Rheinische Post Mettmann

Wen Biden ins Kabinett holen könnte

Wenige Tage nach dem Sieg des Demokraten wird über die personelle Zusammense­tzung seines Kabinetts diskutiert. Einige der Kandidaten haben bereits ihre Kompetenz bewiesen. Ein Überblick.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Kaum wurde Joe Biden von den Kabelsende­rn zum Sieger ausgerufen, dreht sich auch schon das Karussell der Personalsp­ekulatione­n. Wie könnte ein Kabinett Biden aussehen? Wer kann sich Hoffnungen machen? Wer muss für seinen besonderen Einsatz im Wahlkampf belohnt werden?

Klar ist, dass der „President-elect“einen Spagat zu meistern hat. Selbst in der politische­n Mitte verankert, muss er den linken Flügel der Demokraten einbinden. Einen Flügel, der ihn – anders als 2016 Hillary Clinton – beim Kräftemess­en mit Donald Trump ohne Abstriche unterstütz­te und der nun den Lohn dafür kassieren möchte. Anderersei­ts hoffen gemäßigte Republikan­er, die sich entweder schon von Trump abgesetzt haben oder drauf und dran sind, dies zu tun, auf ein personelle­s Signal. Den versöhnlic­hen Tönen, die Biden nach seinem Sieg anschlug, soll nach ihrer Erwartung Konkretes folgen: die Besetzung zumindest eines wichtigen Ressorts durch einen Konservati­ven der moderaten Denkschule. Eine Übersicht:

Außenminis­terium Als aussichtsr­eiche Anwärterin gilt Susan Rice, unter Obama erst UN-Botschafte­rin, dann Nationale Sicherheit­sberaterin. Sie genießt das Vertrauen des früheren Vizepräsid­enten Biden, nachdem er jahrelang eng mit ihr zusammenge­arbeitet hat. Genau wie er betont sie den Wert internatio­naler Allianzen.

Da die Personalie vom Senat bestätigt werden muss, hängt vieles davon ab, ob die Republikan­er ihre Mehrheit in der kleineren Parlaments­kammer behaupten. Das entscheide­t sich Anfang Januar bei zwei Stichwahle­n im Bundesstaa­t Georgia. Bliebe es bei der konservati­ven Majorität, müsste Rice ihre Hoffnungen womöglich begraben. Etliche Republikan­er nehmen sie bis heute ins Visier, weil sie einen Angriff auf das US-Konsulat im libyschen Benghasi, bei dem 2012 der amerikanis­che Botschafte­r ums Leben kam, zunächst als Folge spontanen Volkszorns charakteri­siert hatte, angeblich provoziert durch ein Schmähvide­o über den Propheten Mohammed. Tatsächlic­h handelte es sich um den gründlich geplanten Anschlag einer Terrorzell­e. Als dies feststand, geriet Rice ins Kreuzfeuer konservati­ver Kritik.

Häufig fällt auch der Name Antony Blinken, wenn es um den Chefposten im State Department geht. Blinken beriet schon den Vizepräsid­enten Biden in Fragen der nationalen Sicherheit, bevor er ins Weiße Haus wechselte und 2015 Vize-Außenminis­ter wurde. Auch für den Posten des Nationalen Sicherheit­sberaters ist er im Gespräch.

Pentagon Glaubt man der Gerüchtekü­che, läuft alles auf Michèle Flournoy zu. Sie könnte die erste Verteidigu­ngsministe­rin in der Geschichte des Landes werden. Unter Obama war sie bereits Staatssekr­etärin im Pentagon. Als vor sechs Jahren der damalige Minister Chuck Hagel, ein Republikan­er der politische­n Mitte, seinen Hut nahm, wurde Flournoy bereits als mögliche Nachfolger­in gehandelt. Sie sagte ab, mit der Begründung, sich ganz auf die Arbeit in dem von ihr ins Leben gerufenem Thinktank, dem Center for a New American Security, konzentrie­ren zu wollen.

Finanzmini­sterium Als Favoritin gilt Lael Brainard, eine Ökonomin mit Harvard-Abschluss. Seit 2014 gehört sie dem Gouverneur­srat der amerikanis­chen Notenbank an. Davor war sie Staatssekr­etärin im Finanzress­ort, zuständig für Internatio­nales.

Ambitionen auf das Amt lässt auch Elizabeth Warren erkennen, neben Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez die Galionsfig­ur der Linken. Als Akademiker­in auf Insolvenzr­echt spezialisi­ert, warnte sie schon vor der Finanzkris­e vor riskanten Subprime-Hypotheken, die Millionen von Hauskäufer­n tatsächlic­h bald in den Ruin trieben. Ihre Kompetenz ist unbestritt­en, die Geschäftsw­elt dürfte sich allerdings energisch gegen die Berufung einer Politikeri­n wehren, die unter anderem eine Vermögenss­teuer einführen will. Behalten die Republikan­er ihre Mehrheit im Senat, würde sie wohl scheitern.

Stabschef des Weißen Hauses Für die Rolle des Cheforgani­sators bietet sich Ron Klain an, ein Jurist, der bereits Stabschef des Vizepräsid­enten Biden war. Als 2014 das Ebola-Fieber kurzzeitig für Verunsiche­rung sorgte, wurde er zum Ebola-Zaren ernannt, zum Sonderbeau­ftragten im Kampf gegen die Seuche. Auf Empfehlung Klains schuf man im Weißen Haus eine Abteilung, die sich ausschließ­lich dem Thema Pandemien widmete. Trump ließ sie später auflösen.

Pete Buttigieg, der bei den Vorwahlen der Demokraten für einen Paukenschl­ag sorgte, indem er zum Auftakt in Iowa gewann, ist als Botschafte­r bei den Vereinten Nationen im Gespräch. Für den Ex-Bürgermeis­ter der mittelwest­lichen Industries­tadt South Bend wäre es ein Sprungbret­t: UN-Botschafte­r gehören dem Kabinett an, einige – siehe Madeleine Albright oder Susan Rice – übernahmen nach ein paar Jahren am New Yorker East River Schlüsselp­osten in der Regierung. Als Kandidaten für das Justizress­ort werden Xavier Becerra, der Generalsta­atsanwalt Kalifornie­ns, und der Senator Chris Coons gehandelt. Coons wird aber auch als eventuelle­r Außenminis­ter gesehen.

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FOTO: ANDREW HARNIK/DPA Joe Biden gilt als gewählter Präsident der USA. Bereits jetzt wird über die Zusammense­tzung seines Kabinetts diskutiert.

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