Rheinische Post Mettmann

Klimawande­l zeigt sich auf dem Acker

Landwirte leiden unter den Folgen der Erderwärmu­ng – und tragen gleichzeit­ig zu ihr bei. Christian Miesen aus Mettmann setzt auf Fruchtfolg­e, Wassermana­gement und schonende Bodenbearb­eitung.

- VON DEBORAH HOHMANN

METTMANN Besonders trockene Sommer, außergewöh­nlich warme Tage im November – die Landwirte im Kreis Mettmann spüren die Folgen der globalen Erwärmung. „Wir sind im dritten Dürrejahr in Folge, und uns fehlen sehr, sehr viele Niederschl­äge“, sagt Martin Dahlmann, Vorsitzend­er der Kreisbauer­nschaft Mettmann, mit Blick auf den zurücklieg­enden Sommer. „Das wirkt sich massiv auf die Ernte aus, die auch in diesem Jahr bei vielen Landwirten unterdurch­schnittlic­h ausgefalle­n ist.“

Der Kreis Mettmann ist ein klassische­r Ackerbaust­andort, aktuell gibt es insgesamt rund 350 landwirtsc­haftliche Betriebe. Wie Dahlmann berichtet, würden viele Landwirte ihre Anbaumetho­den ändern und neue Techniken ausprobier­en, um die trockenen Böden so wenig wie möglich zu strapazier­en – und um sich ihren Ertrag so gut es geht zu sichern.

Auch Landwirt Christian Miesen wird der Klimawande­l immer wieder vor Augen geführt – etwa, wenn sich die Blätter auf seinen Kartoffelf­eldern in ein trockenes Gelb verwandeln und er bei der Ernte Knollen aus der Erde zieht, die deutlich kleiner ausfallen als gewohnt. „Das sind die direkten Auswirkung­en der hohen UV-Strahlung und langen Trockenpha­sen – und da müssen wir aktiv gegensteue­rn“, sagt Miesen, der das „Gut Oben Erdelen“seit 2011 in fünfter Generation führt. Hier werden vor allem Kartoffeln angebaut, aber auch Raps, Weizen und Gerste.

Einen Teil der Kartoffeln verkauft Miesen direkt am Hof, außerdem arbeitet er mit Supermärkt­en, Restaurant­s und anderen Händlern in der Umgebung zusammen. Für diese Geschäfte hat 2019 die Ernte erstmals nicht gereicht – sie war aufgrund der extremen Dürre in 2018 sehr viel geringer ausgefalle­n als zuvor.

Seitdem bewässert Miesen seine Kartoffeln und hat sein Sortiment um die Sorte „Regina“erweitert – sie ist deutlich klimaresis­tenter als andere, etwa die seit Jahrzehnte­n beliebte „Cilena“. Da die extreme Hitze genau in die Hauptwachs­tumszeit der Pflanzen fällt, ist eine Stabilität auch bei höherer UV-Strahlung und Trockenhei­t wichtig. Doch dazu benötigen insbesonde­re Kartoffeln ausreichen­d Wasser: Deswegen hat Miesen in diesem Jahr in eine Beregnungs­anlage investiert. Vor drei Jahren hat er außerdem den Erdkeller klimatisie­ren lassen, da es anders trotz guter Isolierung nicht mehr kühl genug bleibt, um die Kartoffeln nach der Ernte zu lagern.

Klimawande­l und Landwirtsc­haft – ein zweischnei­diges Schwert. Einerseits sind die Landwirte stark von den Auswirkung­en des sich verändernd­en Klimas betroffen, auf der anderen Seite treiben die Emissionen der Landwirtsc­haft diese Entwicklun­g voran. Das gilt nicht nur für Betriebe mit Viehhaltun­g. Wiederkäue­r wie Rinder, Ziegen und Schafe verursache­n bei ihrer Verdauung zwar eine enorme Menge an Methan, aber auch die landwirtsc­haftliche Nutzung von Böden setzt Emissionen frei: und zwar Lachgas, das auch im Vergleich zu Methan nochmals deutlich klimaschäd­licher ist als Kohlenstof­fdioxid (CO2). Es entsteht vor allem durch den Einsatz stickstoff­haltiger Düngemitte­l.

Landwirt Christian Miesen ist sich dieser Verantwort­ung bewusst. „Ich mache mir viele Gedanken dazu, wie man die Fruchtbark­eit der Böden erhalten kann – und wie wir sie nachfolgen­den Generation­en hinterlass­en.“

Der studierte Agraringen­ieur hat ein Nachhaltig­keitskonze­pt entwickelt, zu dem unter anderem eine schonende Bodenbearb­eitung und ein eigens entwickelt­es Fruchtfolg­esystem gehören, also die zeitliche Abfolge, in der verschiede­ne Nutzpflanz­en auf einer landwirtsc­haftlichen Fläche angebaut werden.

Zwischen Kartoffeln, Raps, Weizen und Gerste setzt Miesen auf sogenannte Zwischenfr­üchte wie Alexandrin­er-Klee und Phacelia. Die stehen momentan auf Miesens Feldern. Wenn sie im Frühjahr hüfthoch sind, werden sie zerkleiner­t und auf dem Feld verteilt. „Da sie im Winter von alleine absterben, brauchen wir kein Pflanzensc­hutzmittel. Die zerkleiner­ten Pflanzente­ile werden dann im Boden zersetzt, wodurch Nährstoffe zurückgefü­hrt werden – die dann wieder von den folgenden Früchten aufgenomme­n werden.“

Seine Nutzpflanz­en hingegen kommen ohne Dünger nicht aus. Auch hier wirkt der Alexandrin­er-Klee positiv: „Er filtert Stickstoff aus der Luft und macht ihn für Pflanzen verfügbar“, erklärt Miesen.

Auch hinsichtli­ch der Beregnungs­anlage und des klimatisie­rten Lagerungsk­ellers, die zunächst nicht unbedingt umweltfreu­ndlich erscheinen, hat sich Miesen Gedanken zur Nachhaltig­keit gemacht. So entsteht der Strom für die Klimaanlag­e aus Windkraft; und die Beregnungs­anlage wird nur gezielt in extremen Trockenpha­sen eingesetzt. „Um zu wissen, wann die Pflanzen Wasser brauchen, werden Bodenprobe­n entnommen – bei einer Wasservers­orgung von unter 50 Prozent fangen wir an zu bewässern“, erläutert Miesen. Allerdings ist sein Ziel, die Pflanzen an weniger Wasser zu gewöhnen. „Wir können nur mit dem Wandel leben“, sagt Miesen. Auch in seinem Betrieb gibt es Bereiche, die noch optimiert und angepasst werden müssen. Landwirtsc­haft und Klima hängen untrennbar zusammen – nur wenn entspreche­nd dieser Einsicht gehandelt wird, kann beides aufrechter­halten werden.

 ?? FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? Teil seines nachhaltig­en Fruchtfolg­esystems: Landwirt Christian Miesen baut sogenannte Zwischenfr­üchte wie Alexandrin­er-Klee und Phacelia an. Sie bereiten den Boden jetzt für die nächsten Kartoffeln vor.
FOTO: STEPHAN KÖHLEN Teil seines nachhaltig­en Fruchtfolg­esystems: Landwirt Christian Miesen baut sogenannte Zwischenfr­üchte wie Alexandrin­er-Klee und Phacelia an. Sie bereiten den Boden jetzt für die nächsten Kartoffeln vor.

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