Eine Kunststoffscheibe für den Esstisch
Vera Stützel empfängt leidenschaftlich gern Gäste – wegen Corona ist das schwierig. Deshalb hat sie sich eine kreative Lösung überlegt.
PEMPELFORT Auf ihre Essecke ist Vera Stützel stolz. In einem Erker mit großen Fenstern steht ein massiver Esstisch, bis zu sechs Personen finden daran Platz. Normalerweise. Denn die Corona-Pandemie macht der leidenschaftlichen Gastgeberin schon seit dem Frühjahr einen Strich durch die Rechnung. „Die meisten meiner Bekannten wollten nicht mehr zu Besuch kommen“, sagt Stützel, „da musste etwas passieren.“Die Lösung entdeckte sie nach einigen Monaten in Apotheken und an Supermarktkassen: Scheiben aus Kunststoff, die für die nötige Trennung und Spuck- sowie Niesschutz sorgen.
Kurzerhand recherchierte sie im Internet und bestellte sich bei der Fachfirma SR Kunststofftechnik in Thüringen eine Scheibe für ihren Esstisch. Nach Maß, versteht sich. „Das war ziemlich einfach“, sagt Stützel, die vor ihrer Rente als Verwaltungswirtin gearbeitet hat, „ich habe den Tisch ausgemessen, die Maße hingeschickt und die gewünschte Höhe der Scheibe.“Nach ein paar Tagen wurde sie geliefert und Stützel, die allein lebt, baute sie eigenhändig auf.
Knapp drei Wochen lang schmückt die leicht blaustichige Scheibe nun den Esstisch der Pempelforterin. „Seitdem habe ich jede Woche zwei Mal Besuch“, sagt Stützel. Maximal zwei Menschen, die aus einem Haushalt kommen – und mit strengen Regeln in Sachen Abstandhalten und Masketragen. „Außerdem wird bei jedem Gast vorher Fieber gemessen.“ Es ist eine willkommene Abwechslung; normalerweise bewirtet sie noch öfter Gäste. „Das ist einfach meine Leidenschaft, am liebsten koche ich französisch“, sagt sie.
Sie sei ohnehin ein geselliger Mensch – und sonst viel unterwegs, im Museum, in der Tonhalle oder in ihrem Lieblingslokal Rubens gleich um die Ecke, wo für sie jeden Dienstag
ein Tisch reserviert ist. „Das alles fehlt mir sehr“, sagt Stützel, „da ist es gut, dass die Scheibe dafür sorgt, dass ich wieder Besuch bekommen kann.“Auch bei diesem komme die Interimslösung im Übrigen gut an.
Für die Gerichte, die sie serviert, hat sich Stützel ebenfalls etwas überlegt. Diese kommen in kleineren Schüsseln auf den Tisch – jeweils separat für beide Seiten der Kunststoffscheibe. „Da muss man einfach ein bisschen kreativ werden, dann geht das schon“, sagt sie. Aber auch, wenn sie alleine am Tisch sitzt, lässt sie die Scheibe stehen. „Ich habe mich schon daran gewöhnt, mich stört sie nicht.“
Zudem stehe der Tisch ja so, dass der Blick aus dem Fenster immer noch „unverbaut“sei. Und wenn Gäste kämen, sei das Wichtigste ohnehin, wieder persönlich miteinander ins Gespräch zu kommen. „Ich telefoniere zwar auch viel, aber das kann kein Gespräch, kein gemeinsames Essen ersetzen.“Genügend Themen gebe es ja: zuletzt etwa die US-Wahl, aber natürlich auch die Pandemie oder die neuesten Entwicklungen
Händler Über das Internet findet man verschiedene Kunststoffhändler, die Acrylglasscheiben in vorgefertigten Größen oder nach Maß verkaufen. Zudem bekommt man auch im Baumarkt oder bei Amazon Schutzwände.
Preis Die Scheiben kosten zwischen ca. 40 und 160 Euro. Eine Woche beträgt die Lieferzeit.
in der Stadt. Bis ins nächste Jahr will Stützel die Scheibe, die ihr das ermöglicht hat, auf jeden Fall stehen lassen. Und für die Zeit nach dem Lockdown hat sie auch schon Pläne: „Als Erstes gehe ich in mein Lieblingsrestaurant“, sagt sie, „als gute Gastgeberin schätze ich es nämlich auch, selbst gut bewirtet zu werden.“