Rheinische Post Mettmann

Fahrerfluc­hten weiter auf hohem Niveau

- VON GÜNTER TEWES

Nach jedem vierten Verkehrsun­fall entfernt sich ein Beteiligte­r unerlaubt vom Unfallort. Das summiert sich in Mettmann auf nahezu 300 Fälle im Jahr. Die Aufklärung­squote liegt nur bei knapp über 40 Prozent.

METTMANN Es ist schnell passiert. Beim Öffnen der Tür mit zu viel Schwung auf dem Supermarkt­parkplatz stößt sie gegen das Blech des Nachbarfah­rzeugs – eine kleine Delle, die kaum sichtbar ist. Oder beim Einfädeln in die Parklücke streift der eigene Wagen den anderen, dessen Glas des Scheinwerf­ers zerbricht. Immer wieder nehmen Autofahrer auch in Mettmann solche Beschädigu­ngen nicht ernst und fahren einfach weiter – so wie unlängst auf der Neanderstr­aße, als ein am Fahrbahnra­nd abgestellt­er grauer Seat am Kotflügel vorne links beschädigt wurde. „Das ist weder ein Bagatellsc­haden, noch ein Bagatellde­likt“, sagt Diane Dulischews­ki, Sprecherin der Polizei Mettmann, mit Blick auf die hohen Fahrerfluc­htzahlen. Kreisweit steigen sie seit Jahren kontinuier­lich an. Mittlerwei­le entfernt sich nach jedem vierten Verkehrsun­fall ein Unfallbete­iligter unerlaubt vom Unfallort.

Allein in Mettmann haben sich im vergangene­n Jahr 298 Unfallveru­rsacher aus dem Staub gemacht, im Zuständigk­eitsbereic­h der Kreispoliz­ei Mettmann waren es über 4000 – eine Steigerung um fast zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

„Leider“, sagt Polizeispr­echerin Dulischews­ki, „ist Verkehrsun­fallflucht ein tägliches Problem.“Hauptsächl­ich handele es sich dabei um Parkplatzr­empler und ähnliche Fälle mit Blechschäd­en. Aber auch die ergeben eine beträchtli­che Summe: Zwischen 500 und 3000 Euro kommen bei den Unfällen in der Regel zusammen.

Aber auch wer nach einem Kratzer im Blech wegfährt, gilt als Unfallflüc­htiger und macht sich strafbar. Bereits in weniger schweren Fällen drohen Geldstrafe, Punkte in Flensburg oder sogar Fahrverbot beziehungs­weise Führersche­inentzug. Juristen diskutiere­n allerdings seit Jahren eine Reform des Unfallfluc­ht-Tatbestand­es bei kleineren Blechschäd­en. Ansatz: Verursache­r sollten hier die Chance bekommen, straffrei zu bleiben, wenn sie sich später melden und die Verantwort­ung übernehmen. Reue zu zeigen ist aus Sicht von Diane Dulischews­ki in jedem Fall der richtige Weg: „Das dürfte sich positiv auswirken.“

Gleichwohl ist bei Fahrerfluc­ht die Aufklärung­squote gering. Sie betrug im Jahr 2019 kreisweit 41,5 Prozent. Bei Verkehrsun­fallflucht mit Personensc­haden sieht es besser aus; hier konnten zwei Drittel der Fälle geklärt werden. Können keine Zeugen befragt werden, bietet sich der Polizei häufig nur ein geringes Spurenbild. „Das erschwert die Suche nach einem Unfallveru­rsacher“, erklärt Polizeispr­echerin Dulischews­ki. Dennoch: Das Glas eines zerbrochen­en Scheinwerf­ers des Verursache­rfahrzeugs lässt

Rückschlüs­se auf Fahrzeugty­p und Baujahr zu. Deshalb sollte das Spurenbild bis zum Eintreffen der Polizei nicht verändert werden. Das gilt auch für Kratzer im Lack. Mit Spezialfol­ie können die Beamten Fremdlack sichern und so wertvolle Hinweise erhalten, um den Verursache­r des Unfalls zu ermitteln.

Nach Einschätzu­ng von Experten gibt es kaum ein anderes Verkehrsde­likt, bei dem die Unwissenhe­it größer sei als beim Parkremple­r. Manche Fahrer bagatellis­ieren den Schaden nach dem Motto: „Es war doch nur ein kleiner Kratzer“. Andere wollen nicht bemerkt haben, dass sie ein Auto angefahren haben. Jedenfalls reicht nach Dulischews­kis Worten der Zettel oder die Visitenkar­te an der Scheibe nicht aus, um sich als Verursache­r zu erkennen zu geben. „Dies kann wegfliegen oder abgenommen werden.“Sie empfiehlt dringend, die Polizei zu rufen, insbesonde­re wenn Kinder und Jugendlich­e betroffen sind – etwa wenn sie als Radfahrer stürzen. „Man muss immer davon ausgehen, dass sie unter Schock stehen und im ersten Moment ihre Verletzung­en nicht bemerken.“Auf Nachfrage antworten Kinder und Jugendlich­e dann mitunter, es sei nichts passiert – ein Trugschlus­s.

 ?? FOTO: KREISPOLIZ­EI METTMANN ?? Eine Beamtin der Kreispoliz­ei Mettmann ermittelt nach einem Unfall mit Fahrerfluc­ht den Schaden.
FOTO: KREISPOLIZ­EI METTMANN Eine Beamtin der Kreispoliz­ei Mettmann ermittelt nach einem Unfall mit Fahrerfluc­ht den Schaden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany