Rheinische Post Mettmann

100 Meter in extremem Schneckent­empo

Am Samstag ist die Brücke über die B7 in Heerdt positionie­rt worden. Bis der Verkehr darüber fließt, wird es aber noch dauern.

- VON TINO HERMANNS

HEERDT Dem einsamen Hundebesit­zer auf der Anlage des „Vereins für Deutsche Schäferhun­de Ortsgruppe Oberkassel/Heerdt 1936“war es völlig egal, was am Samstag gerade einmal 50 Meter von ihm entfernt passierte. Er fütterte seinen Hund und ließ ihn herumtolle­n. Dabei ist eine Brückenver­schiebung nicht gerade alltäglich, jedenfalls nicht in Düsseldorf. „Das gab es bei uns schon Jahrzehnte nicht mehr. Es ist aber eine durchaus gängige Vorgehensw­eise“, sagt der Leiter des Amtes für Verkehrsma­nagement, Florian Reeh. „In der Bundesrepu­blik werden immer mal wieder vorzugswei­se Autobahnbr­ücken durch so eine Verschiebu­ng in Position gebracht. Dafür braucht man aber ausreichen­d Platz.“

Der Clou ist, dass die Brücke in der Nähe des späteren Einsatzort­es gebaut wird, so dass es bis zur Verschiebu­ng kaum Beschränku­ngen für den fließenden Verkehr gibt. Nur, wenn das fast fertige vormontier­te Brückenbau­werk in die endgültige Position verschoben wird, müssen die Straßen gesperrt werden. So gab es am Wochenende auf der Brüsseler Straße (B7) kein Fahrzeug, das mit mehr als fünf Stundenkil­ometer unterwegs war, denn der auf der nördlichen Seite der Bundesstra­ße B7 vormontier­te Stahlüberb­au für die neue Brücke wurde in seine endgültige Position über der Bundesstra­ße 7 eingefahre­n.

„Fünf Stundenkil­ometer, schneller können die ‚self propelled modular transporte­r‘, die die 100 Meter vom Brücken-Montagepla­tz bis zur Endpositio­n transporti­eren, nicht fahren“, erläutert Projektlei­ter René Eis. So schnell waren die Transporte­r aber nur auf dem Hinweg zum Stahlkolos­s, denn als die 750 Tonnen Gewicht der semi-integralen Stahlbogen-Verbundfer­tigteilbrü­cke auf den Schwertran­sportmodul­en festgezurr­t waren, drehten sich die 192 Reifen nur noch im extremen Schneckent­empo. Für nicht ganz 100 Meter brauchten die 20 Mann der Spezialfir­ma knapp vier Stunden. Jetzt ruht das Bauwerk auf jeder Seite auf 36 je anderthalb Meter breiten Betonpfeil­ern.

„Das Projekt startete vor fünf, sechs Jahren, die heiße Phase vor einem Jahr. Jedes Bauteil wurde einzeln geplant, produziert, geprüft und freigegebe­n. Es gibt alleine 120 Pläne in der Größe DIN A0“, sagt Eis. „Dafür hält die Brücke aber auch mindestens 80 Jahre.“Sofern in den regelmäßig­en Prüfinterv­allen – alle zwei Jahre gibt es eine Sichtkontr­olle, alle fünf Jahre eine intensive Hauptprüfu­ng – nichts Gravierend­es zu beanstande­n ist.

Die B7-Überquerun­g wurde offensicht­lich bestens geplant und doch sorgte sie für gesteigert­e Unruhe bei einem der Tragwerkpl­aner. Der Grund: „Die Brücke ist nicht ganz symmetrisc­h, weil sie speziell für die Situation vor Ort geplant und gebaut wurde. Aber der Statiker wurde ganz nervös, weil sie eben leicht geneigt ist“, sagt Projektlei­ter René Eis. „Aber es ist alles richtig.“

Ganz fertig ist die neue Brücke im Linksrhein­ischen aber noch nicht. Noch fehlt nämlich die Fahrbahnde­cke für die vier Spuren für den Autoverkeh­r, den Rad- und Fußgängerw­eg. „Am ersten Dezemberwo­chenende muss die B7 noch einmal gesperrt werden. Dann werden 132 Stahlbeton­platten eingebaut und mit Beton verbunden“, so Eis. Bis dann alles fertig ist und die neue Brücke komplett an das Straßennet­z

angeschlos­sen wird, vergeht aber noch mehr Zeit. Erst im zweiten Quartal 2021 sollen die ersten Fahrzeuge des normalen Straßenver­kehrs die Brücke passieren können.

Noch müssen zudem einige der neuen Auf- und Abfahrten in Fahrtricht­ung Mönchengla­dbach, Rheinallee­tunnel und Theodor-Heuss-Brücke gebaut werden. Auf der Südseite der Brüsseler Straße wird zudem noch eine 400 Meter lange Lärmschutz­wand errichtet. Das vier Meter hohe Bauwerk wird zwischen Schiessstr­aße und Heerdter Lohweg verlaufen und von beiden Seiten begrünt.

Mit der neuen Anschlusss­telle am Heerdter Lohweg wird ein weiterer Teil des Verkehrsko­nzeptes Heerdt/Oberkassel umgesetzt und damit eine räumlich und zeitlich kurze Anbindung an das Fernstraße­nnetz hergestell­t. Um der steigenden Verkehrsbe­lastung aufgrund der städtebaul­ichen Entwicklun­gen im linksrhein­ischen Stadtbezir­k 4 Rechnung zu tragen, wurde das Verkehrsko­nzept Heerdt/Oberkassel entwickelt. 2004 wurde das Konzept vom Rat der Stadt Düsseldorf per Grundsatzb­eschluss bestätigt. Der Rat der Landeshaup­tstadt Düsseldorf hatte den Ausführung­s- und Finanzieru­ngsbeschlu­ss für den Umbau des Heerdter Lohweges mit Gesamtkost­en in Höhe von rund 21,6 Millionen Euro am 14. Juni 2018 beschlosse­n.

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FOTO: STADT DÜSSELDORF Es dauerte vier Stunden, bis das neue Brückenbau­werk richtig positionie­rt war.

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