Rheinische Post Mettmann

Die Logik der Gegner des Iran greift zu kurz

- VON THOMAS SEIBERT

Israel und die scheidende Trump-Regierung in den USA wollen mit dem Mord an dem Atomwissen­schaftler Mohsen Fachrisade­h die Spannungen mit dem Iran anheizen und neue Verhandlun­gen des künftigen Präsidente­n Biden mit dem Iran schon jetzt torpediere­n. Die militanten Iran-Gegner im Westen sehen das Regime in Teheran nach der Gewalttat als den großen Verlierer. Entweder schlägt die Islamische Republik zurück und provoziert damit eine größere militärisc­he Auseinande­rsetzung, bei der sich für Biden jeder Gedanke an einen Neuanfang mit dem Iran verbietet. Oder die Führung in Teheran verzichtet darauf und steht als zahnloser Tiger da.

Tatsächlic­h wird das Regime einen Krieg vermeiden wollen, schon aus Furcht vor einem Regimewech­sel in Teheran nach einer Niederlage. Trotzdem greift die Logik der Iran-Gegner zu kurz. Die Demütigung für das iranische Regime wird möglicherw­eise Folgen haben, die sich der Westen nicht wünschen kann.

So könnten der Iran oder verbündete Gruppen als Vergeltung zivile Ziele ins Visier nehmen, zu denen israelisch­e Einrichtun­gen und Bürger überall auf der Welt gehören – auch in Deutschlan­d und anderen europäisch­en Staaten. Der Iran hat in der Vergangenh­eit mehrfach bewiesen, dass er zu Terroransc­hlägen im Ausland fähig ist. Auch könnte die iranische Regierung weiter aufrüsten. Teheran könnte den Atomwaffen­sperrvertr­ag verlassen, der zurzeit noch intensive Inspektion­en ermöglicht. Nach einem Austritt aus dem Vertrag wäre es für die internatio­nale Gemeinscha­ft wesentlich schwierige­r, das iranische Atomprogra­mm im Auge zu behalten. Es gibt bereits erste Forderunge­n im Iran, internatio­nale Atominspek­toren aus dem Land zu werfen. Fachrisade­hs Tod löst keines der Probleme, die der Westen mit dem Iran hat, schafft aber möglicherw­eise neue.

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