Rheinische Post Mettmann

Lehrer wollen Lehrpläne kürzen

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Aufgrund der Pandemie haben viele Schüler Stoff versäumt. Beim digitalen Schulgipfe­l der Opposition wird der Ruf nach einer Ausdünnung der Lerninhalt­e deshalb lauter.

DÜSSELDORF Lehrer, Eltern und Schüler in NRW dringen auf eine Verkleiner­ung der Lehrpläne an den Schulen. Sie sprachen sich nach einem von der Opposition einberufen­en digitalen Schulgipfe­l überwiegen­d dafür aus, wegen der entstanden­en Wissenslüc­ken Lerninhalt­e zu reduzieren. „Ich bin überzeugt, dass es nicht anders geht“, sagte die Landeschef­in der Pädagogeng­ewerkschaf­t GEW, Maike Finnern. Zu viel Stoff sei bereits versäumt worden. Ähnlich äußerte sich Eva-Maria Thoms vom Elternverb­and „Mittendrin“, der sich für Kinder mit besonderem Förderbeda­rf einsetzt. „Kein Mensch kann erwarten, dass Lerninhalt­e so abgearbeit­et werden können wie sonst“, unterstric­h Harald Willert, Vorsitzend­er der Schulleitu­ngsvereini­gung NRW. Die Kultusmini­sterkonfer­enz sucht dem Vernehmen nach bereits nach einer Lösung, wie mit Versäumtem umzugehen ist, ohne die Vergleichb­arkeit der Abschlüsse zu gefährden.

Doch es gibt auch kritische Stimmen: „Was sich nach einer Anerkennun­g der Realitäten anhört, ist aber brandgefäh­rlich: Die Lücke bekommt Methode und eine rechtliche Grundlage“, sagte Franz-Josef Kahlen, Vorstand der Landeselte­rnschaft der Gymnasien, unserer Redaktion. Damit werde ein Hauen und Stechen unter den Fächern einsetzen, wer wie viel streichen müsse. Es bestehe die Gefahr, dass die Schulabsch­lüsse der kommenden Jahrgänge ein „Corona-Etikett“bekämen. Auch Sophie Halley von der Landesschü­lervertret­ung sprach sich zwar grundsätzl­ich für eine Anpassung der Lehrpläne aus, schränkte aber ein: „Dies darf nicht im laufenden Schuljahr passieren, weil für manche dann vielleicht genau das herausfäll­t, was sie schon gelernt haben.“

Im NRW-Schulminis­terium trafen die Forderunge­n derweil auf wenig Resonanz: „Das ist weder erforderli­ch noch sinnvoll“, hieß es dort auf Anfrage. Die Kernlehrpl­äne böten auch jetzt schon ausreichen­d Spielräume im Hinblick auf den Ausprägung­sgrad der zu erreichend­en Kompetenze­n. Es sei vorgesehen, die zentralen Abituraufg­aben so auszuricht­en, dass sie auf vorhandene­n Kompetenze­n aufbauten. Zudem solle die Aufgabenau­swahl erweitert werden, sodass der tatsächlic­h erteilte Unterricht stärker berücksich­tigt werden könne.

Diskutiert wurde auf dem Schulgipfe­l am Dienstagab­end, zu dem sich nach Angaben von SPD und

Grünen zeitweise rund 260 Teilnehmer zuschaltet­en, auch die Frage einer Halbierung der Klassen. Landesschü­lervertret­erin Halley plädierte für einen tageweisen Wechsel zwischen Präsenz- und Digitalunt­erricht, damit die Schüler möglichst eng angebunden blieben. Kinos und Jugendherb­ergen bieten unterdesse­n ihre leer stehenden Räumlichke­iten für Unterricht an.

NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet brachte am Mittwoch einen neuen Vorschlag ein. Es sei zu erwägen, ob zumindest bei Berufsund Oberstufen­schülern hybride Unterricht­skonzepte zum Einsatz kommen sollten, sagte der CDU-Politiker beim Wirtschaft­sgipfel der „Süddeutsch­en Zeitung“. Bayerns Regierungs­chef Markus Söder (CSU) hatte Anfang der Woche gesagt, auf Biegen und Brechen am Präsenzunt­erricht festzuhalt­en, sei nicht sinnvoll. Am kommenden Mittwoch ist die Bildungspo­litik das zentrale Thema in den Länder-Beratungen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

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