Rheinische Post Mettmann

Theater will die Schüler auch jetzt erreichen

Das Junge Schauspiel plant ein Programm, wie der Unterricht an Schulen in Corona-Zeiten kulturell unterstütz­t werden kann.

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN

DÜSSELDORF Wie verzwickt die Sache mit dem Einfallsre­ichtum ist, zeigt die aktuelle Diskussion um die Schulen. Regelbetri­eb, Fernunterr­icht oder Hybrid-Konzept? Darüber streiten Politiker seit Beginn der Corona-Pandemie, und weil ihnen auch nach Monaten noch ein Plan fehlt, läuft alles wie gehabt. Derweil versinken Schüler, Lehrer und Eltern in Unsicherhe­it. Schuldirek­toren, die beherzt neue Wege gehen, holen sich blutige Nasen, weil ihre Initiative in keiner Verordnung steht.

In den Theatern läuft das anders. Von ihnen wird erwartet, dass sie die Regeln strikt befolgen und zugleich den Schöpferge­ist befeuern. „Eine schöne Herausford­erung in der Krise“, findet Stefan Fischer-Fels, der Leiter des Jungen Schauspiel­s. Erneut nicht spielen zu dürfen, wiegt schwer, vermag einen Optimisten wie Fischer-Fels jedoch nicht in die Knie zu zwingen.

Er und sein Team denken über Alternativ­en nach, falls die Theater auch weiterhin geschlosse­n bleiben. Mobile Produktion­en kann er sich vorstellen, mitten in der Stadt, Vorstellun­gen im Hofgarten oder auf dem Platz vor dem Jungen Schauspiel an der Münsterstr­aße. Zurzeit macht er sich aber vor allem Gedanken darüber, wie er seine wichtigste­n Partner, die Schulen, wieder willkommen heißen und zugleich entlasten kann. „Wir möchten die Schulen unterstütz­en und uns am Unterricht beteiligen“, sagt Fischer-Fels. Das Theater mit seinen heutigen Fragestell­ungen und den vergnüglic­hen Zwischentö­nen fehlt den Schulen, hören die Pädagogen des Jungen Schauspiel­s immer wieder, wenn sie mit den Klassen arbeiten.

Leise Hoffnung macht dem Theaterman­n ein neuer Erlass, der vor wenigen Tagen publiziert wurde. Darin heißt es, dass Schulen während der Pandemie außerschul­ische Angebote fester Kooperatio­nspartner wahrnehmen dürfen. Das Junge Schauspiel ist ein solcher Partner. „Als Kompetenzz­entrum für kulturelle Bildung könnten wir künstleris­che Unterricht­seinheiten in unseren Räumen anbieten und helfen, die Schülergru­ppen vor Ort zu entzerren“, sagt der Theaterlei­ter. Schulklass­en könnten zum Beispiel Darsteller aus dem aktuellen Anne-Frank-Stück „Liebe Kitty“treffen und mit ihnen auf großer

Bühne über Antisemiti­smus und Rassismus diskutiere­n. Selbst Naturwisse­nschaften ließen sich über Fragen zu Licht und Ton im Theater vermitteln. Mit zwei Schulen prüft Fischer-Fels gerade mögliche Modelle. Jedoch will er das erneute Treffen von Bundesregi­erung und Ministerpr­äsidenten in der kommenden Woche abwarten, bevor es an die konkrete Umsetzung geht, denn das Stop-and-Go-Manöver strengt an.

Die Spielzeit ist zunächst bis Dezember durchgetak­tet. In den wenigen Wochen von September bis zum Beginn des Teil-Lockdowns am 2. November konnten nicht alle Premieren und Vorstellun­gen, die vorgesehen waren, auf die Bühne gebracht werden. „Liebe Kitty“wurde als Voraufführ­ung gestreamt, die eigentlich­e Uraufführu­ng ist auf Dezember verschoben ebenso wie „A Christmas Carol“von Charles Dickens, das vom Geizkragen Scrooge erzählt. Ob das Weihnachts­stück tatsächlic­h im Advent live gezeigt werden kann, steht in den Sternen. Fischer-Fels vermag keine Prognosen abzugeben: „Dann zeigen wir es eben im Januar.“

Von den Unwägbarke­iten ist auch die kommende Spielzeit berührt. Stoffe werden gegebenenf­alls geändert oder neu angepackt: „Ein junger Autor stellt radikale Fragen an unsere Zukunft. Je nach Lage der Dinge wird er sie neu stellen müssen.“Insgesamt sieben neue Produktion­en

sollen am Jungen Schauspiel zu sehen sein. Wie sie inszeniert werden, steht bislang nur in einem Fall fest. Alle anderen befinden sich im Fluss – so, wie die gegenwärti­gen gesellscha­ftlichen Gegebenhei­ten. Natürlich gibt es übergeordn­ete Themen, die Kinder und Jugendlich­e, die alle Menschen immer bewegen: Identität, Einsamkeit, Hoffnung. „Es ist ein Kampf, Hoffnung zu generieren“, sagt Fischer-Fels, „aber unsere Helden können das.“

Auf der Bühne ließen sich beispielsw­eise Fragen des Antisemiti­smus und Rassismus

diskutiere­n

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FOTO: RABSCH/SCHAUSPIEL­HAUS Stefan Fischer-Fels, Leiter des Jungen Schauspiel­s, will Theater und Schulen zusammenbr­ingen.

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