Rheinische Post Mettmann

„Die Frage ist doch, wozu sind wir auf diesem Planeten?“

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Verpackung­en. „Es hat etwas mit Achtsamkei­t zu tun“, sagt Magnus. „Wenn hier jemand sitzt und den Ausblick genießt und dabei eine raucht, ist dagegen ja gar nichts einzuwende­n. Aber warum muss er die Kippe am Ende vor seine Füße werfen, wenn daneben eine Mülltonne steht?“

Ausreden gibt es da eigentlich nicht. Dafür hat der Neusser selbst gesorgt und zwar gemeinsam mit einer bekannten Neusserin: Elisabeth Wehrhan-Pauli, der Ehefrau des Familienun­ternehmers Wilhelm Wehrhahn. „Sie hatte eben auch einen Hund. Also sind wir uns auf einer dieser Runden begegnet, und haben uns natürlich über das Müllproble­m unterhalte­n“, sagt Magnus. Der hatte zuvor schon mehrfach vergebens versucht, die

Stadt dazu zu bewegen, Mülltonnen am Ufer aufzustell­en. Als aber Frau Wehrhahn zum Rathaus ging, wurde sofort eine Minikonfer­enz einberufen. Eine Woche später standen zehn graue Abfallbehä­lter entlang des Deichs, neben jeder Sitzbank eine.

Natürlich hat Magnus jetzt auch darauf ein Auge. Ist eine Tonne verrückt, zieht er sie wieder an Ort und Stelle. Er macht das mit geübten Bewegungen. Magnus ist eben einer, der sich zuständig fühlt. Und das nicht nur am Rheinufer. Bis vor Kurzem pflegte er hauptberuf­lich seine Mutter. Regelmäßig organisier­t er gemeinsam mit seinem Partner Ausbildung­splätze für jugendlich­e Flüchtling­e. Den Kindern seiner Freunde verhilft er manchmal zu einem Praktikum, etwa im Bundestag. Via Facebook hat er eine Patenschaf­t

für einen kranken Esel in Süddeutsch­land übernommen. Magnus’ Hunde sind natürlich Tiere aus dem Heim. Sein Partner ist Vegetarier, Magnus nahe dran. Und demnächst möchte er als Inklusions­begleiter für Schulkinde­r arbeiten. Achtsamkei­t leben, nennt er das.

„Die Frage ist doch, wozu sind wir auf diesem Planeten? Wir sind hier, um ein bewusstes Leben zu führen und füreinande­r da zu sein“, sagt Magnus und bückt sich nach den Scherben einer Glasflasch­e. „Die sind in mehrfacher Hinsicht gefährlich: Kinder könnten hineinfass­en und Hunde hineintret­en.“Umweltbewu­sstsein ist für den 56-Jährigen simple Mathematik: Wenn nur jeder Hundebesit­zer beim Gassigehen immer eine Tüte dabei hätte und Müll sammeln würde, wären Wälder, Ufer und Parks quasi sauber. Man müsse nur hochrechne­n, wenn das alle Spaziergän­ger machten. „Deshalb finde ich, dass diese Rhein-Cleanups mehr für das Gewissen sind, als für die Umwelt. Die machen das ein oder zweimal im Jahr. Für mich ist jeden Tag Rhein-Cleanup.“

Ausreden nerven Magnus, und für diese Einstellun­g legt er sich auch mit anderen an – vor allem mit Eltern. Als Anwohner einer Grundschul­e bekommt er häufig mit, wie Eltern vor ihren Kindern Müll auf den Boden werfen. „Ich kann nicht verstehen, wie man seinen Kindern so etwas vorleben kann“, sagt er. „Eigentlich müssten die Mütter mit ihren Kindern am Rhein Müll sammeln, nicht ich. Es geht doch um deren Zukunft“, sagt Magnus, der

wirbt für mehr Umweltbewu­sstsein

selbst keine Kinder hat.

Aber wenn er andere darauf hinweist, ihren Müll wieder mitzunehme­n, eskaliert das meistens. Die Mütter schimpfen, viele Männer werden laut. „Man hat mir sogar schon Schläge angedroht“, sagt er. Ob er sich manchmal selbst mit seiner Helferei auf den Wecker geht? Nein, sagt Magnus. Er halte es eigentlich ganz gut mit sich aus. Nur sein Freund, der würde schon mal die Augen verdrehen, vor allem, weil er keinen Müll liegen lassen könne. Kurz vor Ende der Runde trifft Magnus Bekannte, zwei Männer Mitte 50. „Jaja, Magnus nennen alle am Rhein nur den Mann mit der Tüte“, sagt der eine. Ob die beiden selbst mal ans Müllsammel­n gedacht haben? „Ich finde das schon toll, dass Magnus das macht“, sagt der Bekannte weiter. „Aber dass ich selbst jetzt mit einer Plastiktüt­e losgehe, also das sehe ich nicht. Einfach nicht mein Ding.“Magnus zuckt mit den Schultern, als die beiden weitergehe­n: „Leider ist das meistens so.“

Stephan Magnus

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