Was die ersten Tage über Keller zeigen
Der neue Stadtchef neigt nicht zu Reden ins Ungefähre, kann autoritär werden – und hat ein Versäumnis begangen.
Es war abzusehen, dass Stephan Keller (CDU) kein sanfter Start gegönnt sein würde. Aber diese erste Woche im Büro 01 war schon denkwürdig: ein Eingriff ins öffentliche Leben von durchaus historischem Ausmaß, dramatische Zahlen zu den Stadtfinanzen, eine überlange Ratssitzung – und das alles im beginnenden Lockdown.
Kellers Auftritte in diesen turbulenten Anfangstagen geben erste Hinweise darauf, wie er das Amt führen wird. Und auch dazu, wo es bislang hakt.
Die erste Ratssitzung am Donnerstag lag schon am vierten Tag nach seinem Antritt. Das hat Keller sich nicht ausgesucht – es war ihm aber kaum anzumerken. In der Welt der Anfragen, Vorlagen und Geschäftsordnungen ist der langjährige Verwaltungsbeamte zu Hause. Gut vorbereitet, souverän und schnörkelloser als der Vorgänger führte er durch die Sitzung. Keller widerstand dabei der Versuchung, die Einbringung des Haushalts schon zu seiner ersten Grundsatzrede zu nutzen. Dieses Recht hätte ihm zugestanden. Aber Reden ins Ungefähre dürften Kellers Sache nicht werden. Er wolle sich erst in die Zahlenberge einarbeiten, erklärte er – und beließ es bei guten Wünschen für die Zusammenarbeit.
An einer Stelle der Sitzung zeigte er einen Zug, den man auch in seiner Zeit als Beigeordneter bisweilen beobachten konnte: Wenn er will, kann der ehemalige Richter
und Ordnungsdezernent ganz schön autoritär werden.
Das bekam Ratsfrau Claudia Krüger ( Tierschutz hier!) zu spüren, die mit ihrem Vertrauten Torsten Lemmer (Freie Wähler) die Sitzung durch Spielchen in die Länge zog – obwohl sich alle anderen wegen des Coronaschutzes geeinigt hatten, sich aufs Nötigste zu beschränken. Krüger wollte irgendeine Anfrage aus der Geisel-Zeit plötzlich noch beantwortet haben. Keller wies dieses Ansinnen mit ernster Miene und einer derartigen Entschlossenheit ab, dass man meinte, die Ratsleute zusammenzucken zu sehen. Der neue OB mag eine Integrationsfigur sein wollen, er hat aber auch keine Scheu, mit einiger Strenge zu führen – spannend, wie sich seine Persönlichkeit im Amt entwickeln wird.
Das große Versäumnis der ersten Woche war Keller bereits am Dienstag unterlaufen. Am späten Nachmittag versendete die Stadt eine E-Mail mit weitreichendem Inhalt: Ab dem Folgetag galt Maskenpflicht nahezu im gesamten Stadtgebiet. Die Entscheidung hatte Keller am Morgen gemeinsam mit den Kollegen aus dem Verwaltungsvorstand gefällt.
Nun haben sich auch die Düsseldorfer längst daran gewöhnt, dass der Mund-Nasen-Schutz zum Alltag gehört. Angesichts der fortschreitenden Pandemie, die in dieser Woche den kritischen Wert einer Sieben-Tage-Inzidenz von 200 überstieg, ist die erneute Verschärfung begründbar. Es handelt sich aber trotzdem um einen großen Eingriff in das Leben von mehr als 640.000 Menschen, wenn plötzlich zwischen Wittlaer und Hellerhof Maskenpflicht gilt.
An dieser Stelle hätte sich der neue Stadtchef persönlich an die Bürger wenden müssen. Bei einer Entscheidung dieser Tragweite ist der Oberbürgermeister als Kommunikator gefragt – selbst in Corona-Zeiten. Eine Online-Pressekonferenz, ein Video, wenigstens eine persönliche Mitteilung. Dass viel Protest und Unverständnis folgte, lag auch daran, dass die Stadt und ihr Hauptverwaltungsbeamter sich zu wenig erklärt hatten.
Eine Ursache für dieses Schweigen aus dem Rathaus könnte in einer Meldung liegen, die in der Nachrichtenflut fast unterging: Keller hat direkt nach seinem Antritt den Kommunikationschef kaltgestellt. Der Schritt war erwartet worden, denn der erst im Frühjahr gestartete Marc Herriger galt als Vertrauter von Thomas Geisel. Der neue OB hat sein eigenes Team noch nicht zusammen, und vermutlich hat er noch nicht einmal Zeit gehabt, die Kisten auszuräumen. Die Corona-Zahlen lassen nicht vermuten, dass die nächsten Wochen sanfter werden.