„Massive logistische Fehler in der Pandemie“
Der Duisburger Hafenchef über Versagen in der Krise, das Binnenschiff als Klimaschützer und die Chancen der Digitalisierung.
Herr Staake, Sie leiten mit Duisport eines der größten Logistikunternehmen Deutschlands. Wie bewerten Sie das Corona-Management?
STAAKE Es bedrückt mich, dass die Pandemie zu wenig entschlossen bekämpft wird. Die Lockdowns dauern an, auch weil massive logistische Fehler begangen werden. Die Praxis der Impfstoffbestellung empfinden viele Menschen zu Recht als skandalös. Anstatt den Herstellern jede nur denkbare Hilfe bei Logistik und Produktion anzubieten, wurde von Bürokraten monatelang über Preise gefeilscht. Jetzt läuft die Impfkampagne leider viel zu langsam an, wohl auch weil die Verteilung suboptimal läuft. Mir ist schleierhaft, warum jedes Bundesland einzeln die Verteilung des Impfstoffes organisieren sollte. Eine einheitliche logistische Lösung aus einer Hand für ganz Deutschland wäre sinnvoller gewesen.
Was hätte passieren müssen?
STAAKE Unsere Regierung hätte mit der deutschen Logistikwirtschaft einen Plan entwerfen müssen. Weltweit gelten unsere Logistikunternehmen als führend. Nehmen wir die Beispiele Deutsche Post/ DHL oder Schenker, die zum Teil in Staatshand sind. Unternehmen wie diese hätten in die Impfkampagne integriert werden können. Es ist doch völlig unverständlich, dass die FFP2-Masken für die älteren Bürger nicht einfach zentral eingekauft und verschickt wurden. Stattdessen werden aufwändig Bezugsscheine gedruckt, damit die Menschen zu ihren Apothekern gehen. Das ist alles andere als professionell angepackt worden.
Und jetzt?
STAAKE Als unsere Landesregierung uns um Hilfe gebeten hat, waren wir natürlich bereit dazu. Bereits im letzten Jahr konnten wir dank unserer guten Beziehungen zu China Krankenhäuser und Altenheime der Region mit zertifizierten Masken und Schutzkleidung versorgen.
Wie stark hat die Corona-Krise das Geschäft von Duisport getroffen, dem größten Binnenhafen der Welt?
STAAKE Wir sind sehr stabil durch das Jahr gekommen. Die Abfertigung im Hafen funktionierte zu 100 Prozent, wir schlagen mit knapp 59 Millionen Tonnen nur drei Prozent weniger Tonnen um als 2020. Und beim Umsatz rechne ich mit einem vergleichbaren Niveau wie 2019 – mit damals 290 Millionen Euro.
Was lief gut?
STAAKE Beim ersten Lockdown konnten wir den drohenden Zusammenbruch von Lieferketten durch mehr Terminalkapazitäten und größere Lagerflächen abwenden. Unser Netzwerk als zentrale Logistikscheibe Europas funktionierte. Und weil im zweiten Halbjahr der Handel wieder gut zulegte, steigerte sich der Containerumschlag im ganzen Jahr um fünf Prozent auf nun 4,2 Millionen Teu
Wir schlagen jetzt fast so viele Container um wie der Seehafen Bremen – eine tolle Entwicklung.
Red.).
(Containeräquivalente, die Wie wichtig ist China als Land, das sehr früh die Pandemie überwunden hatte?
STAAKE Es hat sich ausgezahlt, mit Partnern in China seit 20 Jahren immer enger zusammenzuarbeiten. Mehr als ein Drittel der per Zug zwischen Europa und China transportierten Güter landet oder startet im Duisburger Hafen. Die Entwicklung ist beachtlich: Waren es im Jahr 2014 nur 300 Züge auf der Strecke China-Europa, waren es 2018 knapp 5000 Stück, und 2020 erreichten wir 10.000 Züge, die mehr als eine Million Container in 21 Länder Europas brachten.
Aber die Züge bringen meist Waren aus der Volksrepublik nach Europa, nicht so oft umgekehrt.
STAAKE China ist die Fabrik der Welt, da werden mehr Produkte gefertigt als in ganz Europa. Also wäre alles andere als ein gewisses Ungleichgewicht ohnehin erstaunlich.
Was muss sich in Deutschland tun?
STAAKE Wir müssen die Infrastruktur endlich ausbauen und nicht nur darüber reden. Da bringen aktuell die NRW-Landesregierung unter Armin
Laschet sowie NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst einiges voran. Klar ist aber auch: Wir müssen in der Umsetzung schneller werden! Seit 25 Jahren reden wir über die Betuwe-Linie für Güterzüge zwischen Duisburg und den Niederlanden, die ist noch immer nicht fertig. Die Route „Eiserner Rhein“nach Antwerpen sollte ebenfalls ausgebaut werden.
Muss der Rhein vertieft werden?
STAAKE: Der Klimawandel lässt uns keine Alternative. 2003 hatten wir eine Woche im ganzen Jahr einen Wasserstand von unter zwei Metern, jetzt wochenlang. Es ist gut, dass die Bundesregierung sich des Themas angenommen hat. Auch das Land unterstützt die Pläne. Bedenken Sie: Auf dem Rhein werden zwei Drittel der Güter transportiert, die in ganz Europa per Binnenschiff unterwegs sind. Dabei macht der Rhein nur drei Prozent der Binnenwasserfläche in Europa aus.
Muss der längste deutsche Fluss besser angebunden werden?
STAAKE Unbedingt. Deutschland und die Nachbarstaaten haben vor Jahrzehnten ein exzellentes Kanalnetz gebaut, vorrangig, um den Rhein mit anderen Regionen zu verbinden. Aber die Kanäle müssen nun modernere Brücken bekommen, damit Schiffe mit mehr Containern durchfahren können.
Wäre das umweltfreundlich?
STAAKE Sicher! Auch um beim Klimaschutz voranzukommen, müssen wir viel mehr Güter per Schiff oder Bahn transportieren. Noch immer werden 75 Prozent der Güter in Europa per Lkw transportiert, bei den über Duisburg laufenden Warenströmen ist es nur noch die Hälfte.
Wie wichtig ist die Digitalisierung für Duisport?
STAAKE Wir arbeiten schon an vielen Stellen auf digitalem Wege, auch der
Transport der Container wird natürlich digital überwacht und gesteuert, bis hin nach Weißrussland. Als nächstes Projekt wollen wir nun ein Testfeld mit der neuen Funktechnik 5G im Hafen aufbauen. Damit können wir neue Maßstäbe bei Logistiklösungen der Zukunft in Binnenhäfen setzen.
Wenn das alles so gut läuft, warum dann Ende des Jahres gehen?
STAAKE Die Altersgrenze von 65 Jahren werde ich dann schon um drei Jahre überschritten haben. Also ist das ein guter Zeitpunkt, um aufzuhören und dem Unternehmen als Beiratsvorsitzender noch erhalten zu bleiben.
Joe Biden wurde mit 78 Jahren US-Präsident...
STAAKEKeine Sorge, auch ich habe noch einiges vor (lacht).