man sich quasi noch Zeit erkaufen kann, um die Entwicklungen auch voranzutreiben.
Ein Schlüssel zum Erfolg soll Kontinuität sein. Für Sie war schon nach 15 Monaten als Sportvorstand in Nürnberg das Projekt wieder beendet. Sie die Verantwortlichen zu ungeduldig?
PALIKUCA Erfolgreiche Vereine leben von ihrer Kontinuität. Sie wissen, wie man mit Unruhen umgeht. Wenn du nicht bereit bist, auch mal einen Sturm auszuhalten, wirst du dir nichts aufbauen können.
Also Schuld waren die anderen?
PALIKUCA Nein, das wäre viel zu billig.
Was ist denn aus Ihrer Sicht schiefgelaufen?
PALIKUCA Es war ein Sammelsurium an Gründen. Dabei spreche ich mich nicht von Fehlern frei. Nach einer schlechten Vorrunde hatten wir nach der Winterpause mit ein paar erfolgreichen Spielen die Bodenbildung bekommen. Dann kam der erste Lockdown. Danach war es eine Kopie der Hinrunde. Das Problem hatten wir nicht exklusiv, das hat auch einige anderen Mannschaften getroffen. Bei uns stand aber am Ende der Schock-Moment Relegation. Und nach dem wir den Klassenerhalt zum Glück geschafft hatten, sind einige Dinge noch einmal überdacht worden. Dem muss man sich beugen und nicht nachkarten. Du weißt, worauf du dich in diesem Geschäft einlässt.
Was nehmen Sie aus der Zeit mit?
PALIKUCA Vor allem habe ich in den 15 Monaten unheimlich viel gelernt. Diese Zeit war überlagert mit den ungewöhnlichsten Ereignisse, die ich jetzt nicht noch einmal alle aufzählen möchte. Das alles hat mich unheimlich reifen lassen. Mit diesen
Erfahrungen würde ich heute Dinge auch anders machen.
Für viele kam Ihr Sprung als Manger-Lizenzmannschaft des Vereins auf den Posten eines Sportvorstands etwas überraschend
PALIKUCA Ich habe 13 Jahre bei Fortuna in verschiedenen Bereichen gearbeitet und bin dem Verein unendlich dankbar. Diese Vielfalt an Aufgaben ist für meine Zukunft sicher nicht von Nachteil. Aber es war damals an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen und die Chance zu nutzen, den berühmten nächsten Schritt zu gehen.
Wie geht es nun für Sie weiter?
PALIKUCA Ich habe die Zeit genutzt und viele Dinge aufgearbeitet. Ich habe auch einfach mal wieder Zeit mit meine Familie verbracht, ein paar Ecken in unserem Haus in Meerbusch renoviert und bin mal wieder laufen gegangen. So ganz profane Dinge, zu denen du im Job einfach nicht kommst. Zwischendurch habe ich bei einigen Klubs hospitiert und will auch noch ein paar Projekte in Portugal, Belgien, Kroatien, Österreich und England kennenlernen. Mich interessieren vor allem herausragende Jugendkonzepte. Seien wir doch ehrlich: fast jeder Klub behauptet, er sei da gut aufgestellt und nur bei den allerwenigsten stimmt das in der Praxis. Was ist die richtige Formel, um in dem Bereich perfekt aufgestellt zu sein? Ich will es rausbekommen.
Welche Erwartungen haben Sie an 2021?
PALIKUCA Es sind keine Erwartungen, mehr Wünsche. An erster Stelle muss die Welt die Corona-Pandemie in den Griff bekommen. Unsere Gesellschaft wird vielleicht nicht mehr die gleiche sein wie noch 2019. Aber es wird hoffentlich wieder Schritt für Schritt so etwas wie Normalität geben. Was das Spiel angeht: ich hoffe, dass einige die Mahnung begriffen haben und das Wettrüsten aufhört. Es ist am Ende auch nur Fußball.
Werden Sie auch an sich selbst arbeiten? Sie wirkten bei öffentlichen Auftritten in Nürnberg mitunter etwas schroff, unnahbar. Fehlende Nähe kann auch zu fehlender Akzeptanz führen.
PALIKUCA In meinem engen Umfeld haben mir einige die Rückmeldung gegeben, dass ich im Fernsehen nicht so rübergekommen bin, wie ich eigentlich bin. Offensichtlich bin ich unterbewusst ein schlechter Schauspieler und habe mich verstellt, obwohl ich das gar nicht wollte. Ich wollte nie das Dauergrinsen anfangen, nur weil eine Kamera auf mich gerichtet ist. Das wäre nicht authentisch. Aber sicherlich wäre es besser gewesen, sich an einigen Stellen anders zu präsentieren. Ich bin ein unheimlich emotionaler Typ und Fußball nehme ich schon sehr ernst. Aber meine Erfahrungen werden mir sicher helfen, auch diesen Bereich zu reflektieren. Ich habe mir jedenfalls fest vorgenommen, mehr zu lächeln. Über allem steht aber ehrliche Arbeit.