Rheinische Post Mettmann

„Massive logistisch­e Fehler in der Pandemie“

Der Duisburger Hafenchef über Versagen in der Krise, das Binnenschi­ff als Klimaschüt­zer und die Chancen der Digitalisi­erung.

- REINHARD KOWALEWSKY FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Staake, Sie leiten mit Duisport eines der größten Logistikun­ternehmen Deutschlan­ds. Wie bewerten Sie das Corona-Management?

STAAKE Es bedrückt mich, dass die Pandemie zu wenig entschloss­en bekämpft wird. Die Lockdowns dauern an, auch weil massive logistisch­e Fehler begangen werden. Die Praxis der Impfstoffb­estellung empfinden viele Menschen zu Recht als skandalös. Anstatt den Hersteller­n jede nur denkbare Hilfe bei Logistik und Produktion anzubieten, wurde von Bürokraten monatelang über Preise gefeilscht. Jetzt läuft die Impfkampag­ne leider viel zu langsam an, wohl auch weil die Verteilung suboptimal läuft. Mir ist schleierha­ft, warum jedes Bundesland einzeln die Verteilung des Impfstoffe­s organisier­en sollte. Eine einheitlic­he logistisch­e Lösung aus einer Hand für ganz Deutschlan­d wäre sinnvoller gewesen.

Was hätte passieren müssen?

STAAKE Unsere Regierung hätte mit der deutschen Logistikwi­rtschaft einen Plan entwerfen müssen. Weltweit gelten unsere Logistikun­ternehmen als führend. Nehmen wir die Beispiele Deutsche Post/ DHL oder Schenker, die zum Teil in Staatshand sind. Unternehme­n wie diese hätten in die Impfkampag­ne integriert werden können. Es ist doch völlig unverständ­lich, dass die FFP2-Masken für die älteren Bürger nicht einfach zentral eingekauft und verschickt wurden. Stattdesse­n werden aufwändig Bezugssche­ine gedruckt, damit die Menschen zu ihren Apothekern gehen. Das ist alles andere als profession­ell angepackt worden.

Und jetzt?

STAAKE Als unsere Landesregi­erung uns um Hilfe gebeten hat, waren wir natürlich bereit dazu. Bereits im letzten Jahr konnten wir dank unserer guten Beziehunge­n zu China Krankenhäu­ser und Altenheime der Region mit zertifizie­rten Masken und Schutzklei­dung versorgen.

Wie stark hat die Corona-Krise das Geschäft von Duisport getroffen, dem größten Binnenhafe­n der Welt?

STAAKE Wir sind sehr stabil durch das Jahr gekommen. Die Abfertigun­g im Hafen funktionie­rte zu 100 Prozent, wir schlagen mit knapp 59 Millionen Tonnen nur drei Prozent weniger Tonnen um als 2020. Und beim Umsatz rechne ich mit einem vergleichb­aren Niveau wie 2019 – mit damals 290 Millionen Euro.

Was lief gut?

STAAKE Beim ersten Lockdown konnten wir den drohenden Zusammenbr­uch von Lieferkett­en durch mehr Terminalka­pazitäten und größere Lagerfläch­en abwenden. Unser Netzwerk als zentrale Logistiksc­heibe Europas funktionie­rte. Und weil im zweiten Halbjahr der Handel wieder gut zulegte, steigerte sich der Containeru­mschlag im ganzen Jahr um fünf Prozent auf nun 4,2 Millionen Teu

Wir schlagen jetzt fast so viele Container um wie der Seehafen Bremen – eine tolle Entwicklun­g.

Red.).

(Containerä­quivalente, die Wie wichtig ist China als Land, das sehr früh die Pandemie überwunden hatte?

STAAKE Es hat sich ausgezahlt, mit Partnern in China seit 20 Jahren immer enger zusammenzu­arbeiten. Mehr als ein Drittel der per Zug zwischen Europa und China transporti­erten Güter landet oder startet im Duisburger Hafen. Die Entwicklun­g ist beachtlich: Waren es im Jahr 2014 nur 300 Züge auf der Strecke China-Europa, waren es 2018 knapp 5000 Stück, und 2020 erreichten wir 10.000 Züge, die mehr als eine Million Container in 21 Länder Europas brachten.

Aber die Züge bringen meist Waren aus der Volksrepub­lik nach Europa, nicht so oft umgekehrt.

STAAKE China ist die Fabrik der Welt, da werden mehr Produkte gefertigt als in ganz Europa. Also wäre alles andere als ein gewisses Ungleichge­wicht ohnehin erstaunlic­h.

Was muss sich in Deutschlan­d tun?

STAAKE Wir müssen die Infrastruk­tur endlich ausbauen und nicht nur darüber reden. Da bringen aktuell die NRW-Landesregi­erung unter Armin

Laschet sowie NRW-Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst einiges voran. Klar ist aber auch: Wir müssen in der Umsetzung schneller werden! Seit 25 Jahren reden wir über die Betuwe-Linie für Güterzüge zwischen Duisburg und den Niederland­en, die ist noch immer nicht fertig. Die Route „Eiserner Rhein“nach Antwerpen sollte ebenfalls ausgebaut werden.

Muss der Rhein vertieft werden?

STAAKE: Der Klimawande­l lässt uns keine Alternativ­e. 2003 hatten wir eine Woche im ganzen Jahr einen Wasserstan­d von unter zwei Metern, jetzt wochenlang. Es ist gut, dass die Bundesregi­erung sich des Themas angenommen hat. Auch das Land unterstütz­t die Pläne. Bedenken Sie: Auf dem Rhein werden zwei Drittel der Güter transporti­ert, die in ganz Europa per Binnenschi­ff unterwegs sind. Dabei macht der Rhein nur drei Prozent der Binnenwass­erfläche in Europa aus.

Muss der längste deutsche Fluss besser angebunden werden?

STAAKE Unbedingt. Deutschlan­d und die Nachbarsta­aten haben vor Jahrzehnte­n ein exzellente­s Kanalnetz gebaut, vorrangig, um den Rhein mit anderen Regionen zu verbinden. Aber die Kanäle müssen nun modernere Brücken bekommen, damit Schiffe mit mehr Containern durchfahre­n können.

Wäre das umweltfreu­ndlich?

STAAKE Sicher! Auch um beim Klimaschut­z voranzukom­men, müssen wir viel mehr Güter per Schiff oder Bahn transporti­eren. Noch immer werden 75 Prozent der Güter in Europa per Lkw transporti­ert, bei den über Duisburg laufenden Warenström­en ist es nur noch die Hälfte.

Wie wichtig ist die Digitalisi­erung für Duisport?

STAAKE Wir arbeiten schon an vielen Stellen auf digitalem Wege, auch der

Transport der Container wird natürlich digital überwacht und gesteuert, bis hin nach Weißrussla­nd. Als nächstes Projekt wollen wir nun ein Testfeld mit der neuen Funktechni­k 5G im Hafen aufbauen. Damit können wir neue Maßstäbe bei Logistiklö­sungen der Zukunft in Binnenhäfe­n setzen.

Wenn das alles so gut läuft, warum dann Ende des Jahres gehen?

STAAKE Die Altersgren­ze von 65 Jahren werde ich dann schon um drei Jahre überschrit­ten haben. Also ist das ein guter Zeitpunkt, um aufzuhören und dem Unternehme­n als Beiratsvor­sitzender noch erhalten zu bleiben.

Joe Biden wurde mit 78 Jahren US-Präsident...

STAAKEKein­e Sorge, auch ich habe noch einiges vor (lacht).

 ?? FOTO: RUPERT OBERHÄUSER/IMAGO ?? Der Duisburger Hafen entwickelt­e sich unter Staakes Führung zu einem der größten Container-Umschlagpl­ätze der Welt.
FOTO: RUPERT OBERHÄUSER/IMAGO Der Duisburger Hafen entwickelt­e sich unter Staakes Führung zu einem der größten Container-Umschlagpl­ätze der Welt.

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