Rheinische Post Mettmann

Auf den Spuren der Diamantend­iebe

Ein Jahr nach dem spektakulä­ren Einbruch in das Grüne Gewölbe in Dresden hat die Polizei drei Tatverdäch­tige festgenomm­en. Im Fokus der Razzia: ein Berliner Clan.

- VON ANDREAS RABENSTEIN

BERLIN/DRESDEN (dpa) Der wochenlang geplante Einsatz der sächsische­n Polizei in Berlin ist hochgeheim, und sein Ablauf ähnelt einer militärisc­hen Operation: 1600 Polizisten aus acht Bundesländ­ern sind zusammenge­zogen, viele mit Maschinenp­istolen ausgerüste­t, dazu kommen die ebenfalls schwer bewaffnete­n Spezialein­satzkomman­dos (SEK), darunter die bekannte GSG 9-Truppe des Bundes. Polizeiein­heiten fahren aus Sachsen Umwege nach Berlin, um nicht zu sehr aufzufalle­n. In der Dunkelheit am Dienstagmo­rgen um 6 Uhr schlägt die Polizei in der Hauptstadt zu. Die SEK stürmen zehn Wohnungen und durchsuche­n Garagen und Autos, viele im Stadtteil Neukölln. Ihr Ziel: kriminelle Mitglieder des Remmo-Clans.

Männer aus der bekannten arabischst­ämmigen Großfamili­e wurden bereits wegen des Diebstahls der Goldmünze und einem Millionen-Einbruch in eine Bank verurteilt. Der dringende Verdacht: Familienmi­tglieder sollen auch den spektakulä­ren Einbruch in das Historisch­e Grüne Gewölbe in Dresden und den Diebstahl wertvoller Juwelen verübt haben. Am frühen Morgen des 25. November 2019 drangen zwei Täter in das berühmte Schatzkamm­ermuseum im Dresdner Residenzsc­hloss ein. Sie durchtrenn­ten ein Gitter und stemmten ein Fenster heraus. Im Juwelenzim­mer schlugen sie mit einer Axt Löcher in eine Vitrine und rafften mehr als 20 barocke Schmuckstü­cke aus Diamanten und Brillanten zusammen. Der von einer Kamera gefilmte Coup dauerte nur wenige Minuten. Als die Polizei eintraf, waren Diebe und Beute verschwund­en. Ein angezündet­es Fluchtauto wurde in einer Garage entdeckt. Mit einem weiteren, als Taxi getarnten Wagen, sollen sie nach Berlin gefahren sein.

Die Kriminalpo­lizei in Sachsen bildete eine 40-köpfige Sonderkomm­ission „Epaulette“, benannt nach einem der wertvollst­en Schmuckstü­cke, und setzte eine Belohnung von 500.000 Euro aus. Mehr als 700 Spuren wurden gesichert, weit mehr als 1000 Hinweise gingen ein. Ermittelt wurde auch gegen Wachmänner des Museums. Die Soko nahm zügig Kontakt zu einem Experten des Berliner LKA für Kunstdelik­te auf. Überhaupt dachten viele Beobachter schnell an Berlin und die kriminelle­n Clans. Berlins Polizeiprä­sidentin Barbara Slowik sprach nach der Tat von Spekulatio­nen, sagte aber auch: „Die Parallelen zum Überfall im KaDeWe und dem Einbruch ins Bode-Museum sind leicht erkennbar, dafür muss man nicht Kriminalis­t sein.“Im Visier des Dresdner LKAs und der Berliner stehen nun fünf verdächtig­e Männer aus dem Clan. Drei von ihnen, 23 und 26 Jahre alt und mit deutscher Staatsange­hörigkeit, kann die Polizei am Dienstagmo­rgen festnehmen. Einer von ihnen wurde im Februar wegen des Diebstahls der Goldmünze verurteilt, er befand sich noch auf freiem Fuß. Vor einem Hochhaus in Kreuzberg, direkt an der bekannten Hochbahn der U-Bahnlinie 1, stehen am Vormittag mehr als 20 Mannschaft­swagen der Polizei mit Dresdner Nummernsch­ildern. Im Hauseingan­g und in einem Flur im ersten Stock sind Polizisten mit Helmen, vermummten Gesichtern und umgehängte­n Maschinenp­istolen zu sehen. An einem der etwa 40 Klingelsch­ilder steht der Name Remmo.

Die drei Festgenomm­enen werden nach Dresden zum Haftrichte­r gefahren. Der Verdacht lautet auf schweren Bandendieb­stahl und Brandstift­ung. Kurz nach den Razzien veröffentl­icht die Polizei eine Fahndung mit Fotos von zwei weiteren jungen Männern aus dem Clan. Beide sind 21 Jahre alt und tragen den Nachnamen Remmo. Die beiden dringend Verdächtig­en „konnten bislang nicht ergriffen werden“, heißt es. Die Großfamili­e Remmo ist einer der bekanntest­en Clans der Hauptstadt. Die Familie ist arabischst­ämmig, lebte im kurdischen Gebiet im Osten der Türkei und kam in den 80er-Jahren über den Libanon und Ost-Berlin nach West-Berlin. Die Justiz spricht von einer

„hohen Anzahl“von Ermittlung­sverfahren gegen Familienmi­tglieder.

Die Beute hat die Polizei bei den aktuellen Durchsuchu­ngen nicht entdeckt. „Die Kunstgegen­stände stehen auf den Durchsuchu­ngsbeschlü­ssen mit drauf. Da müsste man aber schon sehr viel Glück haben, wenn man die ein Jahr nach der Tat noch finden würde“, so der Sprecher der Dresdner Polizei, Thomas Geithner. Ob die Schmuckstü­cke zerlegt und die Diamanten umgeschlif­fen wurden oder ob die Diebe sie als Ganzes verkauften, ist völlig unklar. „Die Ermittlung­en sind noch lange nicht abgeschlos­sen. Das ist jetzt aber ein Meilenstei­n, diese drei Festnahmen. Jetzt hängt es auch davon ab, was wir hier für Spuren finden.“

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FOTOS: DPA, S. KAHNERT/DPA Das Juwelenzim­mer im Historisch­en Grünen Gewölbe der Staatliche­n Kunstsamml­ungen Dresden.
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