Bierhoff klagt über negatives Klima
Vor den Länderspielen sieht der Manager eine „Wolke“über der DFB-Elf schweben.
LEIPZIG (dpa) Joachim Löw schlenderte am Montag gerade mit seinem Rollkoffer den kurzen Weg vom Leipziger Bahnhof hinüber zum Teamhotel, da setzte Oliver Bierhoff zu einer inbrünstigen Klagerede über die schlechte Stimmung rund um die deutsche Fußball-Nationalmannschaft an. Der DFB-Direktor monierte die aus seiner Sicht falsche „Tonalität“in der öffentlichen Betrachtung und forderte die Rückkehr zu einem „positiven Spirit“. Bierhoff forderte in bislang nicht gekannter Intensität mehr Vertrauen für den noch nicht beendeten Umbruch nach dem WM-Desaster vor zwei Jahren.
„Wir sind in einer herausgehobenen Position und verdienen viel Geld. Aber es sind Menschen. Es schwebt eine Wolke über der Mannschaft“, klagte Bierhoff. Es herrsche „Anspannung“und „Frust“über die zuletzt mäßigen Resultate. Doch die Vorwürfe seien unverhältnismäßig. „Sie stellen sich und gehen nicht den bequemen Weg“, sagte Bierhoff. „Diese Mannschaft will ein neues Bild einer Nationalmannschaft angehen“, warb er.
Mit Kimmich habe er nach dessen Knie-OP am Sonntag schon telefoniert. Dessen Stimme sei „stark und sehr zuversichtlich gewesen“, berichtete Bierhoff. Er sprach auch von der großen Erleichterung, dass der Führungsspieler schon bei den ersten Länderspielen des EM-Jahres im März nach seiner Meniskusblessur rechtzeitig wieder zur Verfügung steht. Kimmich sei ein Musterbeispiel für den Willen der Mannschaft.
„Er brennt darauf herzukommen“, schilderte Bierhoff.
Vor dem Testspiel am Mittwoch (20.45 Uhr/RTL) in Leipzig gegen Tschechien und besonders mit Blick auf den Abschluss in der Nations League am Samstag gegen die Ukraine sowie drei Tage später in Spanien forderte Bierhoff nach vier Unentschieden und neun Gegentoren in den vergangenen fünf Partien aber auch eine sportliche Antwort.
„Es geht nur über Ergebnisse auf dem Platz. Da müssen wir auf den Punkt da sein“, forderte er. Der weiter mögliche Gruppensieg in der Nations League könne ein Signal sein. Eines Tages werde die neuformierte Auswahl das „Vertrauen zurückzahlen“, versprach Bierhoff. „Sie haben noch nicht die emotionalen Momente aufbauen können. Einsatz, Leidenschaft und Herz ist bei den Jungen da.“
Bierhoff verglich die aktuelle Auswahl, in der nach der Absage von Kimmich alle außer Toni Kroos (100) und Manuel Neuer (94) noch keine 40 Länderspiele absolviert haben, mit eigenen Kindern. Man wolle ihnen im Lebenslauf jede Schwierigkeit ersparen. „Aber eigentlich musst du ihnen Schwierigkeiten wünschen, sonst können sie nicht wachsen.“Dennoch sollte künftig der öffentliche Fokus darauf liegen: „Was wird erreicht - und nicht, was wird nicht erreicht.“
Nahezu unvermeidlich bezog Bierhoff auch Stellung zur Debatte um eine Rückkehr von Hummels, Boateng und Müller. „Wenn du so verdiente Nationalspieler zurückholst, musst du einen gewissen Umgang voraussetzten. Diese Spieler wären dann natürlich gesetzt“, sagte Bierhoff. Der 52-Jährige erinnerte an die Rückholaktion von Kapitän Lothar Matthäus zur WM 1998. So was mache etwas mit einer Gruppe, mahnte Bierhoff, „weil das Alpha-Tiere sind“. Bierhoffs Schlussfolgerung lautet: „Kein Handlungsbedarf“.