Rheinische Post Mettmann

Seltene Waldschafe grasen in der Grube 7

Souris Reiter und Lukas Koch züchten die vom Aussterben bedrohte Rasse der Waldschafe.

- VON SARAH DIETEL

HAAN Besonders gut kommt „Radi“bei den Kindern und Jugendlich­en an. Der Schafsbock ist zahm, folgt einem wie ein Hund und kann sogar kleine Kunststück­e: „Er springt sogar über einen kleinen Stock“, erklärt Besitzerin Souris Reiter. Die 33-Jährige und ihr Lebensgefä­hrte Lukas Koch (30) bewirtscha­ften einen Hof in Gruiten und haben sich einer ganz besonderen Sache verschrieb­en. Sie züchten eine vom Aussterben bedrohte Schafsrass­e: Waldschafe. Wie ihre anderen Tiere auch setzt Souris Reiter auch ihre Schafe bei Kindern und Jugendlich­en therapeuti­sch ein. Einige der Tiere weiden derzeit in der Grube 7, dem ehemaligen Kalksteinb­ruch.

Die Natur wird dort nun statt mit

Maschinen von den Schafen gepflegt und von überschüss­igem Wildwuchs befreit, die junge Familie spart Futterkost­en, und die genügsame Landschafr­asse kommt mit dem Futterange­bot des Steinbruch­s gut zurecht.„Es handelt sich um artenreich­e Magerstand­orte, mit denen die Waldschafe deutlich besser zurecht kommen als Leistungs- oder Fleischras­sen“, erklärt Souris Reiter. Auch fänden sie dort ein etwas breiteres Futterspek­trum. „Ab und zu habe ich mal eine gute Idee“, gibt sich Hans-Joachim Friebe, sehr umtriebige­s Mitglieder der AGNU (Arbeitsgem­einschaft Natur und Umwelt) Haan, die das Naturschut­zgebiet betreut, bescheiden, als er beschreibt, wie es zu der Zusammenar­beit kam. „Das ist eine absolute Win-Win-Situation.“

Knapp 40 Schafe hat die Familie Reiter/ Koch insgesamt, Waldschafe, Heidschnuc­ken und Mischlinge, alle erkennen sie an ihrer Kopfzeichn­ung, an ihrer Größe und mit Namen. Mit Spannung erwartet sie Anfang kommenden Jahres die Lämmer von 24 Muttertier­en. Immer abwechseln­d werden die meisten Tiere mit einem der Hunde der Familie zum Steinbruch getrieben. Dort grasen sie eine umzäunte Fläche auf einem insgesamt zehn Hektar großen Gelände ab, die einmal proWoche verlegt wird. Im Moment sind es die dunklen Lämmer aus dem Jahr 2020, die in der Grube 7 stehen. Die Plätze sucht die AGNU bewusst aus, besonders artenreich­e Flächen werden nicht von den Schafen besucht. „Natürlich ist das auch alles mit der Unteren Landschaft­sbehörde besprochen, die das befürworte­t“, erklärt Hans-Joachim Friebe. Schutz finden die Tiere unter Bäumen und Hecken, Wasser trinken sie aus Eimern, Mineralfut­ter erhalten sie von Souris Reiter und Lukas Koch, auf die sie zutraulich zulaufen.

Mit Tieren und auch mit Kindern und Jugendlich­en kennt sich Sozialpäda­gogin und tiergestüt­zte Pädagogin Souris Reiter bestens aus. Die Mutter einer kleinen Tochter besitzt mehrere Hunde, Pferde, Hühner und seit 2013 die Schafe, die ebenfalls eine Rolle für therapeuti­sche Zwecke spielen. „Tiere urteilen nicht, und sie sind immer authentisc­h“, erklärt Souris Reiter ihren Ansatz. „Sie spiegeln, was sie bei uns Menschen vorfinden und nehmen jeden so, wie er ist.“

Für Kinder und Jugendlich­e, die sie therapeuti­sch betreut, seien die Tiere eine wunderbare Möglichkei­t, Ängste abzubauen und auch, Gefühle zuzulassen. „Körperkont­akt ist immens wichtig, gilt aber nicht immer als cool und ist in Corona-Zeiten ja auch schwierig“, erklärt die junge Frau. „Einen Hund zu streicheln, gilt aber nicht als uncool – und es ist auch in Pandemie-Zeiten möglich.“Schafe seien von ihremWesen her für Kinder außerdem besonders ansprechen­d, viele hätten zudem noch nie zutraulich­e Schafe gesehen, geschweige denn gestreiche­lt.

Wirtschaft­lich betrachtet ist die Rasse der Waldschafe eher eine schwierige, da die Schafe nicht so groß und schwer werden und daher nicht so viel Fleisch liefern. „Dafür ist es aber besonders schmackhaf­t“, erklärt Lukas Koch. Auch die Wolle verkaufen er und seine Lebensgefä­hrtin, die lächelnd auf ihre Schafe blicken und ins Schwärmen geraten: „Die Schafe sind einfach toll.“In diesem Jahr haben sie die Zucht angemeldet, auch ein Antrag auf Unterstütz­ung des Landes, weil sie sich für eine vom Aussterben bedrohte Art einsetzen, läuft. Kostendeck­end laufe die Zucht noch nicht, „das ist aber unser Ziel.“

Weitere Informatio­nen zur Arbeit der jungen Familie gibt es unter www. souris-reiter.de

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FOTO: STEPHAN KÖHLEN Waldschafe als Landschaft­spfleger im Naturschut­zgebiet Grube 7 in Gruiten: Souris Reiter will die alte Rasse am Leben erhalten.

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