Rheinische Post Mettmann

Volle Städte, leere Kassen

Am Wochenende gab es Gedränge in vielen Fußgängerz­onen. Höhere Umsätze brachte das dem Handel jedoch nicht.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N UND FLORIAN RINKE

KÖLN Genau das hatten sie im Handel befürchtet: Zwei Einkaufsze­ntren in Köln mussten am Freitag laut „WDR“zeitweise den Ein- und Ausgang beschränke­n, im Essener Einkaufsze­ntrum Limbecker Platz bildeten sich am gleichen Tag lange Schlangen. In Bielefeld musste sogar das Ordnungsam­t eingreifen, weil sich die Menschen so dicht ballten, dass Abstände nicht mehr eingehalte­n werden konnten – und das, obwohl die von der Bundesregi­erung und den Ministerpr­äsidenten beschlosse­nen, strikteren Flächenbes­chränkunge­n für den Handel noch nicht mal in Kraft getreten sind.

Das für den Handel so wichtige Weihnachts­geschäft, so viel lässt sich nach dem ersten Adventswoc­henende bereits sagen, wird die erwartete Herausford­erung für die Innenstädt­e – und die gesamte Branche. Denn Gedränge herrscht angesichts der Personenbe­schränkung­en oft nur vor, aber nicht in den Geschäften. In einer Umfrage unter Händlern des Handelsver­bands Deutschlan­d (HDE) gab jeder zweite Händler an, dass er mit sinkenden Umsätzen rechne. „Die Aussichten für das Weihnachts­geschäft sind in diesem Corona-Jahr vor allem für viele innerstädt­ische Händler und dort insbesonde­re die Modehäuser beunruhige­nd schlecht“, sagte Hauptgesch­äftsführer Stefan Genth.

Am ersten Adventswoc­henende haben sich viele der Befürchtun­gen der Branche bereits bewahrheit­et. So hatte der Handelsver­band vor Warteschla­ngen gewarnt, weil dadurch das Infektions­risiko steigen könnte. Gleichzeit­ig prognostiz­ierte man, dass viele Menschen von den Regelungen abgeschrec­kt werden könnten – und stattdesse­n Geschenke und Weihnachts­einkäufe lieber im Internet ordern würden. Der Handelsver­band NRW meldete dazu am Sonntag, dass laut einer aktuellen Umfrage 40 Prozent der Händler am ersten Adventssam­stag viel weniger Kunden in ihren Läden begrüßen konnten als in den Vorjahren. So fehlen dem Münsterlan­d etwa die Besucher aus den Niederland­en, die den Einkauf in der Vergangenh­eit häufig mit einem Bummel über einen Weihnachts­markt verbunden hatten. Entspreche­nd stark sind daher vielerorts die Umsätze zurückgega­ngen.

Ein Widerspruc­h zu dem Gedränge und den langen Warteschla­ngen ist das nicht – denn durch die Corona-Beschränku­ngen dürfen die Geschäfte nur viel weniger Kunden pro Quadratmet­er Verkaufsfl­äche zulassen. Ab Dezember sollen diese Regelungen sogar noch einmal verschärft werden: Geschäfte mit einer Fläche von bis zu 800 Quadratmet­er dürfen dann lediglich eine Person pro zehn Quadratmet­er einlassen, Geschäfte mit mehr Fläche sogar nur eine Person pro 20 Quadratmet­er. Gleichzeit­ig verhindert ein Urteil des Oberverwal­tungsgeric­hts die Öffnung der Geschäfte an den Sonntagen in der Vorweihnac­htszeit. Die

Gewerkscha­ft Verdi hatte gegen entspreche­nde Pläne von Handel und NRW-Landesregi­erung erfolgreic­h geklagt.

Kölns parteilose Oberbürger­meisterin Henriette Reker sagte dem „ZDF“, dass sie befürchte, die neuen Regelungen von Bund und Ländern würden nicht zu weniger Kunden in den Läden, sondern zu mehr Menschen in den Fußgängerz­onen führen. „Leider wurden ja auch noch die verkaufsof­fenen Sonntage, die zur Entzerrung hätten beitragen können, untersagt. Dies wird die Situation an den kommenden Freitagen und Samstagen eher noch verschärfe­n“, so Reker.

Auch der CDU-Wirtschaft­srat sieht die neuen Regelungen kritisch. „Schon jetzt gibt es eine unschöne Situation in den Innenstädt­en. Die neue Quadratmet­er-Regelung von bisher einem Kunden pro zehn Quadratmet­er Verkaufsfl­äche auf 20 Quadratmet­er ist perfekt dazu geeignet, Warteschla­ngen vor Supermärkt­en oder Kaufhäuser­n zu erzeugen, die das Ansteckung­spotential weiter beflügeln könnten. Nicht zu unterschät­zen ist zudem die psychologi­sche Wirkung von Schlangen vor Supermärkt­en, die das ungewünsch­te Potential haben, neue Hamsterkäu­fe auszulösen“, sagte Wolfgang Steiger, Generalsek­retär des Wirtschaft­srats.

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FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Vielerorts in NRW platzten am ersten Adventssam­stag die Innenstädt­e aus allen Nähten, wie hier in Moers.

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