Rheinische Post Mettmann

In 70 Tagen um die Welt

In Frankreich ist das härteste Rennen der Segelszene angelaufen. Bei der Vendée Globe ist in Boris Herrmann erstmals ein Deutscher dabei.

- VON TATJANA POKORNY

LES SABLES-D’OLONNE (dpa) Es ist genauso verrückt wie atemberaub­end: Am Sonntag startete Boris Herrmann in seine erste Solo-Weltumsegl­ung. Der Wahl-Hamburger ist einer von 18 Neuen in der Rekordflot­te der 33 Boote aus acht Ländern. 27 Männer und sechs Frauen stellen sich den Herausford­erungen der neunten Auflage der Vendée Globe. Die Besten erwartet ein 70-Tage-Ritt durch brutale Stürme, Flauten, haushohe Wellen und eisige Temperatur­en. Die Regeln für das Rennen, das wegen Nebels am

Weniger als 100 haben die Welt alleine und nonstop umsegelt, ich will einer sein“

Boris Herrmann

Segler

Sonntag am Start- und Zielhafen Les Sables-d’Olonne etwas verspätet startete, sind so einfach wie brutal: ein Mensch, ein Boot, einmal um die Welt, keine Zwischenst­opps, keine Hilfe von außen.

Warum der Vater einer viereinhal­b Monate alten Tochter das Abenteuer sucht, beschreibt Herrmann am liebsten mit einem Vergleich: „Rund 8000 Menschen haben den Mount Everest bezwungen. Etwa 500 waren im All. Aber weniger als 100 haben die Welt alleine und nonstop umsegelt. Ich will einer von ihnen sein.“

Der studierte Wirtschaft­swissensch­aftler hat einen langen Anlauf zur Regatta seines Lebens genommen, scheiterte zuvor mehrmals am Versuch, als erster deutscher Skipper dabei zu sein. „Ich hatte Rückschläg­e wegzusteck­en“, erzählte der 39-Jährige, „jetzt bin ich stolz, es an die Startlinie geschafft zu haben. Ich bin bereit.“

Boris Herrmann weiß, worauf er sich einlässt: Mit Teams hat er die Welt schon dreimal umsegelt, kennt das Südpolarme­er und andere Klippen des 24.296 Seemeilen (44.996 Kilometer) langen Kurses entlang der drei berühmt-berüchtigt­en

Landmarken: Kap der Guten Hoffnung, Kap Leuwin und Kap Hoorn.

Mit Familienhu­nd Lilly hat sich Hermann eine Woche vor dem Start zurückgezo­gen. Die Wohnung in Les Sables-d‘Olonne im Départemen­t Vendée, nach dem das Rennen benannt ist, hat Ausblick auf die Atlantikwe­llen. „Lilly hat mich beruhigt“, sagte Herrmann, der auf die mitfiebern­de Familie im 1150 Kilometer entfernten Hamburg verzichten muss. Eigentlich war alles erledigt. Aber: Die letzte verblieben­e Sorge, beim finalen Corona-Test positiv aufzufalle­n und für das Rennen gesperrt zu werden, die teilte er mit allen Startern. Doch es ging gut.

Gesegelt wird auf rund 18 Meter langen Hightech-Yachten der Imoca-Klasse. Herrmanns „Seaexplore­r – Yacht Club de Monaco“ist eines von 19 Booten der jüngeren Foil-Generation, die mit Tragfläche­n ausgestatt­et sind. Sie verwandeln die Yachten geradezu in Flugmaschi­nen mit Spitzenges­chwindigke­iten von bis zu 40 Knoten (74 km/h), die von Autopilote­n gesteuert werden. Die Skipper arbeiten als Navigatore­n in bewegliche­n und gepolstert­en Pilotensit­zen unter Deck. Sie ernähren sich von gefrierget­rockneter Nahrung aus Tüten und schlafen nur drei, vier Stunden pro Tag.

Das Rennen gilt mit einer Ausfallquo­te

Entstehung Von Segler Philippe Jeantot 1989 ins Leben gerufen. Seit 1992 findet sie alle vier Jahre statt.

Format Non-Stop-Regatta für Einhandseg­ler.

Kurs Start und Ziel ist immer im November in Les Sables-d’Olonne im Distrikt Vendée in Frankreich. Die Regatta führt 24.000 Seemeilen entlang des Südpolarme­eres rund um die Welt.

Regeln Die Segler dürfen nicht an Land gehen und keine fremde Hilfe bekommen. Sie müssen das Kap der Guten Hoffnung, Kap Leeuwin und Kap Hoorn jeweils an Backbord sowie die Antarktis an Steuerbord lassen.

von rund 50 Prozent als „Demolition Derby“(Abbruch-Derby). Drei Todesopfer gab es in der 31-jährigen Geschichte des Rennens zu beklagen. Herrmann ist dennoch optimistis­ch: „Ich vertraue meinem Boot. Es ist so sicher, wie es nur sein könnte.“Ehefrau Birte Lorenzen-Herrmann sagte: „Ich sorge mich nicht um Boris, wenn er auf dem Boot ist. Er weiß, was er tut.“Oberste Priorität hat für Herrmann bei der Premiere das Ankommen. Ohne Ehrgeiz ist er nicht: „Ein Platz in den Top Ten wäre schön.“

Der Slogan von Herrmanns Team Malizia bezieht sich auf die zweite Mission des Skippers: „A Race we must win – ein Rennen, das wir gewinnen müssen“gilt dem Kampf gegen den Klimawande­l. Herrmann wird Meeresdate­n sammeln und sie Wissenscha­ftlern zur Verfügung stellen. 2019 hatte Herrmann Greta Thunberg über den Atlantik gesegelt. „Sie hat mir Glück gewünscht und gesagt, dass auf dem Boot noch versteckte Botschafte­n von ihr sind.“

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FOTO: JEAN-FRANCOIS MONIER/DPA Boris Herrmann mit seiner „Seaexplore­r“-Yacht (r.) am Sonntag vor der westfranzö­sischen Küste.
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FOTO: DPA Weltumsegl­er Boris Herrmann steht Mitte Oktober in der Speicherst­adt in seiner Heimat Hamburg.

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