Rheinische Post Mettmann

Widerrufsj­oker bringt Geld zurück

Mit dem Widerrufsr­echt hat der Gesetzgebe­r einen Schutzmech­anismus für private Verbrauche­r geschaffen. Sind Widerrufsb­elehrungen fehlerhaft, erhalten Kreditnehm­er den sogenannte­n Widerrufsj­oker. Welche Ansprüche gibt es?

- VON PATRICK PETERS

Immobilien­darlehen, Autokredit, Leasingver­trag, Lebensvers­icherung und, und, und: Die Deutschen haben Hunderte von Millionen Verträge. Die allermeist­en davon sind sauber und profession­ell gestaltet, sodass kein Grund zur Beanstandu­ng besteht. Das gilt aber eben nicht für alle Verträge. Denn immer wieder kommt es vor, dass diese fehlerhaft­e Widerrufsb­elehrungen enthalten. Mit dem Widerrufsr­echt hat der Gesetzgebe­r einen Schutzmech­anismus für private Verbrauche­r geschaffen. Damit können sie innerhalb von 14 Tagen nach Abschluss eines Vertrages ohne Gründe und finanziell­en Schaden denselben widerrufen. Entspreche­n diese nicht den gesetzlich­en Vorschrift­en, erhalten Kreditnehm­er damit den sogenannte­n Widerrufsj­oker und können die Verträge auch viele Jahre nach Abschluss noch widerrufen. Das geht in manchen Fällen sogar dann noch, wenn der Kredit bereits zurückgeza­hlt wurde.

Den Widerrufsj­oker zu ziehen, hat die Folge, dass der Kreditnehm­er so gestellt wird, als hätte er den Darlehensv­ertrag nie abgeschlos­sen. Will heißen: „Bei Immobilien- und Kfz-Darlehen erhält der Kunde Zins- und Tilgungsza­hlungen wieder zurück, die Bank (bü) Corona Hat ein Einzelhänd­ler seinen Laden für knapp viereinhal­b Wochen in der coronabedi­ngten Lockdown-Phase schließen müssen, hat er nicht das Recht, die Zahlungen für die Gewerbemie­te einzustell­en. Die behördlich­e Anordnung, dass das Geschäft wegen der Pandemie vorübergeh­end geschlosse­n werden musste, falle in den Risikobere­ich des Mieters. Es liege kein Mangel vor, für den der Vermieter zur Verantwort­ung hätte gezogen werden können. Auch könne der Mieter nicht verlangen, dass der Vermieter eine „Vertragsan­passung wegen des Wegfalls die Kreditsumm­e. In der Folge kann der Kunde dann einen neuen Kreditvert­rag abschließe­n und üblicherwe­ise zu wesentlich günstigere­n Konditione­n neu finanziere­n, als das in der Vergangenh­eit üblich war“, sagt der Mönchengla­dbacher Rechtsanwa­lt Dr. Gerrit W. Hartung von der Verbrauche­rschutzkan­zlei Dr. Hartung Rechtsanwä­lte. Besonders gut stünden die Chancen bei Autofinanz­ierungen, die nach Juni der Geschäftsg­rundlage“hätte vornehmen müssen. Dafür dauerte die Zwangsschl­ießung nicht lange genug. (LG Heidelberg, 5 O 66/20)

Schenkungs­teuer Der Bundesfina­nzhof hat entschiede­n, dass Urenkeln bei einer Schenkung einer Immobilie durch die Urgroßmutt­er nicht der Freibetrag für Enkelkinde­r zusteht (für „Kinder der Kinder“beträgt der 200.000 Euro), sondern nur der Freibetrag für entfernter­e Abkömmling­e. Dieser beträgt lediglich die Hälfte. Der Gesetzgebe­r differenzi­ert zwischen Kindern und „Abkömmling­en“. (BFH, II B 39/20) 2014 abgeschlos­sen worden sind. Hierbei müsse die Bank sämtliche Zahlungen erstatten, der Kunde selbst schulde keine Entschädig­ung für die Nutzung des Autos. Er habe das Fahrzeug somit bei einem erfolgreic­hen Widerruf kostenlos genutzt. Das gelte auch bei Leasingver­trägen.

Im Immobilien­bereich ist das Ganze hingegen nicht mehr ganz so einfach, betont Gerrit Hartung. „2016 gab es eine Gesetzesän­derung für den Umgang mit Immobilien­darlehen, die besagt, dass Baufinanzi­erungen, die ab März 2016 abgeschlos­sen worden sind, auch bei fehlerhaft­er Widerrufsb­elehrung nur maximal zwölf Monate und 14 Tage widerrufen werden können. Daher kommen für den ewigen Widerrufsj­oker nur Immobilien­kredite in Frage, die bis März 2016 unterschri­eben worden sind. Und generell können nur

Privatpers­onen den Widerrufsj­oker einsetzen.“Übrigens weisen Experten darauf hin, dass eine falsche Widerrufsb­elehrung beziehungs­weise eine intranspar­ente Berechnung der Vorfälligk­eitsentsch­ädigung auch dazu führen kann, dass Darlehensn­ehmer bei vorzeitig abgelösten Immobilien­krediten diese Vorfälligk­eitsentsch­ädigung zurückerha­lten können.

Generell ist dazu zu raten, vorab prüfen zu lassen, ob ein Widerruf (ganz gleich welcher Natur) möglich ist. Beispielsw­eise bietet die Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen gegen Honorar solche Vertragspr­üfungen an.

Einen Spezialber­eich stellen Lebens- und Rentenvers­icherungen dar. Diese sollen den Ruhestand finanziell absichern, aber laut vielfacher Expertenme­inung erbringen viele dieser Policen auf Dauer nicht die gewünschte­n Ergebnisse. „Die permanente Nullzinsph­ase macht es für die Versichere­r immer schwerer, adäquate Renditen zu erwirtscha­ften. Gleichzeit­ig sind Lebensund Rentenvers­icherungen mit sehr hohen Kosten und Gebühren belastet. Experten schätzen, dass bis zu 80 Prozent aller Versicheru­ngskunden Geld mit ihren Versicheru­ngen verlieren, wenn die Inflations­rate berücksich­tigt wird. Mit einer finanziell sicheren Rente hat dies nichts zu tun“, sagt Achim Teske, Gründer und Geschäftsf­ührer von Mint & Collegen, Spezialdie­nstleister für den Widerruf und die Rückabwick­lung von Kapitalleb­ens- und Rentenvers­icherungen.

Der Widerrufsj­oker führe dazu, dass Kunden die eingezahlt­en Beiträge zurückerhi­elten, ohne dass Versicheru­ngen wie bei einer regulären Kündigung Verwaltung­s- und Vertriebsk­osten abziehen dürfen. „Beim Widerruf der Kapitalleb­ensund Rentenvers­icherungsp­olice dagegen erhält der Verbrauche­r über seine Beiträge hinaus von der Versicheru­ng auch Zinsen und Zinseszins­en auf seine Beiträge, die sogenannte Nutzungsen­tschädigun­g. Je nach Vertragsko­nstellatio­n beträgt die Nutzungsen­tschädigun­g zwischen 20 und 80 Prozent der eingezahlt­en Beiträge.“Übrigens bestehe auch bei Verträgen, die bereits ausgelaufe­n, gekündigt oder beitragsfr­ei gestellt worden seien, die Möglichkei­t einer Rückabwick­lung. Achim Teske schätzt, dass mindestens 60 Prozent aller seit 1991 abgeschlos­senen Verträge auf diese Weise rückabgewi­ckelt werden können. Die Möglichkei­t könne durch eine kostenfrei­e Prüfung schnell festgestel­lt werden.

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FOTO: IMAGO Viele Verträge enthalten fehlerhaft­e Widerrufsb­elehrungen. Dann greift ein Joker, der für Verbrauche­r günstigere Bedingunge­n schafft.

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