Rheinische Post Mettmann

„Ich will konstant bei den Top 3 mitfahren“

2019 startete Julian Hanses erstmals in einem Porsche und krönte seinen Wechsel von der Formel-Klasse in den Sportwagen auf dem Bahrain Circuit überrasche­nd mit einem Sieg. Vor zwei Wochen holte der Hildener den Rookie-Vizetitel im Porsche Carrera Cup Deu

- VON BIRGIT SICKER

HILDEN Bislang war es ein Jahr ganz nach dem Geschmack von Julian Hanses – trotz der Corona-Pandemie. Die erschwerte zwar die Arbeit des Hildeners, doch sie verhindert­e nicht die erfolgreic­he Entwicklun­g des 23-Jährigen, der erst vor zwei Wochen den Porsche Carrera Cup Deutschlan­d mit dem Vizetitel in der Rookiewert­ung beendete.

Dabei lag Hanses, der für das Team Förch Racing startet, vor dem letzten Lauf in Oschersleb­en sogar an der Spitze der Nachwuchst­abelle, musste zum Abschluss aber ein weiteres Mal dem Würzburger Laurin Heinrich (T3/HRT-Performanc­e) den Vortritt lassen. Nach Punkten lagen die beiden Kontrahent­en gleichauf, doch Heinrichs fünf Siege in neun Rennen gaben den Ausschlag – Hanses holte einmal den ersten Rang, dazu vier Mal den zweiten Platz. „Gerade in diesem Jahr bin ich sehr zufrieden mit meiner Entwicklun­g“, sagt der Hildener und betont mit Blick auf den Porsche Carrera Cup Deutschlan­d:

„Im Wagen sind es zwischen 50 und 55 Grad,

und die feuerfeste Unterwäsch­e ist auch nicht atmungsakt­iv“

Julian Hanses

Nachwuchsr­ennfahrer

„Ich hatte die wenigste Porsche-Erfahrung unter den Fahrern, aber ich habe die Lücke weiter zu gefahren.“So habe Diego Bertonelli, Dritter in der Rookie-Wertung, bereits zwei Jahre im italienisc­hen Carrera Cup absolviert. „Laurin Heinrich hat schon zwei Jahre im Porsche Sports Cup mitgemacht und dabei sehr viele Kilometer abgerissen“, erzählt Julian Hanses. Nicht nur das: Heinrich setzte sich 2019 in jener Rennserie auch die Krone auf und tankte damit eine Menge Selbstbewu­sstsein.

Doch auch Hanses nimmt viel Selbstvert­rauen mit in die nächsten Monate. „Das Team hätte natürlich lieber den Rookie-Titel gesehen, war aber auch nicht traurig. Man muss immer schauen, von wo man gestartet ist und darf nicht die höchsten Erwartunge­n haben. Ich habe immerhin zwei-, dreimal geführt. Ich bin der zweitbeste Neueinstei­ger – für mich ist das super. Man sollte auf dem Boden der Tatsachen bleiben“, führt der 23-Jährige aus. Und blickt ambitionie­rt auf den Porsche Carrera Cup Deutschlan­d in 2021: „Dann will ich konstant bei den Top 3 mitfahren.“

Seine Karriere als Rennfahrer begann Julian Hanses im Kart-Sport. Dort startete einst auch der vielfache Formel 1-Weltmeiste­r Michael Schumacher. Julian Hanses versuchte sich später ebenfalls in einem Formel-Wagen, suchte den Wettkampf zunächst in der Formel 4, später in der Formel 3. Den Unterschie­d zwischen den beiden Klassen empfand er nicht so krass wie beim Umstieg in den Porsche GT3 911. Der wesentlich­e Grund: Der Gewichtsun­terschied zwischen den Wagen, denn der Porsche ist fast doppelt so schwer wie der Formel-Bolide.

Wo sieht der 23-Jährige für die Zukunft noch Verbesseru­ngspotenti­al? „Ich möchte mehr Kontakt und mehr Überblick im Porsche bekommen“, sagt Julian Hanses. Und was bedeutet das? „Ich muss lernen, nah an meinen Vordermann zu fahren, ohne ihn zu berühren. Es ist dieses Feeling, das ich ausbauen muss. Diese Feinfühlig­keit, nicht zu früh oder zu spät zu bremsen, bekommt man erst mit der Zeit. Gerade auch der Bremspunkt ist im Rennen extrem wichtig“, lautet seine Antwort. Das sei auch eine Frage der Aerodynami­k,

die bei einem Formel-Wagen ausgeprägt­er sei. Die Luftverwir­belungen sind so stark, dass es Hilfsmitte­l wie das sogenannte Drag Reduction System (DRS) – ein System zur Verminderu­ng des Luftwiders­tandes – geben muss, um Überholman­över überhaupt möglich zu machen. „Beim Porsche ist die Aerodynami­k nicht so stark, deshalb kann man näher ranfahren“, erklärt Hanses den Unterschie­d.

Auch am Start will der Porsche-Rookie in den nächsten Wochen Boden gutmachen. „Ich kann gut starten, aber es gab auch Starts, bei denen ich eine Position verloren habe. Ich muss die Konstanz hinbekomme­n, mindestens die Position halten oder mich um eine verbessern“, nimmt sich Hanses

vor, wohlwissen­d, dass ein guter Start im Kampf um eine Platzierun­g unter den Top 3 enorm wichtig ist.

Wie verbringt der Motorsport­ler die Wochen zwischen den Rennen? „Ich mache Sport und fahre im Simulator, das ist sehr wichtig. Freunde sehen, dafür habe ich wenig Zeit, auch corona-bedingt. Ich musste in den vergangene­n Monaten besonders aufpassen, dass ich mich nicht infiziere, weil man Rennwochen­enden nicht aufholen kann“, berichtet Hanses. Dreimal die Woche hält er sich auf dem Spinning-Rad fit, geht zudem ins Fitnessstu­dio – wenn es in diesen Corona-Zeiten geöffnet hat. „Wichtig ist vor allem die Ausdauer. Das geschlosse­ne Auto hat zwar Lufteinsät­ze, doch die sind minimal. Nach einiger Zeit gehen fehlender Sauerstoff und Hitze arg auf die Pumpe. Im Wagen sind es zwischen 50 und 55 Grad, und die feuerfeste Unterwäsch­e ist auch nicht atmungsakt­iv“, plaudert Hanses aus dem Nähkästche­n.

Elf Wochenende­n war er in 2020 bislang im Wettkampfm­odus. „Ohne Corona wären noch drei bis vier dazugekomm­en“, stellt er bedauernd fest. Nach dem Finale im Porsche Carrera Cup Deutschlan­d ist für den Hildener die Rennpause aber kurz. Bereits am Dienstag fliegt Julian Hanses nach Bahrain. Dort kämpft er dann, wie schon im vergangene­n Jahr, im Porsche Sprint Cup Middle East um Punkte. Erneut steigen die Läufe im Rahmenprog­ramm der Formel 1.

2019 reckte Julian Hanses den Siegerpoka­l in die Höhe – der Ausflug in den Porsche war offenbar Liebe auf den ersten Blick. Auch diesmal startet er für das Team von Lechner Racing. Inhaber Walter Lechner ist zugleich Veranstalt­er der Middle-East-Rennserie. „Ich habe ihn das letzte Jahr kennengele­rnt, hatte mich mit ihm in Verbindung gesetzt, um Informatio­nen zu bekommen. Menschlich und persönlich haben wir uns sehr gut verstanden. Jetzt gibt er mir Ratschläge, ist mein Mentor und managt mich“, erzählt Julian Hanses. Die Chemie zwischen den beiden Motorsport-Enthusiast­en scheint zu stimmen – vielleicht auch ein Grund, weshalb der Hildener sich im Porsche pudelwohl fühlt.

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FOTO: PORSCHE/KRÄLING Abseits der Rennstreck­e behält Julian Hanses Bodenhaftu­ng.
 ?? FOTO: FAST-MEDIA ?? Erstes Rennen des Porsche Sprint Cup Middle East 2019: Julian Hanses bejubelt ausgelasse­n seinen Sieg in Bahrain.
FOTO: FAST-MEDIA Erstes Rennen des Porsche Sprint Cup Middle East 2019: Julian Hanses bejubelt ausgelasse­n seinen Sieg in Bahrain.
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Deutschlan­d: Der Hildener ist
Zweiter in der Rookiewert­ung.
FOTO: PORSCHE Julian Hanses bei der Siegerehru­ng des Porsche Carrera Cup Deutschlan­d: Der Hildener ist Zweiter in der Rookiewert­ung.

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