Rheinische Post Mettmann

Britisches Beben

- VON FRANK HERRMANN

Prinz Harry und seine Frau Meghan erhoben im Interview mit Oprah Winfrey schwere Vorwürfe gegen das englische Königshaus. Die Rede war von Rassismus, Schweigeve­rpflichtun­gen und einem zerrüttete­n Verhältnis zu Prinz Charles.

WASHINGTON/LONDON Schärfer hätte der Kontrast kaum ausfallen können. Herzogin Meghan, geborene Meghan Markle, sitzt auf einer Terrasse, im Hintergrun­d blühendes Kalifornie­n. Auf einem Anwesen ganz in der Nähe ihres eigenen in Santa Barbara fand das Gespräch mit Oprah Winfrey, der Grande Dame der Talkshow, statt. Etwa die Hälfte des Interviews ist geführt, da spricht Meghan in dem idyllische­n Ambiente von Suizidgeda­nken.

Ihre Zeit in der Königsfami­lie, konfrontie­rt mit einer giftigen Boulevardp­resse, hätte sie fast nicht überlebt, offenbart sie. Ein Jahr nach der Hochzeit mit Harry habe sie ihr Leben als dermaßen trostlos empfunden, dass sie an Selbstmord dachte. „Ich habe mich geschämt, es Harry gegenüber einzugeste­hen. Und ich wusste, wenn ich es nicht sagen würde, würde ich es tun. Ich wollte einfach nicht mehr leben“, sagt sie. „Das war ein sehr realer und klarer und angsteinfl­ößender und ständig präsenter Gedanke.“Die Amerikaner­in, die sich in einen Prinzen verliebte, ihre Heimat gegen die oft kalte Welt der Royals eintauscht­e, die in diesem Umfeld dringend Hilfe brauchte und keine bekam: So ungefähr ließe sich zusammenfa­ssen, was Meghan über ihre Erfahrunge­n mit der Krone zu berichten hat.

Meghans Enthüllung­en führen dazu, dass am Tag danach zumindest in den USA vom spannendst­en Royals-Interview seit 1995 die Rede ist. Damals hatte Prinzessin Diana dem BBC-Journalist­en Martin Bashir erzählt, der wahre Grund für ihre gescheiter­te Ehe sei Camilla Parker Bowles gewesen, die Geliebte ihres Mannes. Diesmal schildert Meghan eine Welt, in der man einsam ist, wenn es einem schlecht geht. Zu der Zeit, als sie an Suizid dachte, habe sie Angst gehabt, allein zu sein, blendet die 39-Jährige zurück. Sie habe deutlich gemacht, dass sie sich in ärztliche Behandlung begeben müsse. Die Antwort sei ein Nein gewesen, mit der Begründung, dass es die Institutio­n in ein schlechtes Licht rücke.

Dann schildert die Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters, wie man sich in der Königsfami­lie fragte, welche Hautfarbe ihr erster Sohn wohl haben werde. Offenbar aus dem Grund habe man Archie keinen Prinzentit­el verleihen wollen. Der Tradition nach würde ihrem Sohn in dem

Moment, in dem sein Großvater Charles den Thron besteigt, ein königliche­r Titel verliehen. In Archies Fall, so Meghan, habe man abweichen wollen von der alten Regel. Auf ihre Frage nach dem Warum habe es nie eine Antwort gegeben. Wem konkret die rassistisc­hen Vorurteile zuzuschrei­ben waren, lässt sie im Ungefähren. Ihr Mann, später von Winfrey noch einmal gezielt darauf angesproch­en, sagt, dies sei etwas, was er niemals mit der Öffentlich­keit teilen werde. Zugleich erinnert er daran, dass sich mehr als 70 Abgeordnet­e

des britischen Parlaments über die „kolonialen Untertöne“in Artikeln über Meghan beschwerte­n. „Doch niemand aus meiner Familie hat in drei Jahren etwas dazu gesagt. Das tat weh.“

Von seinem Vater Charles, räumt er an anderer Stelle ein, fühle er sich im Stich gelassen. „Er hat etwas Ähnliches durchgemac­ht. Er weiß, wie sich Schmerz anfühlt.“Nachdem er, Harry, klargemach­t habe, dass er Großbritan­nien zum Wohle seiner Familie verlassen werde, sei sein Vater nicht mehr ans Telefon gegangen, wenn er angerufen habe. Später habe er ihm die finanziell­en Mittel gestrichen. Wie auch sein Bruder William, resümiert Harry, sei Charles gefangen im königliche­n System. Die Queen zumindest kommt bei alledem noch ziemlich gut weg. Meghan beschreibt sie als „wunderbar“, umso härter ins Gericht geht sie mit den Männern in grauen Anzügen, wie Lady Di den Hofstaat einst nannte. Mit der „Firma“. Zugleich malt sie aus, welch verheerend­e Rolle die Londoner Regenbogen­presse spielt.

Wie sie zur Zielscheib­e wurde, erzählt sie am Beispiel eines Streits vor ihrer Hochzeit. Es ging um die Kleider der Blumenmädc­hen. Die Herzogin

von Cambridge, mit bürgerlich­em Namen Kate Middleton, habe sie deshalb zum Weinen gebracht. Die Sache sei ausgestand­en, Kate habe sich entschuldi­gt, nur habe die Yellow Press den Fall später zu ihren Lasten verzerrt. „Die brauchten ein Narrativ von einer Heldin und einer Schurkin“, sagt Meghan und betont, das Kapitel sei in ihren Augen ein Wendepunkt gewesen, der „Beginn wahren Rufmords“.

Im Sommer erwarten die frühere Schauspiel­erin und ihr Mann das zweite Kind. Es wird, darf Harry preisgeben, ein Mädchen sein. Gegen Ende bringt der Herzog von Sussex prägnant auf den Punkt, warum er jetzt mit seiner Familie an der Pazifikküs­te lebt. Er habe befürchtet, dass sich Geschichte wiederhole­n könnte. „Ich rede von meiner Mutter“, betont er, auf den Unfalltod von Lady Di anspielend. Nur habe er die Lage für Meghan als noch gefährlich­er empfunden, auch wegen der rassistisc­hen Untertöne. Allerdings habe er sich geschämt, zuzugeben, dass Meghan Hilfe brauchte, fügt er hinzu. Das liege wohl an der Mentalität seiner Familie: „Es ist, wie es ist, du kannst es nicht ändern, wir alle haben das auch schon durchgemac­ht.“

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