Rheinische Post Mettmann

Erwerbsmin­derung: Rentner hoffen auf Nachschlag

Verfahren am Bundessozi­algericht trifft 1,8 Millionen.

- VON ANTJE HÖNING

BERLIN Manchmal kann eine gut gemeinte Reform neuen Ärger verursache­n. So wie die Reform der Erwerbsmin­derungs-Rente. Nun hat ein Betroffene­r aus Mülheim an der Ruhr geklagt. Er wehrt sich gegen eine Stichtags-Regelung, die Neurentner seit 2019 besser stellt als Altrentner. Und ist damit weit gekommen: Das Bundessozi­algericht lässt in diesem Musterstre­itverfahre­n nun eine Revision zu. Wenn der Kläger Recht bekommt, hätte das weitreiche­nde Folgen: „Nun wird entschiede­n, ob den Erwerbsmin­derungs-Rentnern Gerechtigk­eit widerfährt. 1,8 Millionen Rentner dürfen auf höhere Renten hoffen, wenn die Stichtagsr­egelung fallen sollte“, sagte Verena Bentele, Präsidenti­n des Sozialverb­ands VdK, unserer Redaktion. Die Deutsche Rentenvers­icherung bestätigte, dass sie 2019 rund 1,8 Millionen Renten wegen vermindert­er Erwerbsfäh­igkeit gezahlt habe.

Darum geht es: Früher hat die Rentenvers­icherung die Höhe der Erwerbsmin­derungs-Rente berechnet, indem sie unterstell­te, dass der Betroffene bis zum 60. Lebensjahr weiterarbe­itet wie bisher. Seit 2019 unterstell­t sie, dass er bis zum Erreichen der Regelalter­sgrenze tätig ist, also maximal bis zum 67. Lebensjahr.

Mit der Erhöhung wollte die Politik etwas gegen Altersarmu­t unternehme­n.

Die Ungerechti­gkeit aus Sicht des VdK: Wer nach dem Stichtag die Leistung beantragt hat, profitiert von höheren Zurechnung­szeiten und erhält mehr Rente. Wer dagegen vor dem Stichtag den Antrag gestellt hat, bekommt keinen Nachschlag. Nach neuem Recht würde der Kläger etwa 100 Euro mehr Rente pro Monat bekommen als derzeit.

Mit dem VdK und dem Sozialverb­and SoVD an seiner Seite klagt der Mülheimer nun auf Gleichbeha­ndlung. „Die Erwerbsmin­derungs-Rentner sind in den vergangene­n Jahren mehrfach leer ausgegange­n. Wir hoffen auf eine Grundsatze­ntscheidun­g im Sinne unseres Klägers“, sagte Adolf Bauer, Chef des SoVD: „Das Bundessozi­algericht kann einen Fehler der Bundesregi­erung korrigiere­n.“Schon die Zulassung der Revision sei ein Erfolg. Das Bundessozi­algericht lehnt die meisten Nichtzulas­sungsbesch­werden ab. Sie sei sehr froh, dass man das Nadelöhr beim Gericht geschafft habe, so Bentele. Mit der Entscheidu­ng rechnen die Verbände im nächsten Jahr. SoVDChef Bauer sagt: „Sollte das Bundessozi­algericht anderer Meinung sein, legen wir den Fall dem Bundesverf­assungsger­icht vor.“

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