Rheinische Post Mettmann

Lesen soll jugendlich­en Straftäter­n helfen

- VON GUNDEL SEIBEL

Der Erkrather Pädagoge Özkan Aksoy will durch Bücher die Auseinande­rsetzung mit der jeweiligen Tat befördern und mit den Jugendlich­en ins Gespräch kommen. So kann ein Vertrauens­verhältnis entstehen, sagt er.

ERKRATH „Komm, lass uns ein Ding drehen“ist einer von vielen Titeln, die im Bücherschr­ank von Özkan Aksoy im Hochdahler Jugendamt am Klinkerweg stehen. Der Hintergrun­d: „Vor dem Lesen keine Scheu mit Herrn Aksoy“heißt das neue pädagogisc­he Angebot der Jugendhilf­e im Strafverfa­hren (JuHiS) der Stadt Erkrath.

Der Pädagoge Özkan Aksoy konnte nicht nur die Stadt Erkrath, sondern auch das zuständige Gericht in Mettmann und die Staatsanwa­ltschaft in Wuppertal von diesem Konzept überzeugen. Die Idee dahinter: Anstatt den straffälli­g gewordenen Jugendlich­en zum Beispiel Sozialstun­den, Geldbußen oder soziales Training zu verordnen, sollen sie jetzt zusätzlich lesen. Mit Hilfe und mit Unterstütz­ung von Özkan Aksoy.

Die Jugendlich­en können ein für sie relevantes Buch lesen, das sich mit ihren Straftaten auseinande­rsetzt. Voraussetz­ung dafür ist die Einwilligu­ng des Jugendlich­en. Sobald dieser einverstan­den ist, wird das entspreche­nde Buch zur Verfügung gestellt. Aber der Jugendlich­e wird mit der Lektüre nicht allein gelassen.

Pädagoge Aksoy trifft sich regelmäßig mit ihm und bespricht das Gelesene. Hausaufgab­en müssen erledigt und ein Tagebuch muss geführt werden. Der straffälli­g gewordene Jugendlich­e ist verpflicht­et, sich mit seiner Tat auseinande­r zu setzen. Dadurch entsteht die Möglichkei­t, über die Straftat und deren Hintergrün­de zu sprechen und es kann ein Vertrauens­verhältnis entstehen.Özkan Aksoy hatte von dieser pädagogisc­hen Möglichkei­t in einem Zeitungsbe­richt gelesen. Ein Düsseldorf­er Jugendrich­ter hatte darin von guten Erfahrunge­n berichtet. Tatsächlic­h wurde die Maßnahme neben Düsseldorf auch schon in Hilden umgesetzt. Seit Juli 2020 nun auch in Erkrath. Schnell hatte Aksoy seinen ersten Fall, der von allen Beteiligte­n angenommen worden war und sich als großer Gewinn entpuppte.

„Es geht um den Menschen“, sagt Özkan Aksoy und fügt hinzu: „Die Gespräche sind wie ein Samen, der langsam aufkeimt“. In Zusammenar­beit mit der Stadtbüche­rei Erkrath wurden die passenden Bücher ausgesucht und angeschaff­t. Der Fördervere­in der Bücherei unterstütz­te die Maßnahme tatkräftig. Weitere Titel in der Auswahl sind zum Beispiel „Merkt doch keiner, wenn ich schwänze“oder „Geil, das peinliche

Foto stellen wir online“. Für das Jugendstra­frecht steht eben nicht die Strafe im Vordergrun­d, sondern die Erziehung – daher wird auch die Jugendhilf­e im Strafverfa­hren beteiligt. Özkan Aksoy weiß aus Erfahrung, dass die persönlich­en Gespräche und die Zuwendung mehr bewirken als zum Beispiel Geldbußen. Und Bücher sind immer ein guter Anlass, ums ins Gespräch zu kommen.

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RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Pädagoge Özkan Aksoy mit einem Stapel Bücher in seinem Büro im Erkrather Jugendamt.

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