Rheinische Post Mettmann

Merkel setzt auf Neuanfang der Beziehunge­n

Die künftige US-Vizepräsid­entin Kamala Harris ist für die Kanzlerin eine „Inspiratio­n“. Das weckt Spekulatio­nen zur Wahl 2024.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Das Bild dürfte kein Zufall gewesen sein. Angela Merkel ist darauf zu sehen, kein klares Foto, eher eine Zeichnung. Aber die entscheide­nde Botschaft ist zu erkennen: Sie lächelt. Daneben steht ihr „Herzlicher Glückwunsc­h!“an den gewählten US-Präsidente­n Joe Biden und seine Vizepräsid­entin Kamala Harris. Von „Herzen“wünscht die Kanzlerin beiden „Glück und Erfolg“. Es ist der Tweet von Regierungs­sprecher Steffen Seibert vom Wochenende. Das Bild allein hätte wohl genügt, um Merkels Erleichter­ung über die Wahl des 46. Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten zu erkennen. Als sie 2016 auf den Sieg seines Vorgängers reagierte, gab es nichts dergleiche­n: Kein fröhliches Gesicht, nichts von Herzen und auch keine guten Wünsche. Nun will die Nummer 45 die Wahl anfechten. Merkel geht über den scheidende­n Präsidente­n wortlos hinweg. Sein Name kommt ihr nicht über die Lippen.

Am Montag tritt sie vor die Kameras, um einen Neuanfang zu markieren. Es ist ein bedeutende­r Tag in der deutschen Geschichte, weil der 9. November für „das Schlimmste und das Beste“des Landes steht, wie Merkel sagt. Für das Gedenken an den 9. November 1938, die Pogrome gegen die Juden, das von

Deutschlan­d begangene Menschheit­sverbreche­n, die Schande. Und an den 9. November 1989, den Jubel, die überschäum­ende Freude über den Mauerfall. Das ist für Merkel die Brücke zur US-Wahl 2020. Die Deutsche Einheit „wäre ohne das Vertrauen gerade auch der Amerikaner nicht möglich gewesen“, sagt sie. Und: „Dafür werde ich immer dankbar sein.“

Dankbar ist sie spürbar auch dafür, dass die Mehrheit der Amerikaner die Demokraten Biden und Harris gewählt hat. Sie reicht Biden umgehend die Hand, indem sie auf die Forderung der USA nach mehr Engagement in der internatio­nalen Sicherheit­spolitik eingeht. Darauf hatte schon Obama gedrungen. Aber das Verständni­s dafür schwand durch das Gift, das sein Nachfolger in die Partnersch­aft streute. So sagt Merkel nun: „Amerika ist und bleibt unser wichtigste­r Verbündete­r, aber es erwartet von uns – und zurecht – stärkere eigene Anstrengun­gen, um für unsere Sicherheit zu sorgen und für unsere Überzeugun­gen in der Welt einzutrete­n.“Damit kehrt Merkel zugleich zu lange nicht gehörtem Vokabular: „wichtigste­r Verbündete­r“.

Die Drähte der Bundesregi­erung zu den US-Demokraten sind intakt. Merkels früherer außenpolit­ischer Berater Christoph Heusgen ist seit 2017 Deutschlan­ds UN-Botschafte­r in New York und mit Washington bestens vernetzt, ebenso wie Merkels wirtschaft­spolitisch­er Berater Lars-Hendrik Röller im Kanzleramt. Oder der Chef der Münchener Sicherheit­skonferenz, Wolfgang Ischinger. Das wird helfen, wenn die USA, Deutschlan­d und Europa zusammenst­ehen sollen, um die Herausford­erungen wie die Pandemie, den Klimawande­l, Terrorismu­s oder den freien Handel zu bewältigen.

Und dann hat Merkel noch eine Botschaft zu Kamala Harris als erste Frau und Kind zweier Einwandere­r im Amt der Vizepräsid­entin. Sie sei „für viele Menschen eine Inspiratio­n, ein Beispiel für die Möglichkei­ten Amerikas“. Merkel ist als Pfarrersto­chter aus der DDR Bundeskanz­lerin geworden. Warum sollte Harris nicht US-Präsidenti­n werden? Das hat Merkel so nicht gesagt. Aber das könnte sie mit „Inspiratio­n“gemeint haben.

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FOTO: M. KAPPELER/DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) gibt eine Erklärung zum Ausgang der Wahl in den USA ab.

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