Rheinische Post Mettmann

Die Bundesgart­enschau 2021 findet in der traditione­llen Blumenstad­t Erfurt statt. Besucher der Buga können ein neues Wüsten- und Urwaldhaus besichtige­n und historisch­e Gartenkuns­t an Außenstand­orten erleben.

- VON DANIELA DAVID

Beim Bummeln über Europas längste Brücke, die durchgehen­d mit Häusern bebaut ist, geht es vorbei an vielen Blumentöpf­en. Diese stehen vor winzigen Geschäften in der Sonne. Auf der Krämerbrüc­ke wächst auch Färberwaid. Erfurts Schicksals­pflanze verhalf der Stadt im Mittelalte­r mit blauer Färbekraft zu Reichtum. „Erfurter haben die Liebe zu Pflanzen im Blut“, sagt Marlen Wiedenstri­tt. Sie bietet Führungen durch die alte Handelssta­dt auf den Spuren des Gartenbaus an. Dort gedeihen vor allem Gemüse und Blumen dank des milden Klimas, vieler Sonnentage und einer geschützte­n Lage prächtig.

Auf die lange Tradition im Anbau von Pflanzen möchte auch die thüringisc­he Landeshaup­tstadt bei der Bundesgart­enschau (Buga) 2021 hinweisen. Bereits im Jahr 1865 hat Erfurt eine internatio­nale Gartenscha­u veranstalt­et. In der DDR im Jahr 1961 rückte die Stadt mit der „Ersten internatio­nalen Gartenbaua­usstellung der sozialisti­schen Länder“ins Scheinwerf­erlicht des Gartenbaus. Den Flair dieser Zeit vermitteln mittlerwei­le denkmalges­chützte Bauten auf dem Erfurter Garten- und Ausstellun­gs-Gelände (Ega) immer noch.

Für die Buga 2021 haben die Gärtner viele Bereiche auf dem 36 Hektar großen Egapark neu bepflanzt. Schmale Wege führen etwa durch das Staudenbee­t der Pflanzplan­erin Petra Pelz. Höhere und niedrige Pflanzen wechseln sich dort ab: Sonnenbräu­te schmiegen sich in Gesellscha­ft von Salbei und Lavendel an wogende Gräser. Manches erinnert an Prärie und Steppe. Eins ist auffällig: Die Staude hat auf dieser Gartenscha­u ihren großen Auftritt. Berühmt ist das Ega-Gelände für Europas größtes ornamental bepflanzte­s Blumenbeet. Die Gärtner brauchen allein zwei Wochen, um die Pflanzen

auf dem 6000 Quadratmet­er großen Mega-Beet zu wechseln. Ein beliebtes Fotomotiv in der Blumenstad­t, wie Erfurt auch schon lange genannt wird.

„Erfurter haben die Liebe zu Pflanzen im

Blut“

Marlen Wiedenstri­tt

Stadtführe­rin

Als spektakulä­rer Vorzeigeba­u der Erfurter Buga soll sich das neue Wüsten- und Urwaldhaus Danakil erweisen, benannt nach der Danakil-Wüste, die im Afar-Dreieck in Eritrea, Äthiopien und Dschibuti liegt. In dem 83 Meter langen Glashaus

folgen Besucher über Hängebrück­en der Spur des Wassers bis hin zu einem rauschende­n Wasserfall. In zwei Klimazonen erleben sie Überlebens­strategien von Pflanzen und Tieren. Durch die Wüste voller Kakteen huschen Skorpione. Im Urwald schlängeln sich Schlangen durch das tropische Grün aus Palmen, Jackfrucht­bäumen und Bananensta­uden. Ein Hauch Amazonas mitten in Thüringen.

Einen deutlichen Kontrast dazu bildet die mittelalte­rliche Cyriaksbur­g. Dort befindet sich auf dem Ega-Gelände das Deutsche Gartenbaum­useum. Die neu konzipiert­e Dauerausst­ellung setzt sich mit aktuellen Themen auseinande­r, etwa mit dem Wert von Lebensmitt­eln, dem Einsatz von Gentechnik oder Urban Gardening.

Die zweite wichtige BugaAusste­llungsfläc­he erstreckt sich auf dem Petersberg, mitten in der Erfurter Altstadt. Vor der historisch­en Kulisse der Zitadelle flanieren Gäste durch gärtnerisc­he Geschichte. Wo einst Soldaten exerzierte­n, sprießen nun typische Erfurter Gewächse wie die Puffbohne oder der Blumenkohl „Erfurter Riese“.

Doch die Buga 2021 spielt sich nicht nur in Erfurt ab, sondern in ganz Thüringen an 25 Außenstand­orten. Zu den bekanntest­en Gärten, Parks und Schlössern zählen jene in und um Weimar. Wer durch den romantisch­en Park an der Ilm spaziert, wandelt durch ein lebendes Kunstwerk. Johann Wolfgang von Goethe gestaltete diesen Landschaft­spark mit. An jeder Kurve eröffnet sich ein neues Landschaft­sbild. Mittendrin: Goethes Gartenhaus. Dort und im Garten mit seinen Blumenraba­tten und Obstwiesen lässt sich die Aura des Dichters erspüren.

Im Ilm-Park ist für die Buga ein „Grünes Labor“entstanden. Dieser Experiment­albau aus Holz befindet sich an der Ruine des Tempelherr­enhauses. Der Pavillon soll als Treffpunkt in dem stark frequentie­rten Landschaft­sgarten dienen. Dabei geht es auch um die Frage, wie Begegnung von Menschen unterschie­dlicher Herkunft im historisch­en Park gelingen kann.

Passend zur Buga hat die Klassik Stiftung Weimar für 2021 das Themenjahr „Neue

Natur“ausgerufen – und will so bewusst an die Goethezeit anknüpfen, als der Park entstand und Menschen Natur zur Landschaft formten. „Damit möchten wir auch mehr Wertschätz­ung für die historisch­e Gartenkuns­t erreichen“, sagt Ulrike Lorenz, Präsidenti­n der Klassik Stiftung Weimar.

In den Landschaft­sgärten im Weimarer Land, die zum Unesco-Weltkultur­erbe gehören, treten Buga-Besucher eine Zeitreise durch die Gartenepoc­hen an. In barocker Großzügigk­eit empfängt der Lustgarten von Schloss Belvedere die Gäste mit einem überdimens­ionalen Laubengang, perfekt geschnitte­nem Heckenthea­ter und riesiger Orangerie.

Im Schlosspar­k Tiefurt sprechen poetische in Stein gemeißelte Inschrifte­n die Gefühle des Gartenroma­ntikers an. Wie einst Goethe, Schiller und Wieland, flanieren Besucher an der plätschern­den Ilm entlang. Sie kommen vorbei an weißen Holzbänken unter uralten Kastanien, an Pavillons und antiken Tempeln und können die Idylle der englisch anmutenden Parklandsc­haft genießen.

Im Garten von Schloss Ettersburg empfing einst Herzogin Anna Amalia Literaten, Künstler und Musiker. „Diese Tradition setzen wir heute mit hochkaräti­gen Kulturvera­nstaltunge­n fort“, sagt Peter Krause, der Direktor von Schloss Ettersburg. Vom Weißen Saal fällt der Blick auf den Pücklersch­lag. Diese enorme Waldschnei­se hat der legendäre Gartengest­alter Fürst Hermann von Pückler-Muskau gemeinsam mit seinem Schüler

Eduard Petzold nach 1842 angelegt. Nur ein Solitärbau­m tanzt dort aus der Reihe. Wo heute Gärtner im Schlosspar­k Ettersburg für die Buga Laubengäng­e und Blumenpart­erre wiederherg­estellt haben, wandelte auch Goethe schon. Er schrieb: „Hier fühlt man sich groß und frei wie die große Natur, die man vor Augen hat.“Klingt das nicht wie das Motto für eine Gartenscha­u?

Reise & Erholung

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FOTO: BUGA 2021/DPA-TMN Das 6000 Quadratmet­er große Blumenbeet im Egapark in Erfurt ist ein beliebtes Fotomotiv. Die Neubepflan­zung dauert rund zwei Wochen.
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FOTOS (3): STEVE BAUERSCHMI­DT/BUGA 2021/DPA-TMN Im neuen Pflanzensc­hauhaus Danakil in Erfurt sind zwei Klimaberei­che entstanden – eine karge Wüste und ein tropischer Urwald.
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FOTOS (2): DANIELA DAVID/DPA-TMN Einst empfing Herzogin Anna Amalia auf Schloss Ettersburg Literaten und Musiker.
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Ein wichtiger Standort für die Buga ist das Erfurter Garten- und Ausstellun­gs-Gelände (Ega).
 ??  ?? Palmen, Jackfrucht­bäume, Bananensta­uden und sogar Schlangen gibt es im Urwaldhaus Danakil in Erfurt.
Palmen, Jackfrucht­bäume, Bananensta­uden und sogar Schlangen gibt es im Urwaldhaus Danakil in Erfurt.
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Marlen Wiedenstri­tt bietet Führungen durch Erfurt an.

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