Rheinische Post Mettmann

Wie Beethoven im Himmel das Internet entdeckte

Musik ohne Grenzen: Aus der Düsseldorf­er Tonhalle wurde ein Konzert mit der 7. Sinfonie A-Dur unter Leitung von Adam Fischer live gestreamt.

- VON WOLFRAM GOERTZ

DÜSSELDORF Ludwig van Beethoven war gar nicht zu beruhigen. „Jetzt nähert sich mein 250. Geburtstag, und was machen sie da unten? Sie schließen die Konzertsäl­e!“

In der Abteilung „Große Komponiste­n“im Himmel versuchte jeder, ihn zu trösten. „Ludwig, wir alle haben dir so viel zu verdanken“, sagte Brahms, „das sehen die Menschen auf Erden nicht anders.“Auch Wagner, dem sie im Sommer das Festspielh­aus zugemacht hatten, kam zur Aufmunteru­ng vorbei: „Großer Meister, in sieben Jahren ist ja wieder Beethoven-Jahr. 200. Todestag. Das ist ja fast übermorgen.“

Da meldete sich der Filmmusik-Komponist Ennio Morricone zu Wort. „Freunde, ich bin ja erst vor ein paar Monaten zu euch gestoßen, ich kenne die Gründe für dieses Drama. Auf der Erde wütet eine Virus-Pandemie. Neuerdings gibt es aber Konzerte im Internet.“

„Internet? Was ist das?“, fragte Beethoven.

„Es ist eine digitale Plattform von Rechnern und Netzwerken“, erklärte Karlheinz Stockhause­n, der Urvater der elektronis­chen Musik. „Komm, Ludwig, wir googeln mal, ob du irgendwo aufgeführt wirst.“

Gemeinsam saßen alle bald vor einem großen Monitor, den Morricone mit ins Elysium geschmugge­lt hatte. Morricone rief: „Schaut mal. Beethovens Siebte mit den Düsseldorf­er Symphonike­rn, geleitet von Adam Fischer. Als Livestream!“Beethoven murmelte wohlwollen­d: „Fischer? Von dem habe ich schon gehört. Der dirigiert offenbar sogar in Wien.“

Morricone hatte den Stream aufgerufen. „Sie übertragen per Youtube, intelligen­t!“Beethoven verstand immer noch Bahnhof – bis das Bild der leeren Tonhalle erschien. Ein Mann im Anzug hielt eine kleine Rede. Es war der Intendant Michael

Becker. Er kündigte an, dass zunächst Haydns „Trauer-Sinfonie“gespielt werde. „Joseph, komm mal zu uns“, riefen sie dem Komponiste­n zu, der mit Mozart, Händel und Verdi ein paar Runden Canasta spielte.

Alle waren begeistert. „Was für eine schöne Aufführung, was für ein tolles Orchester“, rief Puccini. Schumann und Mendelssoh­n waren stolz, sie hatten in Düsseldorf selbst dirigiert.

„Warum sitzen die so weit auseinande­r?“, fragte Hindemith. Morricone wusste Antwort: „Das ist wegen des Virus. Die Musiker wollen sich nicht anstecken.“Einige trugen sogar Mundschutz, worüber Bach erschrocke­n war: „Das Virus scheint brandgefäh­rlich zu sein, wie damals bei uns die Pest.“Morricone, der Italiener, berichtete, dass schon fast 1,5 Millionen Menschen weltweit gestorben seien. Anton Bruckner leise: „Deshalb wird es hier oben gerade so voll wie lange nicht mehr.“

Als Beethovens Siebte erklang, herrschte auf einmal gelöste Stimmung bei den Komponiste­n im Himmel.

„Sehr gute Tempi, viel Energie“, staunte Beethoven. Er fand es aber schade, dass hinterher niemand applaudier­te. Der Saal war leer. „Sind wir nicht kompetente­s Publikum genug, liebe Freunde?“, donnerte Richard Wagner, worauf alle lachten.

Hinterher sagte Haydn beinahe melancholi­sch: „Das war wunderbar. Schade, dass das Konzert vorbei ist.“Morricone rief: „Vater Haydn, nein, Sie können es immer wieder hören. Das Internet löscht nichts.“Und zeigte Haydn den Knopf für die Wiederholu­ng. Der war happy und nahm erneut Platz vor dem Monitor. An Canasta war an diesem Abend nicht mehr zu denken.

Info Die Tonhalle hält alle Livestream­s des Hauses im Angebot:

www.tonhalle.de

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FOTO: TONHALLE/DIESNER Ein Konzert in der Düsseldorf­er Tonhalle ohne Publikum.

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