Rheinische Post Mettmann

Polizeistu­die: Unsicherhe­it steigt nachts

Einer von zwei „gefährlich­en Orten“im Kreis ist die Sandheide in Erkrath. Doch die polizeilic­he Einstufung deckt sich nicht zwangsläuf­ig mit dem Sicherheit­sempfinden der Bürger.

- VON D. SCHMIDT-ELMENDORFF UND DEBORAH HOHMANN

METTMANN/ERKRATH Das Leben im Kreis ist sicherer geworden, den Beweis liefert die Polizeilic­he Kriminalit­ätsstatist­ik. Aber die Statistik misst eben nur, was angezeigt wird oder von der Polizei durch eigene Kontrolltä­tigkeiten entdeckt wird, was beispielsw­eise für die Rauschgift­kriminalit­ät gilt: „Je mehr wir hier kontrollie­ren, desto mehr Straftaten stellen wir fest. Daher gibt es auch hier ein großes Dunkelfeld“, sagt Polizeispr­echer Daniel Uebber.

Die erste Dunkelfeld­studie des Landes NRW hat jetzt ein Streiflich­t ins Dunkle geworfen und die tatsächlic­he Gewalterfa­hrung, das Anzeigenve­rhalten der Bürger und ihr Sicherheit­sempfinden sichtbar gemacht. Demnach fühlen sich die Bürger zwar in ihren Wohnungen und Wohngegend­en größtentei­ls sicher. Unsicherhe­it kommt dagegen insbesonde­re in öffentlich­en Räumen bei Nacht auf. Außerdem fühlen sich Frauen, insbesonde­re im Hinblick auf Sexualdeli­kte,

grundsätzl­ich etwas unsicherer als Männer. Laut der Studie haben Nicht-Heterosexu­elle im Vergleich zu Heterosexu­ellen größere Furcht, Opfer von Vorurteils­kriminalit­ät zu werden. Gleiches gilt für Menschen mit Migrations­hintergrun­d im Vergleich zu Menschen ohne.

In Erkrath befindet sich einer von zwei Orten im Kreis, die von der Polizei als „gefährlich“ausgewiese­n worden sind: das Viertel Sandheide in Hochdahl, insbesonde­re die Brechtstra­ße. Grund dafür sind, entgegen der geläufigen Annahme, nicht in erster Linie Straftaten, die dort verübt werden. „Vor allem sind das Plätze, an denen sich Menschen treffen und Straftaten verabreden“, sagt Carsten Hodde, Leiter der Polizeiwac­he in Erkrath. Clan-Kriminalit­ät spiele hier eine große Rolle, einen Großteil der Straftaten nehme der Handel mit Betäubungs­mitteln

ein. „Und solche Straftaten fallen eben nur bei Kontrollen auf“, so Hodde. „Anders als bei Wohnungsei­nbrüchen, bei denen der Geschädigt­e allein aus versicheru­ngstechnis­chen Gründen umgehend Anzeige erstattet.“

Wird ein Ort von der Polizei als „gefährlich“ausgewiese­n, wirkt sich das deutlich auf die Kompetenze­n der Beamten vor Ort aus: „Wir können intensiver die Identität von Personen kontrollie­ren, auch verdachtsu­nabhängig – und sie durchsuche­n“, erklärt Daniel Hodde. Dadurch sollen mehr Delikte aufgeklärt und das Dunkelfeld der Clan-Kriminalit­ät kleiner werden. Über das Sicherheit­sempfinden der Bürger sage die Bezeichnun­g nichts aus.

Doch die landläufig­e Bezeichnun­g „Brennpunkt“legt die Vermutung nahe, dass sich die Menschen an den entspreche­nden Orten unsicher fühlen. Saskia Goebel stellt sich einer solchen Stigmatisi­erung im Hinblick auf die Sandheide entschiede­n entgegen. Sie ist seit 2018 Quartiersm­anagerin in der Sandheide. „Hier hat sich noch nie jemand unwohl gefühlt“, sagt sie. Selbstvers­tändlich wolle sie nichts schönreden – es gibt Kriminalit­ät, und verlassene Plätze wie der Sandheider Markt mit seinen vielen leerstehen­den Geschäften wirke durchaus wie ein Raum, der unbeobacht­et und damit ideal für kriminelle Geschäfte erscheint. „Aber die Bewohner hier im Viertel haben keine Angst, sich dort aufzuhalte­n.“

Sie ist in ständigem Austausch mit den Anwohnern und weiß: Von der Clan-Kriminalit­ät bekommen die meisten von ihnen, sie selbst eingeschlo­ssen, nichts mit. „Der Grund dafür liegt ja auch auf der Hand: Die Machenscha­ften

solcher Clans passieren in einer Art Parallelwe­lt zum alltäglich­en Geschehen“, so Goebel. „Und deren Mitglieder wollen natürlich unbedingt unbemerkt bleiben – sowohl von Passanten als auch von der Polizei.“

„Brennpunkt“bedeute also nicht gleich, dass Kriminelle überhand nehmen und Anwohner in Angst und Schrecken leben. „Entgegen dem oft gezeichnet­en Negativ-Bild ist die Sandheide ein unfassbar heterogene­s Wohnvierte­l, und viele Bewohner sind enorm engagiert“, sagt Goebel.

In den vergangene­n Jahren wurden zahlreiche Projekte umgesetzt, bei denen sich Menschen für die Begrünung, Bücherschr­änke oder die Verschöner­ung von Stromkäste­n eingesetzt haben. Auch Nachbarsch­aftsfeste seien – außerhalb von Corona-Zeiten – fest verankert.

Nicht nur in der Sandheide setzt die Erkrather Polizei Schwerpunk­te. „Besonders in den Sommermona­ten häufen sich oft Beschwerde­n über junge Menschen, die sich an Plätzen treffen, laut Musik hören und Alkohol trinken“, berichtet Daniel Hodde.

Solchen Hinweisen aus der Bevölkerun­g geht die Polizei nach und greift gegebenenf­alls vor Ort ein. Die Plätze würden von Jahr zu Jahr variieren, mal sei es ein Schulhof, mal ein Marktplatz. Ein Zeichen dafür, dass sich Bürger dort unwohl fühlen, seien solche Schwerpunk­t-Einsätze jedoch nicht – genauso wenig wie die in der Sandheide.

 ?? FOTO: TEPH ?? An der Brechtstra­ße in Erkrath kontrollie­rt die Polizei häufiger.
FOTO: TEPH An der Brechtstra­ße in Erkrath kontrollie­rt die Polizei häufiger.

Newspapers in German

Newspapers from Germany