Mit Gurkensalat zu Mendelssohn und Bach
Christian Ehring moderierte wieder ein Konzert der Düsseldorfer Symphoniker – im Stream mit Musik von Carl Philipp Emanuel Bach.
DÜSSELDORF So eine herzhaft duftende Tasse Kaffee zu Bach – das hat was. Es ist Sonntagnachmittag kurz vor fünf, und das Tolle: Wir befinden uns beinahe mitten in der Tonhalle, bei Ehring im Konzert. Die Düsseldorfer Symphoniker sitzen auf dem Podium und spielen für sie ziemlich ungewohnte Musik: Carl Philipp Emanuel Bach. Wir sperren die Ohren auf und hören seltene Klänge. Und – huch – da bringt die Herzensdame daheim auch noch einen Bratapfel in Blätterteig. So lässt sich ein Livestream aushalten.
1800 Aufrufe, so meldet am Montagmorgen die Pressestelle der Tonhalle, hat diese Premiere im Rahmen des „Musikalischen Antivirusprogramms“der vom realen Leben ausgesperrten Kultureinrichtung gehabt. Christian Ehring, weithin bekannter Kabarettist, bespielt mal wieder das um ihn herum gestrickte Format „Ehring geht ins Konzert“. Man könnte sagen: Der Saal ist voll. „Nehmen Sie Platz, in wenigen Minuten geht’s los“war vor wenigen Augenblicken noch auf dem Bildschirm zu lesen, bevor maskierte Streicher auf der Bühne abstandshalber Platz nahmen. Unser Applaus klang etwas verloren, aber naja, in der Not...
Ehring ist jetzt ganz nah, spricht von einem „historischen Tag nach einem historischen Tag“. Er vereint – im ihm eigenen Rundumschlag – die Ergebnisse der USWahl mit dem ersten Live-Stream der Saison und der Art, Musik zu machen. Sie obliegt diesmal der Geigerin Anne Katharina Schreiber vom Freiburger Barockorchester, die am Pult der Konzertmeisterin sitzt, und die Art lautet: historisch informiert. 15 Minuten Ehring, deren Zusammenfassung sich zur Wirklichkeit verhält wie ein 90-Sekunden-Spielbericht in der Sportschau zu 90 Minuten Fußball: einige starke Szenen, viel Vorhersehbares. Immerhin bezeichnet er die Gemengelage der Anti-Corona-Demos als Verbindung von rechter, linker und Gummizelle. Schade, dass niemand mitlacht.
Danach 20 Minuten Bach, die e-Moll-Sinfonie von Sohnemann Carl Philipp Emanuel, der den Papa in Sachen Popularität und Einkommen weit hinter sich ließ, damals, in Diensten Friedrichs des Großen. Die Düsseldorfer Symphoniker werkeln sich konzentriert durch dieses vermeintlich gefällige Musikstück, dessen Emotionen herausgekitzelt werden wollen. Und weil die Streicher das Mitte des 18. Jahrhunderts noch mit Darmsaiten und weitgehend ohne Vibrato zuwege brachten, müssen sich neuzeitige Geiger auf ihren Hochleistungs-Strahle-Instrumenten ziemlich umstellen. Auch aus den Lautsprecherboxen vernimmt man die Irritation, die solches Musizieren hervorruft.
Die gekräuselten Stirnfalten, die versehentlichen Dann-doch-liebermit-Vibrato, wenn’s innig klingen soll, die ungewohnten Fingersätze, weil die Saiten lang schwingen sollen, das alles erscheint ungewohnt groß auf dem Bildschirm, weil so ein Live-Stream aus der Tonhalle nicht bloß eine Totale sein soll. Das externe Produktionsteam aus Regisseur, drei Kameraleuten, vier Tonmenschen plus hauseigener Technik rückt dem Kontrabassisten wie dem Cembalisten auf die Finger, Material aus fünf Kameras in Schnitt und Gegenschnitt. Ein ziemlich großer technischer Aufwand. Immerhin greift nach anfänglichen Unsicherheiten so etwas wie ein Gemeinschaftsgefühl Raum, die Blicke der Konzertmeisterin werden kommunikativer, aufmunternder, die Musik und das Orchester beginnen zu schwingen.
Im Mendelssohn-Block extemporiert sich Ehring vom Gurkensalat seiner Frau zu Mendelssohns Juden- und Großbürgertum, kriegt dann aber noch die Kurve zu Düsseldorf und dem Mendelssohn-Saal, in dem sodann die Streichersinfonie Nr. 8 erklingt. Vor dem Schlusssatz wird flugs noch ein Interview mit Frau Schreiber eingeschoben,
Traditionssingen Ob das traditionelle Weihnachtsliedersingen in der Tonhalle dieses Jahr stattfinden kann, ist ungewiss. Deshalb gibt’s aus Düsseldorfs Konzerthaus das Angebot, virtuell in einem Chor mitzusingen, live ausgestrahlt am Heiligabend um 15 Uhr.
Aufnahme Nach E-Mail-Anmeldung (bis 18. November unter musikvermittlung@tonhalle.de) muss man sich Noten und „Singalongs“von zwei der fünf angebotenen Weihnachtlieder herunterzuladen und sich beim Singen aufzunehmen. Das Zusammensetzen erledigt die Tonhalle.
www.tonhalle.de/das-haus/ gemeinsam-singen-klingtschoener
bei dem neben etlichem Banalem mal wieder klar wird, in welchen Kalamitäten freiberufliche Musiker zurzeit stecken. Die Düsseldorfer Symphoniker schalten endlich in den Turbo-Modus, der Schlussakkord verhallt im leeren Saal. Unseren Applaus hören nur wir.
Bleibt der Klick auf den grünen Button der Konzertseite der Tonhalle, hinter dem sich ein Spendenformular gut versteckt. Es sind schon Spenden eingegangen, hört man am nächsten Morgen. Für die Tonhalle. Die hat ja ebenfalls keine Einnahmen.