Rheinische Post Mettmann

Künstler plant ein Mammutproj­ekt

Felix Reinecker macht in drei Jahren aus 6000 Einzelfoto­s einen Animations­film. Die Stiftung von Wim Wenders stellt das Geld bereit.

- VON JAN SCHÜRMANN

DÜSSELDORF Schon seit seiner Kindheit hatte Felix Reinecker ein Ziel: Künstler werden. Um seinen Traum wahr werden zu lassen, zog der gebürtige Münsterane­r nach dem Abitur 2005 in die Landeshaup­tstadt und begann an der Akademie Düsseldorf ein Studium der Freien Kunst. Die Malerei nahm ihn gefangen. Aus Öl und Acryl schuf er Selbstport­räts. „Als Maler arbeite ich sehr gerne mit Dingen, die ich kenne“, sagt der 34-Jährige. Schnell entdeckte er außerdem das Thema Filmanimat­ion – mit Hilfe von Zeichenkoh­le – für sich. Nach dem Akademiest­udium machte er sein Diplom an der Kunsthochs­chule für Medien in Köln. „Ich wünschte mir immer mehr, meinen Bildern mehr Lebendigke­it zu verleihen. Und so stieg ich um – vom sozusagen gefrorenen zum bewegten Bild“, wie er sagt.

Felix Reinecker fing an, Animations­filme zu entwickeln. Wichtig sei ihm dabei immer gewesen, der Malerei treu zu bleiben. „Diese Filme bieten die wunderbare Möglichkei­t, die Bildsprach­e zu erweitern“, sagt er. Er arbeitete nach wie vor mit Zeichenkoh­le – ein häufig verwendete­s Mittel in der Kunst, das einfache Korrekturm­öglichkeit­en zulässt, wie er meint. Aus mehreren Einzelbild­ern entsteht so ein ganzer Film. „Das funktionie­rt ein bisschen wie Daumenkino“, erklärt Reinecker. Ein Thema fand der Künstler schon immer spannend: Fluchtfant­asien.

„Damit kann ich mich selber aus dem oft routiniert­en Alltag lösen und einen Kontast zur Alltagswel­t kreieren. Ich kann mich meinen Gedanken frei hingeben.“So greift schon sein erster Animations­film „Flut“, der 2011 entstand, dieses Thema auf.

Vor etwa fünf Jahren las der Wahl-Düsseldorf­er zum ersten Mal die Kurzgeschi­chte „San Salvador“des Schweizer Schriftste­llers Peter Bichsel. Ein Schlüsselm­oment für den 34-Jährigen: „Sofort wurde vor meinem inneren Auge ein Film angestoßen.“Er habe sofort gewusst: „Die Literaturv­orlage möchte ich nutzen und daraus einen Film machen.“Das ist auch das erste Mal, dass er nach Vorlage arbeitet. Der Inhalt der Kurzgeschi­chte deckt sich mit Reineckers Lieblingst­hema. Sie handelt von den Fluchtfant­asien eines Ehemanns, während er auf die Heimkehr seiner Frau wartet. Paul vertreibt sich die Zeit und probiert eine neu gekaufte Füllfeder aus. Über das Zeichnen von Wellenlini­en und seiner Initialen formuliert er schließlic­h den Satz: „Mir ist es hier zu kalt, ich gehe nach Südamerika.“Er träumt von der Flucht – Reinecker will das jetzt filmisch umsetzen.

In Reineckers Animations­film spielt Düsseldorf eine zentrale Rolle: Die Stadt soll die Alltagswel­t des Protagonis­ten Paul darstellen, aus der er entfliehen möchte. Als moderne Großstadt soll Düsseldorf einen Kontrast zum weit entfernten San Salvador darstellen. „Die Rheinmetro­pole hat sich durch viele Bauprojekt­e in den vergangene­n Jahren enorm gewandelt“, sagt Reinecker, für den die Stadt auch eine besondere Bedeutung hat, wie er sagt. „Ich lebe hier schon sehr lange und habe so eine Beziehung zu Düsseldorf aufgebaut. Die Stadt hat viel für den Animations­film zu bieten.“

Doch noch steht Reinecker mit seinem Filmprojek­t ganz am Anfang. Da sich der Protagonis­t in der Kurzgeschi­chte gedanklich an mehreren Orten in seiner Heimatstad­t aufhält, muss Reinecker zunächst die passenden Orte in Düsseldorf dafür finden. Deshalb stehen für ihn jetzt mehrere Spaziergän­ge auf dem Programm. Immer mit dabei: Reineckers Kamera. „Ich mache mich jetzt auf die Suche nach den Orten, die einen Platz im Film bekommen sollen. Von meinen Favoriten mache ich Fotos und später im Atelier erste Skizzen“, sagt er. Die erste Auswahl zu treffen, sei zwar nicht einfach, aber notwendig. Welche Düsseldorf­er Schauplätz­e letztlich in „San Salvador“zu sehen sein werden, wird sich erst während der Entwicklun­g des Films zeigen.

Für die Herstellun­g des Films verwendet Reinecker animierte Ölbilder, die er selber anfertigt. Er arbeitet mit einer abgewandel­ten Form der Öl-auf-Glas-Technik. Dabei wird eine Folie von unten beleuchtet, mit Ölfarbe bemalt und abfotograf­iert. Aus ungefähr 6000 Einzelfoto­s soll nach etwa drei Jahren ein rund zehn Minuten langer Animations­film entstehen. Ein enorm aufwendige­s Projekt, bei dem Reinecker jetzt aber Unterstütz­ung erhält: Der Künstler bewarb sich in diesem Jahr um das Wim-Wenders-Stipendium, das vergibt die Stiftung des berühmten Regisseurs („Paris, Texas“, „Der Himmel über Berlin“) gemeinsam mit der Film- und Medienstif­tung NRW.

Reinecker hatte Erfolg. Aus 33 Bewerbunge­n wählte die Jury sechs Projekte aus, die einen Zuschuss in Gesamthöhe von 100.000 Euro erhalten, Felix Reinecker bekommt 20.000 Euro für sein aufwendige­s Projekt „San Salvador“. Die finanziell­e Unterstütz­ung ermögliche es ihm, sein Filmprojek­t mit voller Hingabe entwickeln zu können, was vor allem in der Corona-Krise wertvoll sei. „Es sind keine leichten Zeiten für Kulturscha­ffende“, sagt auch Reinecker wie viele andere. „Umso dankbarer bin ich, dass hierzuland­e mit dem Wim-Wenders-Stipendium auch unkonventi­onelle Erzählform­en gefördert werden.“

 ?? RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Felix Reinecker lebt seit 15 Jahren in Düsseldorf . Sein Animations­film „San Salvador“soll hier spielen.
RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Felix Reinecker lebt seit 15 Jahren in Düsseldorf . Sein Animations­film „San Salvador“soll hier spielen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany