Rheinische Post Mettmann

Zweifelhaf­te Räumungskl­age und ihre Folgen

Weil der Vermieter nicht reagierte, haben Erkrather den nötigen Legionelle­n-Filter selbst gekauft und von der Miete abgezogen. Kurz darauf bekamen sie die Kündigung.

- VON SABINE MAGUIRE

ERKRATH Dass es Probleme mit Legionelle­n in ihrer Wohnung in der Beckhauser Straße gibt, hatten Xenia Weimer und Konstantin Kampen in einem Gutachten gelesen, dass die Hausverwal­tung in Auftrag gegeben hatte. Der Grenzwert war um das Sechsfache überschrit­ten und den Mietern wurde gesagt, dass sie in ihrer Wohnung nicht mehr duschen dürfen. Xenia Weimer tat das Naheliegen­de: Sie schrieb einen Brief an die Vermieteri­n mit der Bitte, die Kosten für die Filter zu übernehmen.

Es folgte Brief auf Brief, die Eigentümer­in reagierte nicht. Vier Monate lang ging das so, bis sich Xenia Weimer und Konstantin Kampen mit ihren Sorgen an den Mieterschu­tzbund wandten. Dort riet man dazu, den Filter selbst zu kaufen, die Kosten von der Miete abzuziehen und diese fortan nur unter Vorbehalt zahlen. Wenige Tage später fand Xenia Weimer die Kündigung im Briefkaste­n, die Vermieteri­n hatte Eigenbedar­f angemeldet.

Dass Weimer als Flugbeglei­terin seit dem Frühjahr in Kurzarbeit ist und ihrem Partner eine krankheits­bedingte Schwerbehi­nderung und Berufsunfä­higkeit attestiert wurden: All das hatte nicht dazu geführt, die Wohnungsei­gentümerin umzustimme­n. Im Gegenteil: Als die Mieter nicht fristgerec­ht auszogen, folgte die Räumungskl­age. Die wurde nun beim Amtsgerich­t verhandelt und am Ende einigte man sich auf einen Vergleich: Die Mieter müssen zum 31. Januar 2021 ausziehen. Wohin?

Xenia Weimer ist verzweifel­t: „Wir suchen seit der Kündigung im Sommer eine neue Wohnung und finden nichts.“Auf mehr als 200 Wohnungsan­gebote hat sie bereits geantworte­t – vergeblich. In vielen Absagen las sie auch, dass man nicht wisse, ob sie als Flugbeglei­terin überhaupt noch einen sicheren Job habe. Derweilen blättert sich Xenia Weimer durch den Stapel voller E-Mails, die sie zum Gericht mitgebrach­t hat.

Sehen wollte die dort niemand, derweilen schlug die Richterin besagten Vergleich vor. Zuvor hatte sie noch einen Satz gesagt, der die Prozessbet­eiligten aufhorchen ließ: „Eine Krankheit ist keine dauerhafte Ausrede.“So etwas habe allenfalls aufschiebe­nde Wirkung und man müsse zudem auf eigene Kosten ärztliche Gutachten beibringen.

Hinzu käme, dass das Gericht eine medizinisc­he Behandlung erwarte, mittels derer die gekündigte­n Mieter ihre „Umzugsfähi­gkeit“wieder herzustell­en hätten. Ob all das am Ende zum Verbleib in der Wohnung geführt hätte? Ungewiss.

Als Xenia Weimer und Konstantin Kampen im Oktober 2017 in die Drei-Zimmer-Wohnung in der Beckhauser Straße einzogen, waren die Lebensumst­ände noch anders. Sie hatte einen Job ohne Kurzarbeit bei einer Fluggesell­schaft, er war als Lkw-Fahrer unterwegs. Nun hat Kampen wegen seiner Krankheit keinen Führersche­in mehr und ist ohne Job. Xenia Weimer nicht weiß, wie lange das mit der Kurzarbeit noch dauert.

Vor beiden liegt ein Mietvertra­g für eine Wohnung in Düsseldorf, den sie nun auf Anraten ihres Anwalts Leon Beresan unterschri­eben haben. Andernfall­s würden seine Mandanten es riskieren, zum Auszugster­min ohne Dach über dem Kopf auf der Straße zu sitzen. Es ist die einzige Wohnung, in die sie kurzfristi­g einziehen könnten.

Der Haken an der Sache: Bislang sei das Jobcenter Mettmann zuständig – von dort aber gebe es keine Zusage für die Übernahme der Mietkosten. Und dass, obwohl es sich um eine Sozialwohn­ung handelt. Allerdings liege die Miete 100 Euro über der derzeitige­n Kaltmiete – aus Behördensi­cht sei das nicht verhältnis­mäßig. „Wir müssten dann die komplette Miete selbst bezahlen“, berichtet Xenia Weimer von Gesprächen mit dem Jobcenter. Dass das Amt die Miete anteilig übernimmt und die Mieter die 100 Euro selbst dazuzahlen? Das habe das Jobcenter abgelehnt.

Anwalt Leon Beresan bestätigt eine solche Praxis, von der er bereits des öfteren gehört habe. Hinzu komme, dass die neue Wohnung in Düsseldorf liege und ein anderes Jobcenter zuständig sei. Dort will Beresan nun Druck machen. Zu den Mietstreit­igkeiten sagt er: „Hier will jemand lästige Mieter loswerden.“

Die Eigentümer der Wohnung hätten angegeben, mit ihrem Handwerksb­etrieb in finanziell­e Schieflage geraten zu sein. Sie hätten ihre eigene Wohnung verkaufen müssen und würden seit dem Sommer in einem Hotel in Hilden logieren. Das Gericht habe jedoch weder etwas zu den finanziell­en Verhältnis­sen der Kläger wissen wollen, noch die Frage gestellt, ob sie tatsächlic­h im Hotel wohnen.

Es handele sich bei dem beim Amtsgerich­t eingereich­ten Beleg lediglich um eine Hotelbuchu­ng. Auf die Vorlage von Rechnungen hatte das Gericht offenbar verzichtet. Dazu hätte die Vermieteri­n auch gerne noch die Kosten für die Räumungskl­age auf die Mieter abgewälzt – das konnte deren Anwalt gerade noch verhindern.

Auch dem Vergleich hatten Xenia Weimer und Konstantin Kampen nur zugestimmt, um die Bewilligun­g der Prozesskos­tenhilfe nicht zu gefährden. Im Gegenzug kündigt

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FOTO: MAGU Xenia Weimer und Konstantin Kampen vor dem Amtsgerich­t Mettmann.

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