Volle Städte, leere Kassen
Am Wochenende gab es Gedränge in vielen Fußgängerzonen. Höhere Umsätze brachte das dem Handel jedoch nicht.
KÖLN Genau das hatten sie im Handel befürchtet: Zwei Einkaufszentren in Köln mussten am Freitag laut „WDR“zeitweise den Ein- und Ausgang beschränken, im Essener Einkaufszentrum Limbecker Platz bildeten sich am gleichen Tag lange Schlangen. In Bielefeld musste sogar das Ordnungsamt eingreifen, weil sich die Menschen so dicht ballten, dass Abstände nicht mehr eingehalten werden konnten – und das, obwohl die von der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten beschlossenen, strikteren Flächenbeschränkungen für den Handel noch nicht mal in Kraft getreten sind.
Das für den Handel so wichtige Weihnachtsgeschäft, so viel lässt sich nach dem ersten Adventswochenende bereits sagen, wird die erwartete Herausforderung für die Innenstädte – und die gesamte Branche. Denn Gedränge herrscht angesichts der Personenbeschränkungen oft nur vor, aber nicht in den Geschäften. In einer Umfrage unter Händlern des Handelsverbands Deutschland (HDE) gab jeder zweite Händler an, dass er mit sinkenden Umsätzen rechne. „Die Aussichten für das Weihnachtsgeschäft sind in diesem Corona-Jahr vor allem für viele innerstädtische Händler und dort insbesondere die Modehäuser beunruhigend schlecht“, sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.
Am ersten Adventswochenende haben sich viele der Befürchtungen der Branche bereits bewahrheitet. So hatte der Handelsverband vor Warteschlangen gewarnt, weil dadurch das Infektionsrisiko steigen könnte. Gleichzeitig prognostizierte man, dass viele Menschen von den Regelungen abgeschreckt werden könnten – und stattdessen Geschenke und Weihnachtseinkäufe lieber im Internet ordern würden. Der Handelsverband NRW meldete dazu am Sonntag, dass laut einer aktuellen Umfrage 40 Prozent der Händler am ersten Adventssamstag viel weniger Kunden in ihren Läden begrüßen konnten als in den Vorjahren. So fehlen dem Münsterland etwa die Besucher aus den Niederlanden, die den Einkauf in der Vergangenheit häufig mit einem Bummel über einen Weihnachtsmarkt verbunden hatten. Entsprechend stark sind daher vielerorts die Umsätze zurückgegangen.
Ein Widerspruch zu dem Gedränge und den langen Warteschlangen ist das nicht – denn durch die Corona-Beschränkungen dürfen die Geschäfte nur viel weniger Kunden pro Quadratmeter Verkaufsfläche zulassen. Ab Dezember sollen diese Regelungen sogar noch einmal verschärft werden: Geschäfte mit einer Fläche von bis zu 800 Quadratmeter dürfen dann lediglich eine Person pro zehn Quadratmeter einlassen, Geschäfte mit mehr Fläche sogar nur eine Person pro 20 Quadratmeter. Gleichzeitig verhindert ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts die Öffnung der Geschäfte an den Sonntagen in der Vorweihnachtszeit. Die
Gewerkschaft Verdi hatte gegen entsprechende Pläne von Handel und NRW-Landesregierung erfolgreich geklagt.
Kölns parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker sagte dem „ZDF“, dass sie befürchte, die neuen Regelungen von Bund und Ländern würden nicht zu weniger Kunden in den Läden, sondern zu mehr Menschen in den Fußgängerzonen führen. „Leider wurden ja auch noch die verkaufsoffenen Sonntage, die zur Entzerrung hätten beitragen können, untersagt. Dies wird die Situation an den kommenden Freitagen und Samstagen eher noch verschärfen“, so Reker.
Auch der CDU-Wirtschaftsrat sieht die neuen Regelungen kritisch. „Schon jetzt gibt es eine unschöne Situation in den Innenstädten. Die neue Quadratmeter-Regelung von bisher einem Kunden pro zehn Quadratmeter Verkaufsfläche auf 20 Quadratmeter ist perfekt dazu geeignet, Warteschlangen vor Supermärkten oder Kaufhäusern zu erzeugen, die das Ansteckungspotential weiter beflügeln könnten. Nicht zu unterschätzen ist zudem die psychologische Wirkung von Schlangen vor Supermärkten, die das ungewünschte Potential haben, neue Hamsterkäufe auszulösen“, sagte Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrats.