Rose erlaubt Fehler – das macht Borussia mutig
Bei Lucien Favre galt das strikte Fehlervermeidungsprinzip, der aktuelle Trainer predigt Lust auf Risiko.
MÖNCHENGLADBACH Marco Rose ermutigt die Fußballer von Borussia Mönchengladbach, Fehler zu machen. „Ich bin ein Freund davon“, sagt der Trainer, der auch wegen dieses Ansatzes einer der hipsten seiner Zunft ist in Deutschland. Denn der Fußball, den der 44-Jährige spielen lässt, gilt als hochmodern. Er ist actiongeladen, es geht immer um das eine: nach vorn, zum Tor, so schnell wie möglich. Dieser Ansatz erfordert Mut, und Mut hat nur der Fußballer, der weiß, dass er Fehler machen darf, ohne dass ihn der Trainer zürnt. „Fehler gehören dazu, wenn man mit einem gewissen Risiko spielt“, sagt Rose.
So hat einst auch Hennes Weisweiler gedacht, der Ur-Vater des Gladbacher Fohlenfußballs, darum hat ihn ein gewisser Ralf Rangnick bewundert, der wiederum einer der Initiatoren des RB-Fußballs ist. Und der Trainer Rose ist ein Spross dieser Schule. Bei RB Salzburg hat er rasanten Fußball spielen lassen, das hat Gladbachs Sportdirektor Max Eberl gefallen. Er holte Rose, um Borussias Fußball zu evolutionieren – auch dadurch, dass er das Spiel fehleranfälliger macht.
In den Jahren zuvor hatte es in Mönchengladbach gepflegten
Ballbesitzfußball gegeben, mit langen Ballstafetten. Lucien Favre, der Schöpfer des Borussen-Tiki-Taka entwickelte das Spiel auf der Basis des Sicherheits-Gedankens. Tief stand sein Team und spann ein Defensivnetz, in dem sich die Gegner verfingen, dann bauten die Borussen ihr Spiel auf, bis die Lücke da war. Favre hasst Fehler, der Auftrag war, keine zu machen und so den Gegner zu dominieren. Er führte Borussia in die Champions League.
Wie jetzt Rose nach der Neuausrichtung am Niederrhein. Rose will ständiges Aktivsein, es wird nicht auf den Gegner gewartet, er wird gestresst und gepresst. Und wenn der Ball erobert ist, dann wird umgeschaltet, mit allem Risiko. Eine Situation,
die belegt, worum es geht, passierte vergangene Saison beim 3:0 der Borussen bei 1899 Hoffenheim: Stefan Lainer, schon bei RB Salzburg ein Musterschüler Roses, ging in einen Pressschlag mit Hoffenheims Robert Skov, er gewann den Ball, schickte Marcus Thuram, der dann Alassane Plea das 1:0 auflegte. Hätte Lainer den Zweikampf verloren, wäre Skov recht allein durch gewesen. Tore wie dieses gab es vorher bei Borussia fast nie. Jetzt sind sie ein Prinzip.
Roses Ansatz ist auf Mut gebaut. Zaudern und Zögern gibt es nicht. Steilgehen ist das Prinzip, jeder Spieler soll vertikal denken, horizontal oder rückwärts ist out. Bei Favre gehörte beides beim Spielaufbau dazu, der Ball zirkulierte, und wer den Abschluss suchte, sollte ganz sicher sein, dass es eine große Chance war. Roses Vorgänger Dieter Hecking mischte Ballbesitzfußball und Pressingelemente, allerdings weit konservativer als Rose.
Dessen Spiel ist radikaler, indes auch ausgestattet mit einer Risiko-Absicherung. Aber es findet alles weiter vorn statt. Weiter weg vom eigenen Tor heißt, der Weg zum anderen Tor ist kürzer. Aber auch, dass es mehr freie Räume hinter der eigenen Abwehr gibt. Mut birgt immer auch Risiko in sich. Gewollt.
„Das Wichtige ist: Wie gehe ich mit den Fehlern um. Wenn ich mich danach eine halbe Stunde ärgere, sind die nächsten fünf, sechs Aktionen dahin. Also: Abhaken, den nächsten Ball nehmen, bessere Aktionen machen und sich gegenseitig unterstützen“– so definiert Rose die Fehleraufarbeitung. Er gibt seinen Spielern keinen Freibrief in der Sache, „manche Fehler sollten natürlich nicht passieren“. Die allerdings, die passieren, weil ein Spieler etwas versucht und dabei auch mal ein Risiko eingeht, fallen in die Kategorie „mutig“, es sind sozusagen „gute“Fehler, weil sie im Sinne des Prinzips passieren, das sprichwörtlich so formuliert werden kann: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.